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Test

von  Hans Pieper
24.09.2015
Fran Bow
Getestet auf
  • Windows
  • Android Phone
  • Android Tablet
, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch

Eine gute Horrorgeschichte erzählen, das versuchen derzeit viele Adventuretitel. Fran Bow geht dabei einen interessanten Weg: Ein klassisches 2D-Point-and-Click-Adventure in Bilderbuchoptik, das trotzdem eine gehörige Portion Horror auffahren will. Bei Indiegogo glaubten 2013 über 1.000 Unterstützer an das Konzept und stellten mit rund 28.000 US-Dollar fast eineinhalb Mal so viel Geld zur Verfügung, wie von den Entwicklern gefordert. Ob das eine lohnende Investition war, haben wir uns näher angeschaut.

Am Rande des Wahnsinns

Seit ihre Eltern auf äußerst brutale Art und Weise getötet wurden, leidet die junge Fran Bow unter einem Trauma. Böse Geister, blutüberströmte Leichen und gruselige Wesen suchen sie regelmäßig heim. Zwar befindet sich Fran in einer geschlossenen Anstalt in Therapie, doch so richtig scheint die Behandlung nicht zu wirken. Ihr heißgeliebter Kater Mr. Midnight ist in der Mordnacht verschwunden. Und weil sie von ihrer Tante auch keine Hilfe erwarten kann, fasst Fran einen Entschluss: Sie muss aus der Anstalt ausbrechen. Nicht zuletzt, weil ihre Medikamente ihre Visionen offenbar nur noch heftiger und unheimlicher machen und die Behandlung der anderen Kinder äußerst fragwürdig scheint. Fran tritt eine lange Reise an, in deren Verlauf Realität und Visionen immer weiter verschwimmen. Doch zwei Fragen leuchten dem kleinen Mädchen den Weg: Wie kann sie ihren geliebten Kater wieder in ihre Hände schließen? Und wer ist der grausame Mörder ihrer Eltern?

Auch wenn der Spieler dies im Laufe des Adventures erwarten könnte: Eine eindeutige Auflösung gibt es am Ende von Fran Bow nicht. Vieles bleibt der Interpretation und Vorstellungskraft überlassen. So sorgt der Titel für angeregte Diskussionen in diversen Foren. Allerdings gibt das Ende dem Spieler etwas zu wenig an die Hand, um ein wirklich befriedigendes Gefühl zu hinterlassen. Ein wenig mehr Konkretes zum Abschluss hätte hier sicherlich gut getan, auch wenn der offene Ansatz ein erklärtes Ziel der Entwickler von Killmonday war. Doch das ist der einzige Kritikpunkt an der durchweg spannend erzählten Geschichte, die über sieben Abschnitte hinweg ungefährt sechs bis acht Stunden lang genau im richtigen Tempo erzählt wird.

Auf der Suche nach Antworten wird<br /><br />Fran mit unheimlichen Schauplätzen konfrontiert

Bilderbuch des Albtraums

Grafisch ist Fran Bow äußerst stimmig. Die mit enorm viel Liebe gezeichneten Schauplätze würden das Spiel wie ein Bilderbuch für Kinder aussehen lassen - wären da nicht die Szenen, in denen zerteilte Menschen, jede Menge Blut, Gedärme, Gerippe und furchteinflößende Geister den Bildschirm füllen. Durch die kindliche Optik dürfte das für viele Spieler noch erträglich sein, generell sind hier aber eine höhere Gore-Toleranz und ein stärkerer Magen notwendig. In Kinderhände gehört Fran Bow auf gar keinen Fall. Trotz des Horrorthemas hat die grafische Darstellung etwas merkwürdig Anziehendes. Dabei helfen die zahllosen Animationen, die beispielsweise viele verschiedene Emotionen in Frans Gesicht direkt nachvollziehbar machen. Auch in den meisten Schauplätzen ist viel Bewegung, beispielsweise durch zahlreiche Charaktere. Mit vielen liebevoll ausgearbeiteten Details gibt es zudem eine Menge zu entdecken – und immer wieder die halb neugierige, halb beunruhigte Frage, was den Spieler in Frans albtraumhaften Visionen erwartet.

Optisch ist Fran Bow eine äußerst gelungene, runde Sache geworden.

Ob die Pillen wirklich gut tun?

Fran bricht aus

Auf ihrem Weg muss der Spieler für Fran zahlreiche klassische Adventure-Rätsel lösen. Das bedeutet: Hauptsächlich Gegenstände sammeln und kombinieren. Diese Aufgaben gestalten sich abwechslungsreich und wirken nur an wenigen Stellen aufgesetzt. Etwas negativ fällt auf, dass mehrmals simple Zutatenlisten abgearbeitet werden müssen. Dem entgegen steht der clevere Einsatz von zwei Elementen, welche die Umgebung verändern und so zu weiteren Kopfnüssen führen. Zum einen taucht Fran jedes Mal in eine albtraumhafte Version ihrer Umgebung ein, sobald der Spieler sie eine rote Pille nehmen lässt. In dieser unangenehmen Umgebung sind dann häufig Dinge möglich, die in der Parallelwelt nicht funktionieren. Im weiteren Verlauf des Spiels kommt eine Jahreszeiten-Uhr zum Einsatz, mit der sich die Schauplätze schnell in eine Frühlings-, Sommer-, Herbst- oder Winter-Version verwandeln lassen. Wie auch die meisten Rätsel ist dieses Element nicht brandneu, aber sehr gut ausgeführt. Eine besondere Leistung ist es, dass Fran Bow trotz des Horror-Genres und übernatürlicher Ereignisse keine wirklich unlogischen Aufgaben beinhaltet. Alles, was der Spieler tun muss, ist in der Spielwelt oder der Situation verankert. Etwas nervig wirken sich hingegen drei Minispiele aus, bei denen etwas Geschick und Timing verlangt werden. Diese lassen sich jedoch überspringen und sind sehr schön gestaltet. Insgesamt bewegen sich die Rätsel auf einem mittleren bis hohen Niveau. Vor allem in größeren Gebieten gilt es erst einmal, sich einen Überblick zu verschaffen.

Können schnell etwas nervig werden: Die Minispiele

Talentiert geschrieben

Einem jungen Mädchen überzeugende Sätze in den Mund zu legen, ist eine schwierige Aufgabe. Viel zu häufig betrachten Autoren Kinder als kleine Erwachsene und lassen sie durch komplexe Satzstrukturen und Fremdwörter unglaubwürdig erscheinen. Fran Bow ist jedoch zum allergrößten Teil äußerst gelungen getextet. In ihren Äußerungen und Gedanken spiegelt sich eine ebenso kindliche und naive wie auch durch Ängste und Psychosen geplagte Art. Vor allem durch Frans häufig unbekümmerte Kommentare erhalten Dia- und Monologe witzige Momente, die das düstere Gesamtthema auflockern. Insgesamt gut gelungen ist auch die deutsche Übersetzung, die nur hin und wieder mit allzu wörtlichen oder etwas ungeschickten Übertragungen ein kurzes Stirnrunzeln hervorruft.

Leider sind alle Dialoge und Gedanken nur zum Lesen da, eine Sprachausgabe fehlt. Das ist bedauerlich, da vor allem witzige Momente durch eine entsprechende Betonung noch einmal deutlich aufgewertet würden. Allerdings ist es angesichts des kleinen Budgets und der großen Zahl an Sprechrollen verständlich, warum nur Musik und Geräusche aus den Boxen kommen.

Die Figur Fran ist überzeugend geschrieben

Gehörte Atmosphäre

Der perfekt gelungene Soundtrack schafft das Kunststück, sowohl dezent im Hintergrund zu bleiben und die aktuelle Stimmung zu verstärken, als auch langfristig im Ohr hängen zu bleiben. Hier wurde ganze Arbeit geleistet. Gerade durch die Musik entfaltet sich die starke Atmosphäre von Fran Bow erst vollständig. Auch das restliche Sounddesign ist gut gelungen. Die Geräusche klingen selbst in Fantasiewelten realistisch und sind stets auf den Punkt gesetzt.

Verschnaufpause: Dieser Ort ist wunderschön - größtenteils zumindest

Leicht umständliche Steuerung

Nicht besonders bequem gestaltet sich die Steuerung des Titels, bei dem in den Umgebungen die linke Maustaste alle Funktionen übernimmt. Ruft der Spieler das Inventar auf, erhält er drei weitere Optionen, die er über Schaltflächen auslösen kann: Untersuchen, Kombinieren und Benutzen. Gerade die Unterscheidung zwischen Benutzen und Kombinieren kann dabei für Verwirrung und den ein oder anderen Hänger sorgen. Auch etwas unbequem ist die Tatsache, dass ein erfolglos kombinierter Gegenständ nicht ausgewählt bleibt.

Ein wenig umständlich: Die Steuerung

Fazit

Fran Bow enthält viele gelungene Elemente. Die Grafik wirkt sehr gut und ist liebevoll ausgearbeitet. Die Figur Fran ist überzeugend geschrieben und die Geschichte hält den Spannungsbogen bis zum Schluss. Die Rätsel sind zwar recht klassisch, jedoch schön umgesetzt und wurden durch nette Elemente ergänzt, die Schauplätze in verschiedenen Versionen erscheinen lassen. Musik und Geräusche passen perfekt und die Atmosphäre stimmt. Negativ anzumerken sind die schnell nervigen, aber überspringbaren Minispiele, sich wiederholende ""Sammle-diese-X-Dinge""-Aufgaben und das zu offene Ende, das einen etwas unbefriedigenden Eindruck hinterlässt und die etwas hakelige Steuerung. Davon abgesehen ist Fran Bow ein starkes, klassisches Adventure mit einer spannenden Geschichte und einer gehörigen Portion Horror, sowohl durch äußerst blutige Umgebungen als auch durch einige Jumpscares. Wem diese Darstellung nicht zu viel ist, sollte auf jeden Fall einen Blick auf den Titel werfen.

thumb
Die Android-Version Aufgrund der Größe des Spiels wurde die mobile Version von Fran Bow in seine fünf Kapitel und somit in fünf Apps zerlegt. Das ist recht praktisch, da der Nutzer stets das aktuelle Kapitel installieren und danach wieder entfernen kann. Da jeder Teil mehrere 100 MB mitbringt, schont das den Speicherplatz des Gerätes. Die mobile Version ist übrigens deutlich größer als die die Windows Version mit rund 400 MB. Die Steuerung funktioniert per einfachem Tippen und Ziehen auf dem Bildschirm. Navigieren und Kombinieren klappt auch in dieser Version wunderbar, Grafik und Sound haben kaum bemerkbare Einbußen erfahren. Die Ladezeiten sind sowohl auf dem Galaxy Tab S als auch auf dem S4 angenehm kurz und selten, der Spielfluss bleibt komplett erhalten. Damit ist auch die mobile Version im Google Play Store eine definitive Empfehlung. Übrigens kommen auch iOS-Benutzer auf ihre Kosten.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Fran Bow entführte mich in eine überaus makabere, aber ebenso bildschöne und märchenhafte Welt, deren Vielfalt an fantasievollen sowie skurrilen Stationen ich zu Beginn kaum erahnte. Positiv hervorzuheben ist hierbei besonders die konsequente Vermengung kindlich naiver Hintergründe und düsterer Horrorszenarien. Die Identifikation mit der Hauptfigur ließ sich in meinem Fall wesentlich besser herstellen, als bei manch anderen Protagonisten des Adventuregenres. Fran Bows Handlungen sind frei von Boshaftigkeit und falls doch einmal etwas Unfeines geschieht, nagt sogleich das schlechte Gewissen an ihr. Ganz allgemein hatte ich den Eindruck, dass dieser Charakter einwandfrei ausgearbeitet wurde und im Endeffekt unglaublich authentisch wirkt. So kam es, dass mich diese liebevoll und sensibel erzählte Geschichte einfach nicht mehr losließ. Rasch entpuppte sich Fran Bow als eines jener Adventurespiele, die sich beim ersten Durchlauf nur schweren Herzens unterbrechen lassen.Tobias FireOrange Schmitt

Hässlich ist Fran Bow mitunter. Gerade die Monster und Schatten sehen aus, als wären sie im Rahmen eines LSD-Versuchs im Kindergarten entstanden. Die Animationen sind holprig. Eine Sprachausgabe fehlt, und da viel Verwirrendes über die eigentümliche Spielwelt gesprochen wird, muss man beim Lesen der Untertitel manchmal aufpassen, wer da gerade spricht. Die Texte sind gelegentlich, hoffentlich nur in der deutschen Übersetzung, ziemlich dämlich.
Dann aber: Besonders in Ithersta, der Fantasiewelt, bewirken grandiose, wie mit Wasserfarbe gemalte Farbpaletten eine surreale Stimmung. Klangminiaturen zwischen Ambient und Psychedelic Electrofolk lassen einen noch tiefer in diese wundervolle, winzige Welt eintauchen. Darüber hinaus im ganzen Spiel: Rätsel! So wie früher, benutze X mit Y. Eine spannende Geschichte, die einen tatsächlich verleitet, doch noch eine halbe Stunde dranzubleiben, obwohl man eigentlich ins Bett müsste. Schließlich jede Menge skurrile Charaktere und interessante Gimmicks wie die durch Pillen aufrufbare Parallelwelt oder die Jahreszeitenmanipulation.
Fazit: Trotz schlechter Voraussetzungen - das geringe Budget springt einem förmlich ins Gesicht - eine positive Überraschung. Die Inszenierung mag mitunter sehr bescheiden sein, aber das Erzählen einer spannenden Geschichte und das Rüberbringen von Stimmung kriegt das Team von Killmonday hin, gründlich abgeschmeckt mit jeder Menge (meist eher anspruchsloser) Puzzles. Wer keine Gedärmeallergie hat und von surrealen Spielwelten keine Pickel bekommt, findet in Fran Bow ein kleines Indiespiel zum Liebhaben.
Baldur nomad Brückner

Fran Bow hat mich schnell fasziniert. Zum Teil habe ich vor dem Wechsel in eine Albtraumversion eines Raumes kurz innegehalten und mich gefragt, was jetzt wohl gleich wieder Übles erscheinen würde. Durch die kindliche Grafik war der Titel für mich gerade noch erträglich, trotz der teils sehr expliziten Darstellung. Erfreut über die gut gemachten Rätsel und die spannende Geschichte ist es mir schwer gefallen, aufzuhören. Das arg offene Ende hat mich dann ein wenig enttäuscht, aber vielleicht spiele ich Fran Bow noch ein zweites Mal durch, um verpasste Elemente zu entdecken und mehr von der Geschichte zu entschlüsseln.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Tolle Geschichte
  • Sehr gut getextet
  • Stimmige, schöne Grafik
  • Schön ausgeführte Rätsel
  • Fantastischer Soundtrack
  • Etwas zu offenes Ende
  • Leicht nervige Minispiele
  • Etwas umständliche Steuerung
  • Leichte Wiederholungen bei Listen-Aufgaben