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Interviews

Smudo
Gesprächspartner: Michael Stein
Sprache:
Vom: 28.11.2011
Adventure-Treff.de: „Hallo Smudo, schön dass Du Dir die Zeit nimmst, uns ein Interview zu geben. Viele kennen Dich ja als einen der Frontmänner der Fantastischen Vier, einige werden vielleicht auch wissen, dass Du im Rennsport aktiv bist. Den wenigsten bist Du aber sicherlich als Adventure-Entwickler bekannt. 1988 hast Du das Grafik-Adventure 'Price of Peril' geschrieben, das sogar als Wettbewerbsgewinner auf dem Disketten-Magazin Input 64 veröffentlicht wurde. Die wichtigste Frage zuerst: Warum ein Adventure und welche Spiele haben Dir als Vorlage für die technische Umsetzung gedient?“



Smudo: „Meine erste Adventurebegegnung war im Informatik-Raum unserer Schule, dem Gymnasium Gerlingen bei Stuttgart. Der Informatik-Unterricht war flammneu und ein Oberstufenfach; und für die Oberstufler gab es dann einen kleinen Raum mit u.a zwei Apple-II-Rechnern. Ich war zu der Zeit noch Teenager und hatte mir mit meinem Schulfreund Holger zusammen selber die Programmiersprache BASIC beigebracht und wir haben uns beim entsprechenden Lehrer bemüht, ebenfalls Zugang zum Informatikraum zu erhalten, was uns nach Vorlage einer Programmierhausaufgabe auch gewährt wurde. Holgers Bruder Kai war zu jenem Zeitpunkt Austauschschüler in den USA und schickte uns ständig Disketten mit Spielen. Dabei war unter anderem das Adventure Mystery House. Ich war sofort Feuer und Flamme für das Genre. Es war wie ein Buch lesen und ein Teil der Geschichte sein. Im Rahmen meiner Begeisterung begegneten mir noch andere Apple-II-Adventures: Infocoms Hitchhiker's Guide To The Galaxy, Murder on the Mississipi, Leisure Suit Larry und vor allem Spiderman, welches ich auf einem ZX Spectrum durchspielte. Es war vor allem der Marvel-Comic-Spin-Off, der mich technisch inspirierte. Die Parser zu jener Zeit verstanden nicht viel, lediglich zwei Worte (ausser bei Infocom). Aber der modulare Aufbau der Locations von Spiderman und der klare Zwei-Worte-Parser leuchteten mir derart ein, dass ich überzeugt war, selber so etwas programmieren zu können.“



Adventure-Treff.de: „Dein Spiel basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Robert Sheckley, der vor allem für seine düsteren Zukunftsvisionen bekannt ist. Wie bist Du darauf gekommen, ausgerechnet diese Vorlage zu wählen?“



Smudo: „Mein Vater ist Science-Fiction-Fan und hatte in seiner umfangreichen Büchersammlung unter anderem auch gesammelte Kurzgeschichten von Robert Sheckley, die ich mit Begeisterung gelesen hatte. Price Of Peril hatte ich als Geschichte gewählt, weil sie sehr linear zu spielen ist. Das geplante Adventure sollte erstmal ein Test werden. Ich wollte mit gleichzeitiger Text- und Grafikdarstellung arbeiten, eine Parser- und Location- und Item-Engine basteln und dazu eine einfache Geschichte. Wenn die Technik dann steht - so mein Plan - dann wollte ich etwas komplexes machen. Ein grundsätzliches Setting hatte ich schon. Ich wollte eine Geschichte eines Zauberlehrlings im Fantasysetting ersinnen, der ein Zauberbuch zusammensetzen muss und mit verschiedenen Zutaten, die natürlich alle errätselt werden müssen, Zaubersprüche ausführt um diverse Aufgaben zu bewältigen. Ich dachte, das bietet sehr viel Kombinationsmöglichkeiten für großen Rätselspaß. So weit kam es dann allerdings nicht.“Price of Peril

Adventure-Treff.de: „Price of Peril spielt im Jahr 2013, da sind wir ja schon fast. Was denkst Du, welche Voraussagen von Robert Sheckley sind tatsächlich eingetroffen?“



Smudo: „So viele Voraussagen sind ja gar nicht im Film drin. TV ist in den 50ern (Sheckleys Jahrzehnt) wie heute Entertainment. Mit Emotionen von Schicksalen wird und wurde Unterhaltung gemacht. Lediglich der gewalttätige Inhalt der Sendung und die verrohte Gesellschaft, die offensichtlich solche Verfolgungsshows sehen möchte, könnte man, wenn man wollte, in das Heute teilweise übertragen; aber ich halte das für übertrieben.“



Adventure-Treff.de: „Als ich Price of Peril das erste mal gestartet habe, ist mir aufgefallen, dass es gerade mal aus einer Datei besteht, die komplett geladen wird. Die Grafik ist aber für C64-Verhältnisse, verglichen mit anderen Spielen aus der Zeit, stellenweise ziemlich gut. Normalerweise braucht man dafür mindestens eine ganze Diskette, wobei permanent nachgeladen wird. Wie hast Du es geschafft, das ganze Spiel auf einmal in den Speicher zu pressen, da stehen doch eigentlich (wenn ich mich richtig erinnere), selbst wenn man die Basic-Kopie im RAM überschreibt, maximal um die 50 K zur Verfügung?“



Smudo: „Das war die eigentliche Herausforderung von Price of Peril: Es sollte alles in den Speicher gehen, damit eben nicht nachgeladen werden muss. Parserlogik, Location- und Item-Management hatte ich in Basic geschrieben. Für Texteingabe, Grafik-Textdarstellung und Textausgabe habe ich Assembler-Routinen programmiert. Um die Bilder darzustellen, wollte ich eigentlich die Technik vom Spectrum-Spiderman imitieren, ich war aber nicht in der Lage, die dafür nötigen Berechnungen in Ganzzahlen-8-Bit-Maschinensprachen-Arithmetik zu übersetzen. Ich musste die Polygonzeichnungen in BASIC machen, was für die Echtzeit-Bilderdarstellung viel zu langsam gewesen wäre. Also habe ich erstmal ein Malprogramm in BASIC geschrieben mit einem Flächenfüllalgorhythmus in Assembler und Kreis- und Linientools in Basic, um die zwölf Bildchen für das Spiel zu malen. Als ""Malfläche"" wählte ich einmal einen kompletten Zeichensatz aus 200 Zeichen, die ich in einem Viereck unterbrachte und wo ich hinter jedem Zeichen eine von acht Farben legen konnte. Man konnte mit dem Umwerten von zwei Bytes einen Zeiger im Betriebssystem ändern, der den 64er anweist, aus welcher Speicherecke er die Daten für die Darstellung des Zeichensatzes herholen soll. Mit einer tollkühnen Rasterzeileninterrupt-Routine schaltet man, wenn der Kathodenstrahl auf eine bestimmte Zeile auf dem Bildschirm trifft, diesen Zeiger vom 64er-Zeichensatz im ROM auf den selbstgedengelten für die Grafikbilder. So hatte ich oben im Bild die Grafik und unten den Text. Die Bilder wurden sehr großflächig gemalt und mit einer einfachen Komprimierungsroutine, die ich auch schreiben musste, gepackt. Dabei wurden einfach Zahlenfolgen gleicher Zahlen zusammengefasst. Trotzdem habe ich mit diesen kruden Methoden alle Bilder im Speicher unterbekommen und hatte noch Platz für BASIC-Programm und Routinen. In der BASIC-Kopie im RAM befindet sich übrigens das Input64-Betriebssystem. Es war deshalb unantastbar. Der 64er hatte also 40 K nutzbaren Speicher und nicht 64 K.“



Adventure-Treff.de: „Auf Deiner Webseite steht, dass jeder falsche Befehl verhängnisvoll sein kann. Das ist auch tatsächlich so, denn das Spiel hält die Spannung konsequent hoch und es gibt kaum Gelegenheiten zu verschnaufen. Hast Du Dir beim Erstellen und in Anbetracht des sperrigen Parsers mal Gedanken darüber gemacht, dass der Spieler das Spiel eventuell gar nicht zu Ende spielt, weil er vorher genervt aufgeben könnten?“



Smudo:Price of Peril war ja ursprünglich nur als Testspiel geplant, um die Tools für mein großes Zauberlehrlings-Adventure zu entwickeln. Der Fokus lag auf der Technik und weniger auf der Geschichte. Es ist wenig rätselig und sehr linear. Dass der Zeitdruck in dem Spiel dadurch spürbar ist, ist ein Euphemismus, den die Redaktion von Input64 in die Spielbeschreibung aufgenommen hat. Nachdem ich aber ein Jahr an dem Spiel rumgebastelt hatte und immer wieder festgestellt hatte, dass die Adventures, die sonst bei Input64 erscheinen, weder Speicherfunktion noch High-Resolution-Grafik hatten, habe ich aus Daffke mein Programm einfach mal eingeschickt, ungeachtet des klaren Spielbarkeitsmangels.“



Input64-Ausgabe mit Price of Peril



Adventure-Treff.de: „Wie war das seinerzeit mit der Input64? Es war ja ein Adventure-Wettbewerb, bei dem das Spiel gewonnen hat. Ich gehe davon aus, dass Du das Spiel nicht entwickelt hast, um am Wettbewerb teilzunehmen, sondern dass es schon vorher fertig war?“



Smudo: „Zum Zeitpunkt meiner Einsendung war kein Wettbewerb ausgerufen. Price of Peril wurde als normale Einsendung behandelt, wurde aber zur Veröffentlichung abgelehnt. Es sei zu brutal, so die kurze Erklärung. Ein paar Monate später rief Input64 einen Adventure-Contest aus. Die Einsendungen hatten aber weder Speicher- noch Grafik-Features. Keines war besser als meines, sagte mir dann auch der freundliche Heise-Verlagsmitarbeiter, der noch ein halbes Jahr zuvor höflich absagte, und so sei mein Adventure kurzerhand zum Sieger erklärt worden. Ich sollte die Stelle, wo der Held jemanden per Baseballschläger beraubt, friedlicher gestalten und fertig. Also findet man im Appartement einen Brief mit seltener Briefmarke statt einem Knüppel und tauscht den bei einem Sammler auf der Straße, um zu Geld fürs Taxi zu kommen.“



Adventure-Treff.de: „Die Version, die Du auf Deiner Seite zum Download anbietest, enthält das typische Logo einer Cracker-Gruppe, wie es seinerzeit in der Raubkopierer-Szene üblich war. Deshalb gehe ich davon aus, dass es Dir irgendwann verloren gegangen ist und Du nicht mehr im Besitz der ursprünglichen Version bist. Hast Du das selbst im Internet wieder gefunden?“



Smudo: „Ich war 2001 für ein paar Monate in den französischen Antillen und sitze bei 30 Grad in Unterhose vor dem Rechner, als mir ein Fan aus Deutschland eine unscheinbare Mail mit einer ZIP-Datei schickt. In ihr finde ich einen 64er Emulator und ein Image von der damaligen Input64-Ausgabe. Klick*Klick und in einem kleinen völlig unterforderten Taskfensterchen lacht mich mein altes Teenie-Adventure an. Mit Tränen der Rührung spielte ich dann meine eigene Programmierübung. Wundervolle Nerd-Romantik.

Der Download ist übrigens nicht von meiner Seite aus zu saugen, sondern auf einer Fanseite unter ""Extras/Price of Peril"" zu finden.“



Adventure-Treff.de: „Nachdem das Spiel fertig war, ging es ja praktisch schon mit der Musik in großen Schritten vorwärts. Wenn das seinerzeit nicht so flott gegangen wäre, hättest Du vielleicht weitere Adventures gemacht?“



Smudo: „Mir hat die Einzelkämpfernummer beim Spieldesign gefallen. Alles selber machen, selbst den Zeichensatz. Ich hätte sicher auch einen Platz in einem Team bestreiten können, aber in Deutschland gab es keine mir bekannte Infrastruktur. Die Mathematik im Informatikstudium hat mich abgeschreckt; auf der Suche nach etwas Praxisnahem stieß ich auf die Akademie für Datenverarbeitung in Böblingen, die einen praktischen BA-Abschluss in Informatik mit Wirtschaft anbot, um den ich mich bewarb. Dort wurde allerdings noch Cobol gelehrt und kein Wort von objektorientiertem C. Zum Glück kam der Banderfolg dazwischen und es ist gelaufen, wie es gelaufen ist.“Unser Redakteur Sebastian Grünwald mit<br><br>Smudo und Thomas D. von den Fantastischen Vier<br><br>auf der Games Convention 2008

Adventure-Treff.de: „Spielst Du heute noch Adventures? Wenn ja, welche und wenn nein, warum nicht?“



Smudo: „Ich bin ja schon lange RSS-Feed-Leser von Adventure-Treff, eben weil ich Adventures toll finde. Ich habe Telltales Sam'n'Max-Wiederbelebung gefeiert und finde deren Monkey-Island-Weiterführung auch sehr toll. Das beste Adventure der jüngeren Vergangenheit jedoch finde ich Machinarium und bin voller Vorfreude auf Amanita Designs kommendes Projekt.“



Adventure-Treff.de: „Kannst Du Dir vorstellen, irgendwann mal wieder ein Spiel zu machen? Und wenn ja, wäre das vielleicht sogar wieder ein Adventure?“



Smudo: „Spiele sind für mich nach wie vor eine großartige Kunstform. Ich kann mir aber nicht vorstellen, wieder eins zu machen. Ich bin völlig draußen, was das coden angeht und die Zeit ließe sich obendrein nicht aufbringen. Ich bin ein glücklicher Game-Aficionado geworden ;-)“



Adventure-Treff.de: „Smudo, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit allem, was Du so machst.“