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Test

von  JackVanian
16.07.2009
The Blackwell Legacy
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Unter dem Banner von Wadjet Eye Games machte Dave Gilbert mit der Deluxe-Version seines Rabbiner-Krimis The Shivah 2006 das erste Mal als kommerzieller Entwickler auf sich aufmerksam. Im Dezember desselben Jahres war es dann an der Zeit für den nächsten Schritt: eine Serie, die bereits in naher Zukunft mit Convergence in die dritte Runde gehen wird. Den Auftakt unserer Berichterstattung über die Blackwell-Serie bildet an dieser Stelle das Debüt von Rosangela Blackwell und Joey Mallone in The Blackwell Legacy.

Humphrey Bogart ist tot?

Die New Yorkerin Rosangela Blackwell hat schon bessere Zeiten erlebt: Ihre Tante Lauren ist nach einem jahrelangen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klink verstorben, starke Kopfschmerzen vermitteln der Journalistin das Gefühl, ihr Schädel würde explodieren und zu allem Überfluss muss sich Rosangela nun auch noch mit der Berichterstattung über den Selbstmord einer Studentin auseinandersetzen. Dabei ist die leidgeprüfte Rothaarige bei der lokalen Zeitung lediglich für Buchrezensionen zuständig, so dass sie ihren neuen Auftrag nur mit großem Widerwillen übernimmt. Aber frei nach Murphys Gesetz ist das noch längst nicht alles, denn der wirkliche Paukenschlag steht der New Yorkerin erst noch bevor. Wie aus dem Nichts wird Rosangela in ihrer Wohnung mit übernatürlichen Vorkommnissen konfrontiert und findet sich plötzlich in der Gegenwart von Geister-Charmeur Joey Mallone wieder, der sowohl vom Kleidungsstil als auch vom Verhalten als Zwillingsbruder von Humphrey Bogart durchgehen könnte. Fröhlich-trocken verkündet Joey der fassungslosen Rosangela, dass es in jeder Blackwell-Generation eine weibliche Person gibt, deren Berufung dank ihrer übersinnlichen Fähigkeiten darin liegt, Geistern die in der Zwischenwelt zwischen Leben und Tod gefangen sind, den Übergang ins Jenseits zu ermöglichen. Aus ihm unbekannten Gründen ist Joey, der das Zwischenreich nicht verlassen kann, dabei an die Blackwells gebunden. Nach Laurens Tod ist er nun auf Rosangela übergegangen, um das „Familiengeschäft“ weiterzuführen. Nicht sehr erfreut über diese Worte und von der Angst geplagt, den Verstand verloren zu haben, wird das Medium wider Willen schon bald feststellen, dass es Dinge fernab der Wahrnehmung der Lebenden gibt, von denen sie nicht zu träumen gewagt hätte.

Interaktion ist Silber, Reden ist Gold

Wie man es aus anderen Gilbert-Spielen kennt, befindet sich die Qualität der Dialoge auf einem Level, um den ihn nicht wenige Großproduktionen beneiden dürfen. Gerade im Bezug auf Joey Mallone schüttelt das Wadjet-Eye-Mastermind hier Punchlines aus dem Ärmel, die in ihrer beeindruckend-zielgenauen Lässigkeit zu keinem Zeitpunkt gestelzt oder überkonstruiert wirken. Speziell die Zwiegespräche zwischen Joey und Rosa sorgen dafür, dass innerhalb der sehr melancholischen Spielwelt durchaus auch mal herzhaft gelacht werden darf. Vom sehr erzwungenen Humor, wie er teilweise anderenorts praktiziert wird, fehlt hier jedenfalls jegliche Spur. Gleichzeitig präsentiert das Verhältnis zwischen Multiple-Choice-Dialogen und Gameplay aber auch ein deutliches Übergewicht zum gesprochenen Wort, wodurch der ohnehin schon sehr lineare Titel sicherlich nicht als Meilenstein der Interaktivität in Erinnerung bleibt. Unser Inventar, welches sich am oberen Bildschirmrand finden lässt, dient bis auf wenige Ausnahmen dazu, Dokumente zu lesen oder Bilder zu begutachten. Dafür wartet unser Notizbuch mit einer immensen Bedeutung auf: Hinweise oder Gedanken, mit denen wir uns im Laufe der Ermittlungen konfrontiert sehen, werden genauso wie die Namen der Protagonisten festgehalten. Regelmäßig gilt es, die einzelnen Punkte in unserem Block zu kombinieren, um daraus dann weitere Erkenntnisse abzuleiten, welche die Story vorantreiben. Auch wenn Joey Mallone hier noch keinen spielbaren Charakter darstellt, sondern lediglich in zwei Dialogen dirigiert werden darf, spielt auch das Teamwork zwischen Rosangela und ihrem Gefährten mit der leicht ungesund wirkenden Hautfarbe eine wichtige Rolle. Zum Beispiel dann, wenn Rosangela Joey um ein Ablenkungsmanöver bittet, um in Ruhe eine gewünschte Aktion ausführen zu können. Optional lässt sich im Übrigen jederzeit eine Tutorial-Funktion einschalten, die die einzelnen Elemente des Spielprinzips erläutert. Zusätzlich können Blackwell-Fans dank eines zuschaltbaren Audiokommentars während der gesamten Spieldauer Anekdoten aus erster Hand von Dave Gilbert höchstpersönlich erfahren. Als Bonus bekommen wir nach Beendigung des Spiels einen Code mitgeteilt, dank dem wir uns über dreißig Audio-Outtakes anhören können.

Definitiv nicht lauffähig auf einem 286er

Visuell wirkt der Wadjet-Eye-Titel mit seiner verpixelten Grafik und der überschaubaren Anzahl an Details, als hätte das Adventure-Game-Studio-Spiel fast 20 Jahre auf dem Buckel - ob es dabei um die Hintergründe oder Figuren geht. Für Hardcore-Jünger neuster Technologien, die sich eine Maximal-Auflösung von 640 X 480 in ihren finstersten Träumen nicht vorstellen können, mag hiermit der Punkt gekommen sein, an dem sie jegliches Interesse verlieren mögen. Allen anderen sei gesagt, dass die altmodische Optik einen guten Beitrag zur Charmeoffensive aus dem Hause Blackwell beisteuert und der Gesamterfahrung sicher nicht im Wege steht. Anders als im - unter großem Zeitdruck veröffentlichten - Nachfolger Unbound werden die Gesichter der Charaktere während Gesprächen übrigens in Portraitboxen gezeigt, wie man sie aus einigen Sierra-Titeln in Erinnerung hat. Dabei kommt auch eine überschaubare Reihe an verschiedenen Gesichtsausdrücken zum Einsatz.

Spiel’s noch einmal, Sam

Dank der guten Sprecher vermag es The Blackwell Legacy glücklicherweise, das Potential seiner guten Dialoge zur vollen Entfaltung zu bringen. Der Star ist freilich auch hier Joey Mallone, dessen unterschiedliche Verhaltensformen dank seines Sprechers sehr überzeugend zur Geltung kommen - egal ob es sich dabei um den staubtrockenen Charmebolzen, oder den vermeintlich harten Burschen handelt. Und auch wenn die Stimme von Joeys Partnerin gelegentlich beeindruckend hohe Klangdimensionen erreicht, vor denen sich manches Glasfenster in Acht nehmen sollte: das Kunstwerk der richtigen Betonung beherrscht sie. Gleiches gilt für die weiteren Sprecher, zu denen sich übrigens auch Ben Jordan-Entwickler Francisco Gonzales in Form eines akustischen Cameo-Auftritts gesellt. Eine Hauptrolle spielt hingegen der exzellente Soundtrack, der durch seine verträumt-depressive Stimmung einen absoluten Kernpfeiler in Sachen Atmosphäre darstellt.

Fazit:

Eine spielerische Herausforderung kann der Auftakt der Blackwell-Serie zwar nicht bieten, dafür punktet er aber mit Charme, Atmosphäre, seinen Dialogen und dem sehr gelungenen Soundgerüst. Gute Unterhaltung bietet The Blackwell Legacy also allemal, bei der sehr kurzen Spielzeit von circa zwei Stunden zum Preis von 15 $ sollte allerdings vor einem potentiellen Kauf zur Vorsicht die Demo angetestet werden.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Kleinere Schwächen, selbst das leider sehr pathetisch geratene Finale, kann ich diesem Titel sehr gut verzeihen, denn in wenigen Großproduktionen der letzten Jahre habe ich mich so gerne bewegt wie in der Welt von Joey und der Blackwell-Familie. The Blackwell Legacy ist kein weiteres Retortenprodukt, es ist ein Spiel mit Herz. Dave Gilbert sei’s gedankt, der heutzutage nicht ohne Grund einen der bedeutendsten Namen der Indie-Szene darstellt. Wenn sich in Zukunft noch eine höhere Spieldauer zu den bereits vorhandenen Stärken der Serie gesellt, die Gilbert mehr Raum lassen, um seine Qualitäten als Geschichtenerzähler zu entfalten, steht der Zenit der Blackwell-Reihe definitiv noch bevor.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Sehr gut geschriebene Dialoge
  • Intensiv-melancholische Atmosphäre
  • Überzeugende Sprachausgabe
  • Exzellente Musik
  • Charmante Charaktere
  • Gameplay organisch in den Plot eingewoben
  • Kurze Spieldauer
  • Keine spielerische Herausforderung
  • Pathetisches Ende