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Test

von  Benjamin "Grappa11" Braun
17.02.2009
Ceville
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Es war einmal ein Königreich namens Faeryanis. Da lebten Elfen und Zwerge, Trolle und Goblins, Menschen und Feen. Da gab es verträumte Wälder, tiefe Täler und hohe Berge weit und breit und eine herrschaftliche Hauptstadt, in der der König thront. Alles hätte so schön sein können, wäre der König nicht ein fieser Wadenbeißer, der seine Untertanen nur zu gerne drangsaliert, wo immer er kann.

Der Fiesling Ceville ruft mit seinem tyrannischen Regierungsstil die Bürger auf den Plan, die endgültig die Nase voll haben. Mit Hilfe des heimtückischen Beraters des Königs, Basilius, gelingt einer wütenden Meute der Sturz des Monarchen, den man kurzerhand in den Knast wirft. Nur die kleine Lilly erkennt, dass nicht nur Übles in Ceville steckt, und beschließt, den Pimpf aus dem Gefängnis zu befreien und ihm wieder auf den Thron zu verhelfen.

Spieglein, Spieglein an der Wand:

Wer ist das schönste 3D-Adventure im Land?

Es steht völlig außer Frage, dass Publisher Kalypso gut daran getan hat, Ceville ein vollkommen neues Antlitz zu verpassen und damit das Spiel optisch deutlich aufzuwerten. Das hat im Großen und Ganzen gut funktioniert. Sowohl die Schauplätze als auch die Charaktere können mit ihrem persiflierenden Märchenlook überzeugen und dabei in verschiedenen Bereichen noch einige Bonuspünktchen sammeln.

Besonders im Bereich der Charakteranimationen hat man ein paar tolle Sachen ins Spiel integriert. Wenn Ceville sich lustvoll die Hände reibt, nachdem er eine neue Gemeinheit ersonnen hat, oder Ambrosius selbstverliebt vor dem Spiegel posiert, dann hat das einfach was. Der treudoofe Blick des Paladins, das giftige Grinsen oder schelmische Lachen Cevilles tragen viel zum Humor des Spiels bei. Genauso wie wenn der Giftpilz mit seinen Stummelbeinchen ein paar Schritte zurücklegt. Hinzu kommen einige hübsche Wasser-, Spiegel- und Glanzeffekte sowie zahlreiche Zwischensequenzen. Die meisten davon liegen in Spielgrafik vor, in ein paar wenigen Rendersequenzen erzählt eine Märchenerzählerin die Geschichte von Ceville und seiner Begleiterin Lilly.

Nach einiger Zeit muss man zwar feststellen, dass die Vielfältigkeit der Animationen und der Umfang der Locations ihre Grenzen haben, der Atmosphäre tut das allerdings keinen Abbruch. Das gilt auch für andere optische Unzulänglichkeiten wie hin und wieder auftretende Clippingfehler, einzelne unvollständig wirkende Animationen oder unschöne Grafikfehler, die besonders in den letzten beiden Spielabschnitten zu finden sind. Grobe oder gar unverzeihliche Schnitzer gibt es nicht.

Dennoch weist der bunte Comiclook, der entfernt an Ankh oder Jack Keane erinnert, stilistisch eine ganz eigene Note auf, die vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Aber selbst wer optisch schrillen Abenteuern eher skeptisch gegenübersteht, sollte die Kaufentscheidung längst nicht nur von der Grafik abhängig machen.

Dich kenne ich doch!

Wer die Berichterstattung zum Spiel bereits längere Zeit verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass Entwickler Realmforge an allen Ecken und Enden Anspielungen auf die Spielewelt, Comics, Filme und Fernsehen bereit hält. Ob nun Faeryanis nach dem 'Showstar' sucht, die Selbsthilfegruppe der guten Fee aus einem LeChuck-ähnlichen Piraten, einem wie Darth Vader röchelnden schwarzen Ritter und einem gehörnten Dämon, der an Peter Molyneux' Dungeon Keeper erinnert, besteht oder das Hofwachen-Duo dezente Ähnlichkeiten mit den Helden der Asterix-Comics aufweist - hier sollte für jeden etwas dabei sein. Ceville bedient sich übrigens nicht bloß an flachen Sprüchen und Bezügen. Hochintellektuellen Humor sollte man sicherlich nicht erwarten, wer aber genauer hinhört wird merken, dass mancher Kommentar alles andere als dumm ist. Hin und wieder ist aber auch gewisses Hintergrundwissen, besonders im Bereich der aktuelleren Populärkultur, nötig, um alle Winks zu erkennen.

Das Spiel beschränkt sich aber nicht bloß darauf, irgendwelche Vorbilder zu persiflieren, sondern greift auch humorvoll gesellschaftliche Themen auf, etwa wenn die Zwerge sich vom Gewinn der Mine ihren Teil abzweigen und bei der Gewinnmaximierung auch mal unlautere Mittel anwenden. Natürlich bekommt auch die Politik ihr Fett weg, auch hier ohne konkrete Allusionen.

Besonders witzig wird es aber immer dann, wenn Ceville wieder eine Gemeinheit ausheckt oder selbst die im Spiel verwendeten Klischees aufgreift. Warum zum Beispiel müssen Bösewichte eigentlich immer ausführlich ihre Pläne schildern?

Höret, höret!

Wenn es einen Bereich gibt, in dem Ceville alles richtig macht, dann ist es die durchgehend gelungene Sprachausgabe. Hauptcharakter Ceville und Paladin Ambrosius sind mit Mogens von Gadow (u.a. Joe Pesci) und Thomas "Doug Heffernan" Karralus schlichtweg ideal besetzt. Auch für die äußerst schwierig zu besetzende Rolle der kleinen Lilly hat man eine exzellente Lösung gefunden. Einzelne kleinere Nebenrollen sind vielleicht nicht mit optimalen Stimmen ausgestattet, aufgrund der stets passenden Betonung und nicht zuletzt der gut geschriebenen Dialoge hinterlässt Ceville aber einen hervorragenden Eindruck.

Der Entwickler übt sich in Selbstironie.

Musik ist im Spiel fast durchgehend präsent ohne sich dem Spieler aufzudrängen. Die fröhlichen oder verträumt mittelalterlichen Klänge in der Stadt und im Wald oder die leicht düstere Musik auf dem Friedhof beim Dämon sind allerdings meist so unscheinbar, dass sie es nur selten schaffen einen Beitrag zur Atmosphäre zu leisten, obwohl sie ansich gut zur jeweiligen Location passen. Die Übergänge zwischen den Szenen sind sehr sauber, allerdings leistet sich der Ton an einzelnen Stellen kleine Aussetzer, was sich in einem deutlich hörbaren Knacken bemerkbar macht. Das passiert allerdings nur selten. Was in der Preview-Version noch gar nicht klappte ist der Umgang mit den Hintergrundkommentaren der Spielfiguren. Die meist sehr unterhaltsamen Einwürfe mischten sich immer wieder unter Dialoge, auch an Stellen, wo die betreffenden Charaktere selbst beteiligt waren. Das gehört nun in den meisten Fällen der Vergangenheit an. Eine Ausnahme ist uns aufgefallen, zudem können an ein paar weiteren Stellen Vermischungen auftreten, wenn man Dialogzeilen abbricht.

Keiner spielt mir mir

In Ceville darf man neben dem kleinwüchsigen Despoten auch Begleiterin Lilly, Paladin Ambrosius und in einem kurzen Abschnitt einen vierten Charakter steuern. Es gibt Passagen, in denen die jeweiligen Charaktere unabhängig voneinander gelenkt werden können und solche, wo sie direkt miteinander kooperieren müssen. Bei letzteren bedienen sich die Spielfiguren meist aus einem gemeinsamen Inventar und der Spieler hat nur an bestimmten Stellen direkten Einfluss darauf, welcher Charakter zum Beispiel die Vorführung der Zwergenapparatur im Wald aus der Nähe betrachten soll. In der Regel wird vom Spiel vorgegeben, in wessen Gestalt welche Aktion dann letztlich ausgeführt wird. Immer wieder mal trennen sich dabei kurzzeitig die Wege der Figuren. So kann Lilly nur alleine in die Schaltzentrale der Zwerge gelangen, während Ceville in der Empfangshalle warten muss. Direkt zwischen beiden hin- und herwechseln kann man hier nicht, erst eine bestimmte Aktion gibt die Steuerung des anderen Charakters frei. So muss Lilly später die Sekretärin Kaffee bringen lassen, damit sich Ceville unter leichtem Zeitdruck hinter dem Tresen bedienen kann.

Sehr schön sind auch die Stellen, an denen Lilly und Ceville zeitgleich verschiedene direkt ineinandergreifende Handlungen durchführen müssen. So muss Ceville im Theater im richtigen Moment einen Hebel ziehen, während Lilly sich an einer anderen Apparatur betätigt. An solchen Stellen wird das Bild gesplittet, sodass man alle relevanten Punkte im Blick hat. Geschicklichkeit erfordern diese Aufgaben, wie es sich für ein Adventure gehört, natürlich kaum. Genauso wie die beliebig oft wiederholbaren Passagen unter minimalem Zeitdruck finden sich in Ceville keine für ein Adventure untypischen Inhalte.

Als leicht störend empfinden kann man ein oftmals gemeinsam genutztes Inventar. Es ist nicht wirklich logisch, wenn Gegenstände von beiden verwendet werden können, ohne dass diese zuvor gewechselt wurden. Das stellt einen spielerisch allerdings nie vor ein Problem.

Was ab und zu problematisch ist sind die nicht immer optimal platzierten Hotspots und schlecht sichtbare Objekte im Bild, wie etwa eine Wäscheklammer oder ein Brecheisen. Diese und andere Gegenstände sind mittels Objektanzeige natürlich schnell aufzufinden, die Sinnhaftigkeit, mehr oder weniger zum Drücken der Hotspottaste gezwungen zu sein, alleine um nicht nachher irgendwelche Objekte bzw. zugehörige anklickbare Flächen zu übersehen, bleibt dabei allerdings verborgen. Auch nicht so schön sind vereinzelte Rätsel, die nicht ganz nachvollziehbar sind und zum Ausprobieren zwingen.

Das ändert aber nichts am positiven Gesamtbild, denn die Rätsel sind überwiegend sehr logisch aufgebaut, sehr durchdacht ohne konstruiert zu wirken und meist sinnvoll gestaffelt. Streng linear verläuft Cevilles Abenteuer, das in fünf unterschiedlich lange Kapitel aufgeteilt ist, nicht. Einige Aktionen können in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden. Nur selten passiert es, dass Aktionen geblockt werden, die man eigentlich genauso gut auch vorher bereits abhandeln könnte. Im Regelfall ergibt das Scripting absolut Sinn und bleibt nachvollziehbar.

Auch schön in Verbindung mit der begrenzten spielerischen Freiheit ist, dass die Komplexität sehr unterschiedlich ausfällt. Manchmal befinden sich alle relevanten Objekte innerhalb eines Schauplatzes, manchmal sind bestimmte Inventarobjekte aus anderen Szenen notwendig, um an anderer Stelle weiterzukommen. In der Regel kann man die betreffenden Objekte nicht einfach so nehmen, sondern muss erst bestimmte Aufgaben erledigen, um darauf Zugriff zu erhalten.

Diese Herrschaften haben alle einen an der Klatsche.

Da fast immer mehrere Dinge zu erledigen sind, um das oberste Ziel zu erreichen und die wiederum an verschiedene Unterpunkte geknüpft sind, gibt es selten Leerlauf, auch wenn man in anderen Bereichen vielleicht gerade nicht weiterkommt. Richtig gut ist Ceville deshalb besonders bei komplexeren Aufgaben wie dem 'Showstars'-Wettbewerb, den Lilly gewinnen muss. Hier muss man erst einen Moderator, ein weiteres Jurymitglied und zwei zusätzliche Teilnehmer herbeischaffen, bevor es losgehen kann. Jede Komponente hat wieder einen separaten Lösungsstrang. Hat man alles erledigt, kann der Wettbewerb starten. Diesen kann man beliebig oft durchführen und hat so, wie bei mehreren anderen Rätseln auch, die Möglichkeit, sich Stück für Stück heranzutasten. Die Kommentare der Jury liefern hier immer hilfreiche Hinweise, die einen der Lösung näher bringen.

Wer nicht Pointen kann, der braucht nicht Klicken

Steuerungstechnisch hat Ceville ein paar Macken, die zwar keinen nennenswerten Einfluss auf den Spielspaß haben, aber dennoch nicht unerwähnt bleiben sollten. So funktioniert das Point-and-Click-System nicht immer richtig. Besonders bei der Elfe im Wald passiert es oft, dass Ceville und Lilly plötzlich ganz woanders hinlaufen, als sie eigentlich sollen, was teilweise auch mit den nicht immer geglückten Kamerapositionen zusammenhängt.

Am Steuerungsprinzip hat sich soweit nichts geändert. Rein vom Verständnis der Funktionen des Mauszeigers wird sich jeder Adventure-Spieler zurecht finden. Das Spiel lässt sich mit der linken Maustaste komplett durchspielen, per Rechtsklick kann man Objekte zusätzlich untersuchen.

Außerdem hat man eine Funktion eingebaut, die beim Überfahren der Hotspots mit einem Inventargegenstand farblich erkennbar macht, ob die jeweilige Kombination sinnvoll ist. Damit kann man sich Standard-Kommentare wie "Wieso denn bloß?" ersparen, weil man vermeintlich sinnlose Aktionen theoretisch gar nicht erst ausprobieren muss, und natürlich auch geringfügig Zeit sparen.

Fazit

Ceville ist ein sehr gutes Adventure geworden, das vor allem spielerisch und mit seiner hevorragenden Sprachausgabe überzeugen kann. Wem Humor und Stil liegen, sollte sich das Spiel keinesfalls entgehen lassen. Den erwartet das erste Adventure-Highlight des Jahres. Auch allen, die über manch kleinere technische Macke hinwegsehen können, sei das Spiel wärmstens empfohlen, ganz besonders jenen Spielern, die eine starke spielerische Komponente besonders zu schätzen wissen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Die optische Qualität von Ceville ist sicherlich nichts, mit dem man Jubelstürme entfachen kann. Der Stil ansich hat mir aber gut gefallen. Ich hatte durchgehend den Eindruck, dass hier Leute nicht einfach dran gearbeitet haben, sondern mit Spaß bei der Sache waren. Auch wenn ich gehofft hatte, dass sich gerade im optischen Bereich in den letzten Monaten noch etwas mehr tun würde.
Der Humor sollte für jeden etwas bereithalten. Er ist ein zentraler Bestandteil des Spiels, wird aber nicht übertrieben massiert eingesetzt und ist meistens alles andere als eine stupide Aneinanderreihung von flachen Witzen oder willkürlichen Anspielungen auf Spiele oder Filme.
Dass Ceville aber insgesamt so gut funktioniert liegt vor allem an der exzellenten Sprachausgabe und einem klasse Rätseldesign, das weder zu leicht noch zu schwer ist und einfach Spaß macht.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • exzellente Sprachausgabe
  • tolle Rätsel
  • sehr humorvoll
  • ordentliche Spielzeit (10 Stunden +)
  • gewöhnungsbedürftige Optik
  • teilweise schlecht platzierte Hotspots