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Test

von  Michael Stein
27.06.2017
The Walking Dead: A New Frontier
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Im November 2016 startete Telltale Games in die dritte vollständige Staffel seines bisher größten Spiele-Universum The Walking Dead. Nach einer sehr starken ersten, der eher schwächeren zweiten Staffel sowie der storyseitig unabhängigen Mini-Serie Michonne waren die Erwartungen groß. Können die Kalifornier wieder an die Erfolge ihres Debüts anknüpfen? Inzwischen ist A New Frontier vollständig erschienen. Wir haben uns die Serie für euch angesehen.

Neue Helden, neue Geschichte

Taktische Veröffentlichung

Offenbar wollte Telltale das 2016er Weihnachtsgeschäft mitnehmen, als Ende November A New Frontier mit einer Doppelfolge startete. Umso größer war die Enttäuschung der Fans, als die Serie dann erst im März 2017 fortgesetzt wurde. Denn mit Batman und Tales from the Borderlands schien die Produktionspipeline der Kalifornier so optimiert worden zu sein, dass regelmäßige Veröffentlichungen möglich geworden waren. Dass die Gesamspielzeit der Doppelveröffentlichung gerade mal bei zwei Stunden lag, bereitete vielen Spielern zudem ein ungutes Gefühl - und sie behielten Recht. Bis zum Ende der Staffel steigerte sich die Spielzeit der Episoden nicht. Nach Abschluss der gesamten Staffel zeigte die Uhr gerade einmal knapp sechs Stunden. Damit erreicht Telltale einen neuen Tiefpunkt.

Mit Javier und seiner Familie kommen neue Charaktere ins Spiel

Ein neuer Held

In A New Frontier wird mit Javier ein neuer spielbarer Charakter eingeführt. Der junge gescheiterte Baseballspieler trägt als Markenzeichen seinen Baseballschläger auf dem Rücken, den er auch gerne als Nahkampfwaffe einsetzt. Die Figur wird gut eingeführt, denn die Staffel beginnt mit einer Rückblende, die nicht nur seine eigene Geschichte und seinen Start in die Zombie-Apokalypse beleuchtet, sondern auch die seiner Familie, um deren Zusammenhänge sich die Geschichte der Staffel weitestgehend dreht. Kurz darauf ist er mit seiner Schwägerin, seinem Neffen und seiner Nichte im Auto unterwegs und auf der Suche nach Treibstoff. Auf einem Schrottplatz kommt es zum ersten brutalen Zusammentreffen mit einer Gemeinschaft, die sich The New Frontier nennt. Noch weiß Javier nicht viel über diesen offenbar üblen Haufen, wird jedoch vorerst von seiner Familie getrennt. Kurz darauf trifft er auf Clementine, die TWD-Spieler schon gut aus der bisherigen Serie kennen. Ihr Verhältnis ist zuerst durch Clementines über die Jahre erlerntes Misstrauen geprägt, doch beide haben ein Problem: Javier möchte seine Familie finden und Clementine braucht dringend ein Fahrzeug. So bilden sie vorerst eine Zweckgemeinschaft. Schnell werden jedoch auch Hintergründe über das Verhältnis zwischen Clementine und The New Frontier aufgedeckt, was das Miteinander erschwert.

Der Detailgrad geht in Ordnung

Technisch solide

Die bereits bei Batman und Guardians of the Galaxy eingesetzte neue Engine funktioniert auch bei A New Frontier gut. Das Spiel läuft stabil und sieht gut aus. Spielerisch hat sich nicht viel getan, das Prinzip ist wieder eine Mischung aus Quicktime-Events, Dialogen, kleinen begehbaren Bereichen, in denen Aufgaben erledigt werden müssen und emotional schwerwiegenden Entscheidungen. Diese haben zwar vordergründig Einfluss auf das Spielgeschehen, langfristig sind sie jedoch eher irrelevant. Sound und Sprachausgabe sind gewohnt solide, man bekommt also, was man erwartet.

Javier in Schwierigkeiten

Familiäre Abhängigkeiten

Die Story dreht sich im Großen und Ganzen um Javier und seine Familie. Eine besondere Rolle spielt dabei sein ungeklärtes Verhältnis zu seiner Schwägerin Kate, welches tatsächlich im Verlaufe des Spiels durch Entscheidungen beeinflusst wird. Aber auch andere familiäre Verstrickungen spielen eine Rolle, wodurch insgesamt interessante Konstellationen entstehen, die der Geschichte einige ansprechende Wendungen verleihen. Doch nicht nur Javier, auch Clementine hat ihr Päckchen zu tragen. Ihre Erlebnisse zwischen der zweiten und dritten Staffel werden durch Rückblenden erzählt, in denen sie auch für kurze Zeit zum spielbaren Protagonisten wird. Diese zweigleisig erzählte Geschichte ist ein neues Element in der Serie und bereichert das Geschehen positiv. Zwar wird die Geschichte letztendlich zu einem guten Abschluss gebracht, die Story um Clementine wird jedoch laut einer Mitteilung nach dem Abspann der letzten Episode fortgesetzt. Ob es sich dabei um eine vollständige vierte Staffel, um eine einzelne Episode wie bei 400 Days oder um eine Mini-Serie im Stil von Michonne handeln wird, ist bisher unklar.

Clementine ist wieder ein Stück erwachsener

Clementine

Besonders Clementines Rolle, die den Spieler schon seit Beginn der Serie begleitet, verdient eine genauere Betrachtung. Das kleine, schützenswerte Mädchen aus der ersten Staffel ist fast zu einer jungen Frau herangewachsen. Dass sie über die Jahre hinweg viel durchgemacht hat, ist ihr anzusehen. Narben, Tattoos, entschlossene und teils harte Gesichtszüge... die Zombie-Apokalypse und das Leben auf der Straße sind nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Zum ersten Mal sind auch ihre Motive nicht von Anfang an durchschaubar. Ging es bei Clementine bisher um das nackte Überleben, so scheint sie nun ein Ziel zu verfolgen, welches sie nicht von Anfang an offenbart. Um weitere Details zu erfahren, muss sich Javier erst ihr Vertrauen verdienen.

Insgesamt wieder eine gute Staffel

Fazit

Mit der zweiten Staffel hatte Telltale einen großen und cleveren Vorteil im Storytelling verschenkt. Der Beschützerinstikt, der beim Debüt durch die hilflose Clementine und den verantwortungsvollen Spielcharakter Lee geweckt wurde, entfiel dadurch, dass Clementine direkt vom Spieler gesteuert wurde und damit auf sich selbst gestellt war. Dementsprechend hatten die anderen Charaktere nicht mehr die notwendige Tiefe. Auf dieses Prinzip hat man sich bei A New Frontier zurückbesonnen. Zwar bedarf Clementine nicht mehr der vollen Aufmerksamkeit, dafür wurden dem aktuellen Protagonisten Javier aber neue Schützlinge zugewiesen. Es funktioniert, denn teilweise ist das alte TWD-Gefühl wieder da. Leider kränkelt A New Frontier im Gegenzug an der vergleichsweise geringen Spielzeit. Trotzdem schaffen es die Kalifornier, eine gute Geschichte zu erzählen, die zwar leider nicht in allen Bereichen finalisiert wird, aber durch die direkte Ankündigung einer Fortsetzung Lust auf mehr macht.

Galerie

Kommentare des Verfassers

Kommentare

detail

Dass man bei Telltale Games keine 180 Grad Wende erwarten darf, dürfte klar sein. Das bewährte Modell scheint noch immer gut genug zu sein. Klar, was nicht kaputt ist, muss nicht repariert werden. Aber ein bisschen mehr als nur schärfere Comic-Optik kann mittlerweile auch endlich einmal drin sein. Nichtsdestotrotz wird man als Fan der Spiele- und auch TV-Serie (oder natürlich des Comics) auf seine Kosten kommen, denn hier gibt es doch die eine oder andere Überraschung, die ich wirklich nicht erwartet hätte. Mit dem neuen Protagonisten Javi habe ich mich auch ein bisschen an das Spin-Off der TV-Serie ("Fear the Walking Dead") erinnert gefühlt. Auch hier gibt es wieder einige heftige Entscheidungen zu treffen, die manchmal in einem Unbehagen auslösen können. So muss das in einem solchen Spiel sein! Dennoch wünsche ich mir für eine mögliche vierte Staffel einige technische Neuerungen, die schon längst überfällig sind.

detail

The New Frontier hat mir wieder ein ganzes Stück besser gefallen als die zweite Staffel, vor allem durch die neu eingeführten Charaktere, die wieder mehr Tiefe haben. Die Geschichte funktioniert gut, ist abwechslungsreich und verfügt über schöne Wendungen. Zwar reicht die dritte Staffel inhaltlich nicht ganz an das Debüt heran, Telltale ist aber wieder auf dem richtigen Weg. Ich bin gespannt, wie es mit Clementine weitergeht.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Gute Charakterentwicklung bei Clementine
  • Insgesamt überzeugende Geschichte
  • Insgesamt sehr kurz