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Test

von  Sebastian 'basti007' Grünwald
26.09.2022
Return to Monkey Island
Getestet auf Windows, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch
90%

Meine Narbe im Gesicht stammt aus einer harten Entwicklung!

Da ist es also: Über 30 Jahre nach dem ersten Teil kehren wir in Return to Monkey Island mit Guybrush zurück auf die legendäre Affeninsel. Für viele war das Piraten-Abenteuer von 1990 der Einstieg in das Genre. Sein grandioses Gamedesign und das progressive Storytelling gelten noch heute als wegweisend für alles, was danach kam. Hält der „offizielle“ dritte Teil der Reihe den enormen Ansprüchen stand?

 

OK, dann erzähl mir mal was über RtMI!

Return to Monkey Island ist im Prinzip keine Fortsetzung, sondern eine eigene Geschichte, erzählt aus der Sicht eines schon etwas gealterten Guybrush: Geisterpirat LeChuck hat gerade in Mêlée Island angelegt, um sein Schiff mit Ware und neuer Besatzung zu beladen, und will nach Monkey Island aufbrechen. Eine Schatzkarte in seinem Besitz soll ihn dort endlich zum eigentlichen Geheimnis der Affeninsel führen. Guybrush will natürlich vor ihm dort sein, doch ohne Schiff und Crew bleibt ihm nichts anderes übrig, als selbst bei LeChuck anzuheuern. Gleichzeitig führen die neuen Piratenanführer Madison, Lila und Trent auch irgendetwas im Schilde. So kommt es schon bald zu Situationen, in denen der Feind deines Feindes plötzlich auch mal dein Freund sein kann.

 

Hast du nur eine Banane in der Tasche, oder freust du dich so, uns wieder zu sehen?

Return to Monkey Island zu spielen fühlt sich zunächst wie die Rückkehr zu alten Bekannten an: Mêlée Island hat immer noch die hyggelige, nachtblaue Atmosphäre mit Kirche und Voodoo Shop, Monkey Island hat immer noch den Affenkopf und LeChuck immer noch sein legendäres Musikthema (und Bob). Trotzdem haben sich aber auch Sachen verändert: Schwertmeisterin Carla ist jetzt Gouverneurin, Stans Bootsverkauf liegt in Trümmern und die Scumm Bar beherbergt jetzt deutlich mehr Piratinnen als früher.

Dieser Balance-Akt aus Altbekanntem, aber auch Modernisiertem zieht sich durch alle Aspekte des Spiels: Auch wenn wir uns klassisch in 2D durch die Szenenbilder bewegen, werden Aktionen mittels kontextsensitivem Rechts-Links-Prinzip deutlich vereinfacht. Wer nicht weiterkommt, kann zukünftig außerdem in einem „Hintbook“ nachschlagen, das Guybrush von der Voodoo-Lady erhält. Festsitzen tut in Return to Monkey Island somit niemand mehr. Auch die famose Hintergrundmusik bekommt die ein oder andere neue Interpretation, ohne die Originalstücke zu leugnen. Der neue Grafikstil, ein heißes Thema in den letzten Monaten, interpretiert die bekannten Locations prima: Alles ist wiedererkennbar, nur dass sich jetzt deutlich mehr bewegt, und man technisch mit viel Dynamik arbeitet: Von sanftem Kamerazoom bis aufwendiger Cutscene ist alles dabei. Ob man sich am Ende dann immer noch an Guybrush zugegeben etwas langem Zinken im Gesicht stört oder nicht, muss dann jeder für sich selbst entscheiden.

 

Tief in der Karibik - viele neue Inseln!

Überhaupt hat Return to Monkey Island eine Menge Inhalt zu bieten. Neben Monkey und Mêlée Island und LeChucks Schiff können wir eine ganze Reihe neuer Inseln bereisen, die alle aus einer Fülle an Ortschaften bestehen. Während andere Spiele einzelne Hintergründe mit möglichst viel Gameplay „vollballern“, hat man hier überhaupt kein Problem, auch mal den ein oder anderen Bildschirm ohne jeglichen zentralen Hotspot zu integrieren. Zu entdecken gibt es also auf alle Fälle mehr als genug und langweilig wird es damit faktisch nie. Das hängt neben dem Hintbook auch damit zusammen, dass die Rätsel durchgehend logisch und relativ offensichtlich sind. Selbst wenn man mal nicht weiterkommt, reicht häufig schon ein Gespräch mit einem Charakter, um auf die richtige Spur gelenkt zu werden. Wenn überhaupt, dann stört bei Return to Monkey Island eher noch das etwas schnitzeljagdartige Game-Design. Zwar sind die Rätsel nonlinear angelegt und im späteren Spielverlauf auch über zahlreiche Ortschaften verteilt, aber ganz wird man das Gefühl nicht los, einfach nur von einem Ort zum nächsten geschickt zu werden, um die Spielzeit zu füllen. Kognitiv gefordert fühlt man sich eher selten, zumal die Rätselideen sich ziemlich häufig wiederholen. Konstant drei Aufgaben zu erledigen wird im Laufe des Adventures quasi eine Art Running Gag. Das Finale, wenn auch gespickt mit einigem an Fanservice, wirkt dann tatsächlich fast schon etwas zu einfallslos.

 

Mein Schwert wird diese Geschichte durchbohren wie einen Schaschlik!

Am Ende fehlt es der Geschichte von Guybrush ein wenig an Plot und Dramaturgie. Return to Monkey Island verabschiedet sich auch von der Grundprämisse des Dreiakters mit Finale. So fühlt sich die Reise am Ende ein wenig richtungslos an: War zum Beispiel im ersten Teil noch die Affeninsel selbst das Objekt der Begierde, taucht sie jetzt fast schon zu Beginn auf. Die große Herausforderung, das Gefühl irgendetwas ganz Besonderes geschafft zu haben, geht damit verloren – zumal man von der angekündigten „Lüftung“ des „Geheimnisses“ naturgemäß nicht zu viel erwarten darf. Richtig stören tut das beim Spielen nicht – zu flott geht der Handlungsstrang voran und zu viele Leckerlies hängt einem das Spiel dabei immer wieder baumelnd vor die Nase: Seien es die vielen Extra-Achievements, optionale Trivia-Quizzes, zahlreiche unterschiedliche Endsequenzen, versteckte Locations (wie die versunkene Insel Cogg Island) oder ein eigener Writer’s Cut: Überall gibt es etwas zu tun, auszuprobieren und zu entdecken.

Am Ende ist Return to Monkey Island gameplaytechnisch also mal wieder eine extrem runde Sache geworden und vermutlich eines der besten Adventure-Designs seit Jahren. Schade nur, dass das Narrative dann eher wie Beiwerk wirkt. Auch wenn wir durchaus grandios entworfenen, neuen Charakteren begegnen, wirken die Intermezzos mit Guybrush irgendwie zu kurz und zu funktional, als dass sie wirklich die Tiefe des Vorgängers erreichen. Bei den drei neuen Piraten, die eigentlich eine zentrale Rolle einnehmen, wird das zum Finale hin am deutlichsten. Am Ende spielt alles Aufgebaute dann nur noch eine untergeordnete Rolle.

Man kann nur dazu raten, die vielen (optionalen) Gesprächsmöglichkeiten auch durchzuprobieren, denn die Dialoge sind erneut Spitzenklasse - und Gott sei Dank ist an der Chemie zwischen Guybrush und seinen alten Freunden wie Murray oder natürlich Elaine nichts abhanden gekommen, wobei gerade Elaine diesmal überraschend versöhnlich unterwegs ist. Immer wenn Guybrushs politische Inkorrektheit auf Elaines "Wokeness" trifft, überrascht Return to Monkey Island damit, dass sich die beiden eben nicht vollständig in die Haare kriegen. Eine vielleicht nicht zu unterschätzende Friedensbotschaft in einer mehr als polarisierten Zeit. Selten hat ein Spiel so sehr alle seine Spieler umarmt.

 

Fazit

Return to Monkey Island hatte es furchtbar schwer: Die Erwartungshaltungen waren riesig und jede Entscheidung hätte eine falsche sein können. Wie nah die Reihe den Genre-Fans geht, hat man schon an der Grafikdebatte sehen können. Trotzdem ist dem Team um Ron Gilbert hier die Quadratur des Kreises geglückt: Return to Monkey Island fühlt sich zwar nicht an wie ein Monkey Island 1 – das kann es schon auf Grund der historischen Fallhöhe einfach nicht sein. Es spielt sich aber durchaus so wie ein nahezu ebenso legendäres „Monkey Island 2“: Es ist größer, ausufernder und noch polierter als das Erstlingswerk. Es ist weniger ein neues Geschmackserlebnis als einfach ein großes Festessen. Gilbert hat möglichst viel in das Spiel gepackt, damit für jeden ein bisschen was dabei ist: Rückkehr zu alten Bekannten? Check! Neues Gameplay auf Monkey Island? Check! Progressive Aussagen gepaart mit Political-Incorrectness? Check! Soundtrack von Land, McConnell und Bajakian? Check! Im großen Universum von Return to Monkey Island findet jeder irgendetwas, das er liebt. Den Versuch, ein dramaturgisch ebenso runder Vertreter wie Teil 1 zu werden, geht es dafür gar nicht erst ein, und das ist sicherlich auch klüger so. Am Ende macht es klar, dass es eh nur eines sein will: Ein Spiel, bei dem man einfach auf eine spannende Reise durch die Karibik geht, mit neuen und alten Freunden – und dass am Ende der gemeinsame Weg das eigentliche Ziel (und vielleicht auch das eigentliche Geheimnis) ist.

Galerie

Kommentare des Verfassers

Kommentare

detail

Monkey Island 3a hätte auf ewig ein Mythos bleiben können. Doch ich hatte die Hoffnung nie aufgegeben, und jetzt ist es tatsächlich erschienen. Ron Gilbert hat jene Geschichte fortgeschrieben, mit der eine Generation von Computerspieler*innen aufgewachsen war - zu einer Zeit, als besagtes Hobby weitaus weniger verbreitet war. Heute erinnere ich mich noch gut an bestimmte Momente in den frühen 90ern, und blicke zurück auf unzählige Stunden, Tage und Monate mit Monkey Island 2: LeChuck's Revenge. Eine Perle, die besonders für mich niemals ihr Leuchten verlor. Die Suche nach dem sagenumwobenen Big Whoop ist gewiss vorüber, aber Return to Monkey Island knüpft auf überraschend konsequente Weise an das bis dato vieldiskutierte Ende des zweiten Teils an. Nun allerdings stürzt sich Guybrush in ein neues Abenteuer: Er möchte das Geheimnis von Monkey Island enthüllen. Zu einem leicht abstrahierten Grafikstil, wundervoll in Szene gesetzt und animiert, erklingt abermals der unsterbliche Soundtrack von Michael Land, nunmehr modernisiert und aufgepeppt, doch mitnichten seiner Wurzeln beraubt. Mit meinem Lieblingspiraten ist auch so mancher Ohrwurm zurückgekehrt, der mich momentan wohlwollend durch den Alltag begleitet. Und "Return" ist dennoch weitaus mehr als bloße Nostalgie: Allein schon das Storyboard und der Humor sind vom Zeitgeist geprägt. Ganz besonders genossen habe ich eine Szene, in der Guybrush auf "querdenkende" Piraten trifft: Limetten mit sich führen? Gegen Skorbut? Das ist doch wissenschaftlicher Hokuspokus! Ja, der Titel zeigt mir einmal mehr, warum ich ein Gilbert-Fangirl bin.

detail

Mir hat Return to Monkey Island viel Freude bereitet. Schon lange nicht mehr habe ich mich jeden Abend so gefreut, ein Adventure zu laden, wie hier. Ja, die kindliche Freude, wie ich vor 30 Jahren selbst Guybrush zum ersten Mal kennenlernte, fühlte ich tatsächlich wieder. In dem neuen Teil steckt viel Inhalt, viel Herzblut und vor allen Dingen viel Ron Gilbert. Es ist Adventure-Design par excellence – und das in einem Genre, in dem man eigentlich nicht mehr viel Neues erfinden kann. Man sieht aber auch die dramaturgischen Schwächen: Die ersten beiden Monkey Islands stellten immer schon das Spielerlebnis über die Story. Das ist auch hier wieder so. Für den letzten Schliff Grandiosität fehlt es der gepolischten Schnitzeljagd etwas an Richtung und Epos, was Teil 1 wohl mehr durch Zufall glückte. Aber stört das? Definitiv nein! Denn als der Abspann lief, wollte ich definitv mehr davon... Elaine, wann geht mein Schiff nach Mire Island?

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Sehr viel zu entdecken
  • Grandiose Dialoge
  • Famoser Soundtrack
  • Nicht eine Sekunde langweilig
  • Toller Synchronisation
  • Gute deutsche Übersetzung
  • Etwas unrunde Dramaturgie
  • Etwas viel Schnitzeljagd-Gefühl
  • Etwas lange Nase