Anzeige

Interviews

Remigiusz Michalski
Gesprächspartner: Ingmar Böke
Sprache:
Vom: 19.11.2011
Adventure-Treff: Hallo Remi und vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Bitte stelle Dich unseren Lesern kurz vor.



Remigiusz Michalski: Hallo, mein Name ist Remigiusz „Remi“ Michalski. Ich bin der Betreiber des Studios Harvester Games, welches – glaubt es, oder glaubt es nicht - in meinem Wohnzimmer beheimatet ist. Ich bin verantwortlich für alles mögliche… die Story, die Programmierung, die Grafiken, Animationen etc. Mein erstes Spiel, das psychologische Horror-Adventure Downfall wurde von Spielern und Kritikern gleichermaßen positiv aufgenommen. Momentan arbeite ich an The Cat Lady – ein Spiel, das jeden umhauen wird, ganz einfach aus dem Grund, dass es noch nie etwas Vergleichbares gegeben hat.







A-T: Lass uns den Tatsachen ins Auge sehen. Der Spielemarkt ist kein Ort für Experimente, außer jemand aus dem Untergrund kommt mit originellen Ideen daher. Wenn Du Spiele wie Phantasmagoria 2 oder Harvester beiseite lässt, haben wir bislang keinerlei Adventures mit Sex und Gewalt gesehen - oder lass es mich so sagen: Spiele für ein erwachsenes Publikum. Denkst Du, wir werden jemals sehen, dass Adventures erwachsen werden, oder werden es immer Außenseiter wie Du sein, die sich zutrauen zu zeigen, was sich andere nicht trauen?



Remigiusz: Als erstes muss ich klarmachen, dass Sex und Gewalt nicht zwangsläufig ein erwachsenes Spiel ergeben. Meistens ist sogar das Gegenteil der Fall! Tatsächlich dreht sich vieles in dieser Industrie um Sex und Gewalt, denn das ist es, was die Leute wollen und das ist etwas, was sich immer verkauft. Jeden Monat kommen neue Spiele raus mit muskulösen Typen und schönen Frauen mit monströsen Brüsten, die in winzige Bikinis gequetscht sind. Und nun zum Thema Gewalt: Hunderttausende von Gegnern laufen über unseren Bildschirm, keiner von ihnen hat irgendeine Form von Geschichte oder Emotionen oder einen wirklichen Grund zum Existieren. Diese Art von seelenlosen Figuren zu töten ist einfach, denn niemand hat ihnen je wirkliches Leben eingehaucht. Aber dieses Muster funktioniert schon seit ewigen Zeiten. Wenn es um Budgets von Millionen von Dollars geht, kann man den großen Entwicklern nicht mal einen Vorwurf machen. Ich würde wahrscheinlich dasselbe tun.







Im Adventure-Genre sieht die Situation hingegen anders aus. Hier geht es um Charaktere. Ein wichtiger Bestandteil eines guten Adventures sind die Menschen, die du triffst und mit denen Du redest. Diese Figuren sind das, woran Du Dich hinterher erinnerst. Nun, das Adventure-Genre ist traditionell dafür bekannt, alle Altersgruppen anzusprechen. Es gab Monkey Island und von diesem Zeitpunkt an wurde allgemein angenommen, dass Adventures immer eine leichte und humorvolle Story mit sich bringen müssten. Die witzigen Charaktere, jede Menge Scherze, ein Hühnchen und ein Papagei und ein mehr oder weniger furchteinflößender Bösewicht, den man am Ende besiegen muss – all diese Dinge werden noch heute erwartet.



Versteh mich nicht falsch, ich liebe The Secret of Monkey Island so wie jeder andere Adventure-Fan auch, aber ich bin mittlerweile 29. Ich habe das Spiel fünf mal gespielt und kein anderes humorvolles Spiel danach ist wieder an den Humor von Guybrush herangekommen. Also gehe ich einen anderen Weg und erschaffe etwas, was ich in meinem Alter als Spieler selbst gerne spielen würde – etwas für Menschen wie mich. Sicherlich bin ich nicht das einzige Überbleibsel aus der Zeit von The Secret of Monkey Island, der sich nostalgisch an diese Zeit zurück erinnert, aber feststellen muss, dass diese Art von Spiel nicht gut mit mir zusammen gealtert ist. Stattdessen sind diese Spiele immer noch genau so wie sie waren, als ich ein Teenager war.



Klar, es ist ein Risiko, aus diesem Muster auszubrechen und mein Publikum auf Spieler ab 18 zu limitieren. Aber ich hoffe, dass es mehr Spieler wie Dich und mich gibt, die sich nach wirklichen Spielen für Erwachsenen sehnen. Spiele, in denen der Handelnde zweimal überlegen muss, bevor er etwas tut, denn wie im wirklichen Leben muss er sich der Konsequenzen seiner Handlung bewusst sein.



Screenshot von Downfall



A-T: Nach meinem Empfinden kommt der Großteil der größeren Adventure-Produktionen reichlich leer und seelenlos daher, während ausschließlich Indie-Entwickler wie du, Agustin Cordes, Jonathan Boakes oder Dave Gilbert das Genre von einem kreativen Standpunkt aus am Leben erhalten und den Leuten eine emotional involvierende Erfahrung bieten. Wie siehst Du diesen Punkt und wie wohl fühlst Du Dich in diesem Zusammenhang in Deiner Haut als Indie?



Remigiusz: Vielleicht liegt es daran, dass diese Spiele versuchen, jeden anzusprechen? Ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall habe ich den Großteil der größeren Adventures der letzten Jahre gespielt und habe das Problem, dass ich sie meistens nicht durch spiele. Nein, warte… das ist eine Lüge. Ich spiele sie NIE zu Ende. Klar, sie haben tolle Grafiken, ein perfektes Interface, gute Synchronsprecher, aber ich verliere jedes mal nach einer Weile das Interesse und mache mit dem nächsten weiter. Das ging mir so bei Gray Matter, Black Mirror 3 und auch A New Beginning. Sie alle waren Hits mit hohen Budgets. Eigentlich hätten sie großartig sein sollen, aber irgendetwas funktioniert nicht bei diesen Spielen. Ich habe mich einfach nicht für die Figuren interessiert und hatte die ganze Zeit das Gefühl, die Endauflösung würde mich enttäuschen.



Ein großer Vorteil als Indie-Entwickler ist der, dass Dir niemand in die Story reinredet. Normalerweise ist es verdammt schwer ein Adventure zu schreiben, denn Dir wird immer irgendein Boss reinreden, der nur an den Profit denkt und ein möglichst großes Publikum ansprechen möchte. Vielleicht liegt darin also unser Vorteil: Wir können sagen und tun, was auch immer wir möchten. Dann kommt noch der Vorteil dazu, dass alles wie aus einem Guss ist, wenn ein Spiel von einer einzigen Person gemacht wird. Ich selbst habe nie die Erfahrung gemacht, wie es ist, Teil eines Teams zu sein und für ein großes Unternehmen zu arbeiten.

Dennoch denke ich, dass es benötigter Kompromiss ist, mit einem Team zu arbeiten, um die Spiele zu entwickeln, die mir qualitätsmäßig im Kopf herumspuken – Spiele, die nur sehr schwer als Ein-Mann-Projekt umsetzbar sind. Also denke ich, dass ich beim nächsten Mal mehrere Leute um mich herum versammeln werde. Der schwierige Teil ist der, dennoch seine Integrität zu wahren und gleichzeitig ein Spiel zu machen, das persönlich wie professionell ist.



Screenshot von Downfall



A-T: Offensichtlich fühlst Du Dich im Horror-Bereich sehr wohl und Du beschäftigst Dich viel mit den dunkleren Seiten des Lebens. Wie kam diese Beziehung zustande?



Remigiusz: Ich mochte schon immer Horror-Geschichten. Von dem Moment an, in dem ich Misery von Stephen King in die Hände bekam, war ich für den Rest meines Lebens geprägt. Damals war ich gerade 12 Jahre alt. Als ich dann älter wurde, habe ich durch meine Arbeit in Altersheimen und Krankenhäusern viele Dinge gesehen, die andere Menschen nicht sehen. Diese Erfahrungen haben mein Leben verändert! Für einen Möchtegern-Horror-Schriftsteller wie mich haben diese Erfahrungen sehr viel an Inspiration bedeutet. Ich erinnere mich gut daran, wie ich das erste Mal einen Mann mit einem Metallring um seinen Kopf gesehen habe, in dessen Kopf zig Stangen und Gewichte gesteckt haben, die an einer Art Flaschenzug gesteckt haben. Ich musste sofort an die Hellraiser-Filme denken!!! Es mag eine etablierte Methode sein, um Kopfverletzungen zu behandeln, aber für mich als Künstler war es eine abgefahrene Inspirationsquelle für visuelle Ideen.



Screenshot von Downfall



A-T: Das Bücherregal in Downfall beinhaltete einige sehr bekannte Horror-Romane. Welche Horror-Romane haben Dein eigenes Schreiben aus welchen Gründen beeinflusst?



Remigiusz: Das waren alles Bücher, die ich liebe und gelesen habe. Nicht unbedingt sehr bekannte Bücher oder Klassiker a la Dracula und Frankenstein. Vielleicht liegt es daran, dass mein Einfluss eher weniger den Wurzeln des Horrors wie Poe, Lovecraft, Stoker etc. entspringt. Ich bevorzuge modernen Horror. Misery habe ich bereits erwähnt, aber dann gibt es da beispielsweise auch noch Lisey’s Story vom selben Autor, was eines meiner Lieblingsbücher aller Zeiten ist. Gleichzeitig hatte dieses Buch großen Einfluss auf mein neues Spiel The Cat Lady. Letztlich stehen im Bücherregal in Downfall aber ganz verschiedene Sachen. Du wirst genau so etwas von Kurt Vonnegut oder Philip K. Dick finden, wie die Satanischen Verse von Salman Rushdie – was für ein fantastisches Buch!

Ich weiß nicht wirklich, was ich gedacht habe, als ich das Bücherregal in Downfall entworfen habe. Jedes Buch stellt einen eigenen Hotspot dar, ohne dass eines von ihnen Teil eines Rätsels wäre. Diese Bücher tragen nichts zur Story des Spiels bei, aber zu meiner Überraschung mochten viele Leute meinen Einfall. Es ist eines dieser Elemente, das eine Brücke zwischen Autor und Spieler baut, da es etwas persönliches und aufrichtiges ist.



Screenshot von Downfall



A-T: Wo wir gerade von Inspiration reden. Was sind Deiner Meinung nach die besten Horror-Filme aller Zeiten?



Remigiusz: Oh, es gibt sehr viele Filme, die mich inspirieren. Ich liebe Horror-Filme, besonders die, die in den 90ern oder später entstanden sind. Ich sehe diese Filme auch ein bisschen als Hausaufgaben an, denn wenn Du Dich als Autor in diesem Genre bewegst, musst Du schließlich wissen, was die anderen machen.



Momentan gibt es in Horror-Filmen den nervigen Trend, dass eine Gruppe von Teenagern die Hauptrolle spielt, von denen einer nach dem anderen abgeschlachtet wird. Fast ohne Ausnahme folgen diese Filme demselben Muster: Du hast den eher wissenschaftlich interessierten Typen, einen Schwarzen, eine heiße Blonde und ihren sportlichen Freund (der dann auch meistens blond ist) und zum Schluss ein nettes, hübsches Mädchen, das unpopulär in der Schule ist, da sie nicht im Cheerleader-Team ist.

Ich gebe mir Mühe, diese Art von Filmen zu ignorieren, denn auch wenn sie manchmal lustig sind, sind sie leicht vorherzusehen und voll mit Wiederholungen. Hinzukommt, dass diese Filme meistens sehr schlecht gemacht sind… Du siehst nie, was wirklich passiert: Ein Mord geschieht und der Mörder schwingt seine Waffe und alles was Du siehst, ist etwas Blut, das die Wand herunterläuft – da könntest Du Dir genauso gut einen Scooby-Doo-Film ansehen.



Screenshot von Downfall



Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen. Das Remake von Texas Chainsaw Massacre ist da ein gutes Beispiel, wie man aus einem simplen Setting etwas wirklich Spannendes herausholen kann. Außerdem bin ich ein großer Fan der Saw-Filme. Ich denke, viele Leute verstehen diese Filme nicht wirklich, aber für mich handeln sie von einem perfekten Verbrecher mit einem perfekten Motiv und einer perfekten Ausführung. Manchmal möchte man fast sagen, er hat Recht - einige Leute verdienen einfach eine Lektion… habe ich das wirklich gesagt? Vielleicht bin ich selbst verrückt…



Ich könnte Dir jetzt etliche Lieblingsfilme nennen, denn ich sehe mit meiner Frau wirklich viele Horror-Filme, aber das würde wohl den Rahmen sprengen. Ein paar Filme muss ich aber zumindest nennen: Let The Right One In, Devil, Dawn of the Dead, Insidious, Funny Games, A Nightmare On Elm Street, Rob Zombie’s Halloween, 28 Days Later, Final Destination. Ich könnte diese Liste jetzt noch ewig weiterführen.



Screenshot von Downfall



A-T: Downfall war ein Meisterwerk, wenn es um die Atmosphäre geht. Wie wichtig ist Dir dieser Begriff und versuchst Du zielgerichtet eine bestimmte Stimmung zu erzeugen oder ist das etwas, was einfach automatisch passiert?



Remigiusz: Atmosphäre ist der Schlüssel. Jeder sagt das und es stimmt. Du kannst ein wahnsinnig gut aussehendes Spiel haben – wenn die Atmosphäre nicht stimmt, wird es wie ein sinkendes Schiff untergehen und niemand wird sich an es erinnern. Um es richtig hinzubekommen, brauchst Du hingegen eine gewisse Form von Konsistenz – die Welt des Spiels muss sich real anfühlen. Natürlich gibt es mehrere Wege, es hinzubekommen, aber Du brauchst nicht unbedingt eine hohe Auflösung, detaillierte Texturen und eine immense Polygonanzahl dafür. Manchmal sind es die simplen Dinge, wie ein gut platzierter Soundeffekt, ein aufflackerndes Licht oder die richtige Textzeile im richtigen Moment, die für Stimmung sorgen können.



Offensichtlich ist mir Atmosphäre immer sehr wichtig gewesen und ich spiele meine Spiele hunderte von Malen, um zu sehen, was funktioniert und was nicht funktioniert. Manchmal bedeutet das, dass du Ideen aufgeben musst, in die du bereits viel Zeit investiert hast. Ich kann auch noch nicht mal erklären, wann es richtig ist, ich denke, es ist einfach ein Gefühl. Ich habe bisher nur zwei Spiele gemacht und ich kann nicht behaupten, ein Experte auf diesem Gebiet zu sein, aber in The Cat Lady habe ich mir sehr viel Mühe gemacht, so atmosphärisch wie möglich zu sein und ich hoffe, dass die Spieler es bemerken werden.



Screenshot von Downfall



A-T: Wie bist Du mit Adventures in Berührung gekommen und welche Spiele haben so einen großen Einfluss bei Dir hinterlassen, dass Du selbst welche machen wolltest?



Remigiusz: Wie bei den meisten anderen ging es bei mir mit The Secret of Monkey Island los - das war damals auf einem Amiga 500. Da ich damals erst acht oder neun Jahre alt war, hat mein Bruder das Spiel mit mir gespielt und mir jede Zeile Text übersetzt.

Wahrscheinlich hat er sich die Hälfte der Dinge ausgedacht, aber das spielte keine Rolle. Dieses Erlebnis war einfach pure Magie. Wahrscheinlich habe ich so auch Englisch gelernt.



Mein erstes Spiel habe ich als junger Teenager für mich und meinen Bruder gemacht. Im Grunde war es einfach eine Reihe von Screens mit einigen simplen Animationen,

Wahrscheinlich hat es sich eher wie ein Pen-und-Paper-Rollenspiel angefühlt, aber dabei ist nicht nur die Beziehung zu meinem Bruder gewachsen. In dieser Zeit entstand der Wunsch, ein perfektes Spiel zu machen, aber ich hätte mir genau so gut wünschen können, zum Mond zu reisen - es war einfach nicht möglich. Dann, als ich ungefähr 19 war, kam mein Bruder von der Uni zurück, gab mir eine CD und sagte: „Das ist das Adventure Game Studio. Willst Du es Dir mal anschauen? Das tat ich und es war der Beginn von etwas Wunderbarem.



Screenshot von The Cat Lady



A-T: Lass uns nun zu The Cat Lady kommen. Was für eine Art von Setting und Story erwarten uns dieses Mal?



Remigiusz: The Cat Lady ist sehr düster… und auf viele Arten ein sehr trauriges Spiel. Wahrscheinlich das traurigste Spiel, das jemals gemacht wurde.



Das Spiel erzählt die Geschichte von Susan, die einen erfolglosen Selbstmordversuch hinter sich hat und nun versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie wird sich zwischen Wahrheit und Lügen entscheiden müssen, ihre geistige Gesundheit beweisen, Leben

retten und sogar Morde begehen. Sie wird eine lange Selbsterfahrungsreise mitmachen und dabei in eine Parallelwelt vorstoßen und sich entscheiden müssen, ob es in ihrer eigenen Welt etwas gibt, wofür es wert zu leben ist.



Screenshot von The Cat Lady



Susan Ashworth, die Hauptfigur des Spiels kümmert sich um die Katzen der Nachbarn, die sich alle um sie herum versammeln, wenn sie das Klavier spielt. Sie gibt ihnen Futter und verbringt viel Zeit mit ihnen. Menschen mag sie nicht, da sie sie im Gegensatz zu den Katzen verletzen können. Es gibt einige Dinge, über die Susan niemals redet, denn wir haben nun mal alle unsere dunklen Geheimnisse, nicht wahr? Und die von Susan sind so düster wie sie nur sein können.



A-T: Auf welche Arten unterscheidet sich The Cat Lady von Downfall - zum Beispiel, wenn es um das Interface geht?



Remigiusz: Ich hatte von Beginn an vor, dieses mal einen anderen Weg zu gehen. Ich möchte nicht mal sagen, dass The Cat Lady komplett anders sein wird, aber nach Downfall brauchte ich eine Pause vom typischen Adventure-Point-and-Click-Interface. Ich habe meine Ideen für ein neues Interface aufgeschrieben und dann in der AGS-Community um Hilfe gebeten. Es hat nicht lange gedauert, bis mein alter Freund „Dualnames“ (Jim Spanos) mir zur Hilfe kam und mir innerhalb von wenigen Tagen das Interface so gestaltet hat, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Grundidee kam aus etwas heraus, was mir an Adventures aufgefallen ist. Du betrittst einen Raum und klickst auf alles, um eine Aktion durchzuführen, aber deine Spielfigur bleibst meistens an derselben Stelle stehen. Es gibt wenig Grund für den Protagonisten, sich zu bewegen, außer man verlässt den Raum. Aber selbst das ist durch die Doppelklick-Funktion eingeschränkt.



Screenshot von The Cat Lady



Also habe ich es in The Cat Lady so gemacht, dass man nur mit Dingen interagieren kann, die sich wirklich in der Nähe befinden. Dadurch, dass die Spielfigur wirklich überall hinlaufen muss, um mit Gegenständen zu interagieren, bekomme ich übrigens auch die Chance, in einzelnen Bereichen der Räume Trigger-Ereignisse auszulösen, die für ein Horror-Spiel einfach perfekt sind!



A-T: Deine Spiele sind sehr persönlich. Zumindest war Downfall unter der Oberfläche ein sehr persönliches Spiel, das deutlich mehr als nur Grausamkeiten zu bieten hatte. Inwiefern verfolgst Du diesen Weg auch in The Cat Lady?



Remigiusz: Mir ist erst ganz am Ende klar geworden, wie persönlich Downfall wirklich ist. Ich saß bei einem Freund und sah ihm dabei zu, wie er Downfall spielte. Es war eine bizarre Erfahrung, aber mir wurde plötzlich klar, dass ich völlig unbewusst ein Spiel über mich selbst gemacht hatte… nicht im wörtlichen Sinne natürlich: Keine Sorge, ich zersäge keine fetten Frauen mit einer Kettensäge und ich habe auch meine Frau nicht im Keller eingesperrt. Aber das ganze Setting war nur eine Illusion, die sich über die wirkliche Geschichte von Joe Davis gelegt hat. Unter der Oberfläche handelt das Spiel von einem von Liebe geblendeten Mann, der alles daran setzt, jemanden gegen seinen eigenen Willen zu retten - genauso, wie ich es auch einmal getan habe.



Screenshot von The Cat Lady



In The Cat Lady ist das übergeordnete Motiv die Depression. Es gibt viele Verständnisschwierigkeiten in der Gesellschaft, was diese Krankheit angeht und ich denke, viele Leute wissen nicht wirklich, was Depressionen eigentlich sind. Es ist nicht einfach ein trauriges Gefühl, das Du an einem schlechten Tag bekommst. Es ist eher wie eine düstere Wolke, die sich über dich legt und Dir das Gefühl gibt, allein und verloren zu sein und in einem Leben gefangen zu sein, was keinerlei Sinn oder Nutzen hat. Es ist wie Dein persönliches Silent Hill, Deine Elm Street, Dein Limbo. Hier und da siehst Du mal einen Lichtstreifen, aber wenn Du ihn verfolgst, wirst Du wieder auf den grausamen Boden der Tatsachen zurückgeholt. Depressionen sind furchtbar und ich habe sie für eine lange Zeit beobachtet! Jemand der mir sehr nahe steht hat Depressionen und ich weiß, wovon ich rede, wenn ich sage, dass Depressionen wirklich grausam sind!



Screenshot von The Cat Lady



A-T: Liegt es vielleicht an Deiner persönlichen Herangehensweise, dass Du Dich eher als wirklicher Autor sehen kannst, als viele andere Adventure-Schreiberlinge?



Remigiusz: Ich weiß es nicht, aber mich beschäftigt schon die Frage, warum so viele Spiele so dermaßen schlecht geschrieben sind, obwohl es im Bereich des interaktiven Storytellings enorm viel Raum für Kreativität gibt. Ich vermute mal, die meisten gehen einfach auf Nummer sicher. Massen-Appeal ist alles, aber ich habe mich nie um ihn gekümmert. Vielleicht liegt es daran, dass meine Spiele immer noch in meinem Wohnzimmer entstehen. Aber wenn es um The Cat Lady geht, habe ich wirklich so ziemlich jede Regel gebrochen, die es gibt. Es ist ein bißchen so wie bei Rockstar Games, die im Addon für GTA 4 The Lost And Damned einen Penis gezeigt haben. Nun, in The Cat Lady gibt es keinen Penis, aber die Leute werden sich erstaunt fragen: Kann man das wirklich in einem Computerspiel zeigen? Nun, wahrscheinlich nicht. Ich schätze mal, ich werde ganz schön in Probleme kommen mit Journalisten und politisch korrekten Publishern. Aber das 18er-Zertifikat gilt für dieses Spiel nun mal nicht ohne Grund. Ich mache keine Spiele für Kinder!



Screenshot von The Cat Lady



Weiterhin gibt es einen Tipp von Stephen King an alle Möchtegern-Autoren, der mir gerade in den Sinn kommt. Stephen King hat allen Autoren den Rat gegeben, über etwas zu schreiben, das sie kennen. Es ist reine Zeitverschwendung ein Buch über Cricket-Spieler oder Tiefseetauchen zu schreiben, wenn Du nichts über Cricket oder Tiefseetauchen weißt. Ob man diese Meinung teilt oder nicht, ich habe sie mir zu Herzen genommen. Auch wenn meine Spiele nicht rein autobiographisch sind, gibt es doch genug Persönliches und gleichzeitig mehrere fiktive Elemente, die das Ganze spannend machen. Was ich wirklich hoffe, ist, dass sich die Spiele aufrichtig anfühlen. Nun, wenn es eine Sache gibt, auf die ich wirklich stolz bin - bei allem Druck der Publisher -, dann darauf, dass ich immer ehrlich und aufrichtig geblieben bin. Das bedeutet gerade etwas in einer Industrie, in der wir einen unoriginellen Plastik-Klon nach dem nächsten sehen.



Screenshot von The Cat Lady



A-T: Wann können wir mit der Veröffentlichung von The Cat Lady rechnen.



Remigiusz: Wenn alles nach Plan läuft, dann Anfang 2012 - aber wann tut es das schon?



Screenshot von The Cat Lady



A-T: Deine Spiele haben einen einzigartigen visuellen Stil. Wie bist Du darauf gekommen?



Remigiusz: Ich experimentiere sehr viel. Bei Downfall war es so, dass ich zu der Zeit sehr gerne Bleistiftzeichnungen angefertigt habe. Aber mittlerweile habe ich darauf keine Lust mehr, so dass ich verschiedene Stile vereine: Fotografien, Render-Elemente, digitale Zeichnungen, Pixel-Elemente und dann auch noch eine seitlich scrollenden Kamera-Perspektive mit Parallax. Eine ganz schön bunte Mischung, ich weiß, aber ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat. Es funktioniert und das Spiel hat einen ganz eigenen Look. Ich habe das Spiel von Anfang an mit einem bestimmten Look im Hinterkopf entwickelt. Es ist so, dass Du niemals den Bereich unterhalb der Knie der Figuren siehst, also gibt es am Boden nichts, mit dem man interagieren könnte. Es gibt also gewisse Limitierungen, aber gleichzeitig auch großartige Chancen für originelle Rätsel, wie zum Beispiel Rätsel, die mit der Parallax-Technik in Zusammenhang stehen. Wichtig ist bei allem aber, dass der Fokus auf den Charakteren liegt, einer der wichtigsten Aspekte in einem guten Adventure.



Screenshot von The Cat Lady



Außerdem war es mir wichtig, dass der visuelle Stil des Spiels sich mit den übergeordneten Motiven verträgt. Es geht um Selbstmord und Depressionen, also bröckelt in jedem Raum Farbe von der Wand, die Möbel sind alt und zerfallen und der Boden von Dreck bedeckt.

Zwischendurch magst Du etwas Schönes sehen, aber das ist einfach nur eine Illusion, die Dich in die Irre führt. Die Welt von The Cat Lady ist ein alter und abstoßender Ort, wie das Vermächtnis eines früher mal glücklichen Lebens, das mittlerweile lange vergessen ist. Es gibt auch einige ganz schön extreme Räume im Spiel, ähnlich wie in Silent Hill oder Downfall, zum Beispiel einen Raum, der komplett aus menschlichen Schädeln besteht.



Screenshot von The Cat Lady



A-T: Wie sind seinerzeit die Reaktionen auf Downfall ausgefallen?



Remigiusz: Großartig! Manchmal hatte ich das Gefühl, die Leute sind nachsichtig mit mir, weil es mein erstes Spiel war. Aber wie auch immer… ich habe es geliebt, Feedback von den Fans des Spiels zu bekommen und die Kommentare online zu lesen. Einige der Mails, die ich bekommen habe, haben sehr detailliert die Erfahrungen beschrieben, die die Spieler mit Downfall gemacht haben. Besonders hat mich gefreut, dass jeder die Story etwas anders interpretiert hat. Jedenfalls hat mich die allgemeine Reaktion auf Downfall in der Ansicht bestärkt, dass es einen Markt für diese Art von Spiel gibt und dass es keinen Grund dafür gibt, warum sie sich nicht verkaufen sollten.



Screenshot von The Cat Lady



Reviews aus aller Welt zu lesen und Interviews zu geben, war eine völlig neue und aufregende Erfahrung für mich. Ich liebe es wirklich, Spiele zu machen, aber gleichzeitig gehe ich immer noch meinem täglichen Job nach und arbeite mit Menschen, die nicht mal verstehen, warum überhaupt jemand Spiele spielt. Umso mehr habe ich das Gefühl genossen, plötzlich selbst ein Teil dieser Industrie zu sein und an dem Leben zu schnuppern, das ich immer leben wollte. Das Feedback auf Downfall war mir also sehr wichtig. Besonders, da es mich in der Ansicht bestärkt hat, dass man alles erreichen kann, wenn man sich nur Mühe gibt und alles versucht!



A-T: Remi, vielen Dank für die Zeit, die Du Dir für uns genommen hast. Viel Erfolg mit The Cat Lady!



Remigiusz: Vielen Dank, dass Du mir die Chance gegeben hast, meine Ansichten mit Euch zu teilen!