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Interviews

Johannes Aikio
Gesprächspartner: Ingmar Böke
Sprache:
Vom: 08.10.2011

Über

Als Lead Designer arbeitet Johannes Aikio derzeit am Horror-Spiel Lucius, das Ende 2011 erscheinen soll.

Adventure-Treff: Hallo Johannes und vielen Dank, dass du dir etwas Zeit für uns nimmst. Bitte stell dich unseren Lesern kurz vor.

Johannes Aikio Mein Name ist Johannes Aikio. Ich bin der Lead Designer von Lucius.

A-T: Bitte rede über deinen Background als Adventure-Fan. Welche Spiele haben einen so bleibhaltigen Eindruck bei dir hinterlassen, dass du auf die Idee gekommen bist, selbst welche zu machen?

Johannes: In meinen frühen Jahren als Spieler gab es definitiv verschiedene Adventures, die einen so starken Einfluss hinterlassen haben, dass sie selbst unsere heutige Arbeit noch beeinflussen. Die Action von Tomb Raider, die merkwürdige Welt von Grim Fandango, die Comedy von Larry. Ich könnte wirklich immer mehr Spiele aufzählen, die zeigen, was für großartige Spiele es in diesem Genre gegeben hat. Was unseren eigenen Schritt Richtung Spieleentwicklung angeht, war es nicht wirklich geplant. Wir haben uns einfach dazu entschlossen, ein Spiel zu machen, das uns selbst Spaß machen würde und es stellte sich dann als Adventure heraus.



A-T: Da ihr ein Horror-Spiel macht, interessiert mich deine Meinung zu anderen Horror-Adventures. Welche Horror-Titel kommen dir in den Sinn, die dir wirklich Spaß gemacht haben?

Johannes: Das erste Resident Evil hat mich wirklich umgehauen, als es herauskam… die Hunde die urplötzlich durch das Fenster gesprungen kommen, die Zombies, die an deinem Bein zerren… sie haben wirklich einen großartigen Job in Sachen Atmosphäre gemacht bei diesem Spiel. Aus denselben Gründen hat mich auch Alone in the Dark sehr geprägt. Was aktuellere Spiele angeht, kommt mir Dead Space in den Sinn. Ein Spiel, das mir bei jedem Spielen Gänsehaut verursacht hat. Selbst wenn du jemand anderem beim Spielen zusiehst, ist es schon gruselig.



A-T: Wie genau wurde Shiver Games geboren und wie seid ihr auf das Konzept für euer erstes Spiel gekommen?

Johannes: Ich habe schon in einer anderen Firma mit dem Co-Gründer von Shiver Games, Heikki Pulkkinen zusammengearbeitet und wir haben uns bereits zu dieser Zeit die ersten Ideen zu Lucius als reines Hobby an den Kopf geworfen. Irgendwann schien es so, dass sich aus unseren Ideen tatsächlich ein richtiges Spiel entwickeln könnte, also beschlossen wir, eine eigene Firma zu gründen und uns Hilfe für das Projekt zu suchen. Ich kann mich allerdings nicht mehr an einen genauen Zeitpunkt erinnern, an dem das Konzept zu Lucius zum Leben erwachte, ich schätze, man könnte sagen, Lucius hat irgendwo darauf gewartet, von uns von der Leine gelassen zu werden.



A-T: Wo wir gerade von Lucius sprechen. Bitte beschreibe den Plot und verschaffe uns eine grundsätzliche Idee vom Spiel.

Johannes: Vor einer langen Zeit hat ein Mann einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen. Im Austausch für Wohlstand und Schutz versprach der Mann dem Teufel eine Seele zum Tausch. Nicht seine eigene, aber die eines Nachfahrens. Jahre später nahm sich Luzifer die versprochene Seele und ersetzte sie durch sein eigenes Blut. Das Kind war nun ein wahrhafter Nachfahre des dunklen Herrschers und würde irgendwann seine Rolle als Herrscher der Welt antreten.

Dein Job als Spieler ist es, sicherzustellen, dass das geschieht und dass dir dabei nichts in den Weg kommt. Das Spiel beginnt, nachdem der Junge gerade sechs Jahre alt geworden ist und das Böse beginnt, Besitz von ihm zu ergreifen. Das Böse in ihm befiehlt ihm, sich all der Mitbewohner des Anwesens zu entledigen, in dem er lebt. Allerdings auf eine diskrete Art, sodass niemand ahnt, was in dem Anwesen vor sich geht. Der Spieler wird sich quasi von den Seelen der Sünder ernähren und übernatürliche Kräfte erlagen, die ihm bei seiner Mission helfen. Mit der Kraft seines Verstandes wird Lucius Objekte manipulieren können, das Verhalten anderer Leute beeinflussen und letztlich sogar aus dem Nichts heraus Feuer entstehen lassen können.

Ihm im Nacken sitzen die Polizei und die Presse, die versuchen, herauszufinden, was in dem Anwesen eines einflussreichen Politikers vor sich geht. Sex, Lügen, Alkohol und Verbrechen sind Bestandteil des Puzzles, das das Dante Manor beherbergt… das Heim des Bösen in Person.



A-T: Bitte mache uns mit dem Gameplay vertraut. Wie genau können wir und die Mission von Lucius spielerisch vorstellen? Welche Aufgaben erwarten uns dementsprechend genau und wie äußern sich die übernatürlichen Kräfte von Lucius als Gameplay-Element?

Johannes: Lucius wird Unfälle inszenieren, indem er die Umwelt entsprechend manipuliert oder einfach seine übernatürlichen Kräfte benutzt, um Objekte auf verschiedene Arten zu beeinflussen. Dabei geht alles recht einfach los, mit klassischen Inventar-Rätseln, wie man sie aus anderen Adventures kennt. Lucius wird eines seiner Opfer in einem gigantischen Kühlschrank einsperren und muss sich hinterher darum kümmern, keine Spuren zurück zu lassen. Im Laufe des Spiels wird es allerdings komplizierter. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei der, dass Lucius keine Spuren hinterlassen darf.

Ein weiteres wichtiges Spielement ist der Stealth-Modus. Manchmal musst du nachts durch das Anwesen schleichen und dich vor den Leuten, die noch wach sind, verstecken. Bei anderen Begebenheiten wiederum musst du deine Mission am helllichten Tage erledigen, ohne dass jemand etwas mitbekommt. Wenn der Verstand einer Person schwach genug ist oder die Umstände stimmen, kann der Verstand dieser Person auf verschiedene Arten beeinflusst werden. Einige Leute kannst du als Tötungsmaschine instrumentalisieren und umso weiter du spielst, desto intensiver wird die Atmosphäre des Spiels und desto mehr kannst du mit deinen übersinnlichen Kräften anstellen. Das Ganze endet dann in… nun, lass mich heute nicht zuviel verraten. ;)



A-T: Die 3D-Technologie von Lucius macht bislang einen sehr guten Eindruck. Wie kam es zur Endscheidung pro 3D und auf welche Art macht sich 3D konkret im Rahmen des Gameplays bemerkbar?

Johannes: Mit einer 3D-Umgebung kannst du tonnenweise Dinge anstellen, die dir in 2D versagt bleiben. 3D ermöglicht es uns, ein wesentlich filmnäheres Gefühl durch die Kameraarbeit entstehen zu lassen und so erreichen wir einen ganz anderen Atmosphäre-Level durch die dynamische Beleuchtung und andere Effekte, die in einer statischen 2D-Umgebung nicht funktionieren würden. Wir tun wirklich alles dafür, das Spiel auf den grafischen Level zu bringen, den die Spieler von uns erwarten und wir verbessern immer noch viel in diesem Bereich. Außerdem würde es für die Action-Sequenzen des Spiels keinen Platz in einem 2D-Spiel geben.



A-T: Wie kam es dazu, dass ihr euch dazu entschlossen habt, Lucius exklusiv auf PCs zu veröffentlichen. Wenn man sich die 3D-Umgebungen ansieht, bekommt man das Gefühl, Lucius wäre ebenfalls gut für Konsolen wie die Xbox 360 oder die Playstation 3 geeignet.

Johannes: Nun, als erstes ist der PC-Markt immer noch der Hauptmarkt für Adventures. Sieh dir an, was klassische Adventure-Spieler von einem Spiel erwarten, nur wenige von ihnen spielen auch auf Konsolen. Außerdem haben PCs so viel mehr im technischen Bereich zu bieten. Ich will nicht ausschließen, dass Lucius auch irgendwann auf Konsolen erscheint, aber für den Moment konzentrieren wir uns darauf, die PC-Version fertig zu stellen. Eine Entscheidung in diese Richtung ist aber noch nicht endgültig getroffen.



A-T: Ist Lucius ein eher lineares oder nicht-lineares Spiel? Wenn es ein multi-lineares Spiel ist, lass uns bitte wissen, wie wir uns dieses Element in der Praxis vorstellen können.

Johannes: Lucius ist ein von der Story getriebenes Spiel. Auch wenn Lucius vom Teufel besessen ist, ist er letztlich ein sechsjähriger Junge, der keinerlei Erfahrung in den bösen Dingen hat, die er tun soll. Also braucht er den Teufel, um ihn zu leiten, ihn wissen zu lassen, wer der nächste auf der Liste ist etc. Es ist nicht so, dass Lucius eines Morgens aufwacht und ihm bewusst ist, dass er von nun an jeden um ihn herum töten soll. Der Teufel enthüllt ihm immer nur Stück für Stück kleine Details. Allerdings kannst du von Beginn eine Menge an Dingen erforschen. Auch Dinge, die erst später eine Rolle spielen, aber trotzdem gibt es eine gewisse Reihenfolge von Taten, die den Haupt-Plot vorantreiben.



A-T: Lucius hat in unserem Forum bereits eine große Kontroverse ausgelöst und wahrscheinlich auch an anderen Stellen des Internets. Einige Leute kritisieren euch dafür, etwas zu erschaffen, das keinen moralischen Wert hat oder Spieler zu zwingen, Dinge zu tun, die ihnen vielleicht unangenehm sind. Wie siehst du das Thema Kontroverse und was hast du diesen Leuten zu sagen?

Johannes: Nun, am Ende ist Lucius ein Spiel, das auf digitale Art eine Horror-Geschichte erzählt und euch als Spieler storybasierte Interaktion überlässt. Das Horror-Genre in Buch und Film, und ich meine keine Splatter-Filme, ist nun mal ein klassisches Genre. OK, ein Kind als den bösen Hauptcharakter zu haben, ist eine eher seltener gesehene Begebenheit im Horror-Genre, aber es ist auch nichts bahnbrechend Neues, wenn man zum Beispiel an das Omen denkt. Für uns geht es darum, euch die Chance zu bieten, quasi von der anderen Seite des Bildschirms einen Horror-Film zu erleben und euch einmal die Chance zu geben, auch mal einen bösen Charakter zu spielen, statt den ständigen Weltenretter. Darum geht es doch in Computerspielen, nicht wahr? Eure Fantasie zu beflügeln und euch Erfahrungen erlauben, die man nicht in einem Film erleben kann. Ich kann durchaus verstehen, dass das für ein paar Leute ein sensibles Thema ist, aber andererseits denke ich, dass sich auch nicht jeder bei dem Gedanken wohl fühlt, einen First-Person-Shooter zu spielen und auf Lebewesen zu schießen. Was wir versuchen, ist, möglichst viele Aspekte aus einem Horror-Film in ein Spiel zu verpacken und irgendwie schien es einfach eine interessante Idee zu sein, dem Spieler auch mal die Gelegenheit zu geben, böse zu sein.

Wir denken, dass viele Spieler das Spiel unabhängig von seinem Inhalt sehr unterhaltsam finden werden. Es ist aber natürlich ganz klar ein Spiel für Erwachsene!



A-T: Der Adventure-Markt ist ein Markt, der nicht dafür bekannt ist, Risiken zu lieben. Lace Mamba haben hingegen einen gewissen Mut bewiesen, ein derart kontroverses Spiel unter Vertrag zu nehmen. Wie siehst du es? Denkst du ein Spiel wie dieses ist ein Risiko, da der Adventure-Markt ohnehin schon so klein ist und manche Leute das Spiel mit der Kneifzange nicht anpacken werden oder ist dieses ganzes Gerede über Kontroverse und Risiken vielleicht übertrieben?

Johannes: Wir sind sehr dankbar, dass uns Lace Mamba diese Chance gibt. Letzten Endes sehen beide Parteien den Inhalt des Spiels nicht als Risiko. Das Spiel richtet sich an ein gewisses Publikum, genau wie ein Horrorfilm. Es ist doch so, dass es nicht in jedem Spiel Teddybären und Herzen geben kann. ;) In jedem Medium gibt es eine Nachfrage nach unterhaltsamen Dramen – ansonsten wären Stephen King oder Alfred Hitchcock nie so erfolgreich gewesen.



A-T: In den letzten Jahren haben wir eine andauernde Verschmelzung von Adventures und Casual Games gesehen. Die Erfahrungen der Entwickler gehen hier jedoch weit auseinander. Kürzliche Interviewpartner wie Sam Clarkson und Aaron Conners kommen beispielsweise zu sehr negativen Einschätzungen, was die Verschmelzung der beiden Medien angeht, nachdem ihre eigenen Spiele sich nicht gut verkauft haben. Wie siehst du diese Verschmelzung und inwiefern versucht auch Lucius, das Casual-Publikum für sich zu gewinnen?

Johannes: Nun, das ist eine interessante Frage. Wie ich schon vorher sagte, versuchen wir das Adventure-Genre um einige interessante Aspekte zu bereichern und nicht nur klassische Rätsel anzubieten. Letztlich denke ich, dass schwer ist, ein Genre klar zu definieren. Und egal, ob es ein Casual Game oder ein neues Ping-Pong-Spiel ist, wenn es gut gemacht ist, kann es jederzeit interessant sein und sich gut verkaufen.



A-T: Als ein Newcomer auf dem Adventuremarkt: Wie siehst du den Markt dieser Tage? Es scheint, als würde jedes Unternehmen – Telltale mal ausgeschlossen – hart ums Überleben kämpfen. Was erwartest du von diesem schwierigen Markt für Shiver Games?

Johannes: Es gibt immer noch einen großen Markt für Adventures wie wir alle wissen, mit sehr begeisterungsfähigen Spielern. Und es gibt einen Markt für innovative Adventures. Natürlich sind Adventures nicht so groß wie First-Person-Shooter, aber wir glauben daran, dass der Adventure-Markt das Potential hat, zu wachsen – solange es Innovationen gibt, die nicht um der Innovationen willen geschehen.



A-T: Welche Horror-Filme haben aus welchen Gründen den größten Einfluss auf Lucius hinterlassen?

Johannes Am größten ist sicher der Einfluss von das Omen, das eine ähnliche Geschichte erzählt, danach fallen mit dir dann noch The Shining, der Exorzist und Amityville ein. All diese alten Horror-Filme hatten eine besondere Atmosphäre an sich, die uns bei Shiver Games sehr liegt: Große, angsteinflößende Anwesen, religiöse Elemente, Kinder. Diese Elemente könner meiner Meinung nach wirklich gruselig sein, wenn sie ins rechte Licht gerückt werden.



A-T: Wo wir gerade bei Horror-Filmen sind. Welche Horror-Filme sind deine Lieblingsfilme?

Johannes: Hmm, das ist eine schwierige Frage, da es so viele großartige Filme gibt: The Shining, Psycho, Alien, Der Exorzist, Evil Dead, Saw…

Ich sehe diese Filme nicht unbedingt in erster Linie als Horror-Filme, sondern erst mal als großartige Filme, von denen jeder seine eigenen Besonderheiten hat, die ihn zu etwas Besonderem machen.



A-T: Gibt es etwas, was du uns über zukünftige Projekte von Shiver Games verraten kannst? Werdet ihr euch zum Beispiel auf Horror-Titel konzentrieren, oder ist halt nur euer erstes Spiel zufälligerweise ein Horror-Spiel?

Johannes: Wir werden wahrscheinlich einfach Spiele machen, ohne groß über das Genre nachzudenken. Wenn wir eine gute Idee für das Gameplay oder die Story haben, werden wir sie weiterentwickeln und uns erst dann Gedanken darüber machen, in welchem Genre wir uns bewegen.



A-T: Nochmal vielen Dank für die Zeit, die du dir genommen hast. Viel Glück mit Lucius und zukünftigen Projekten.

Johannes: Vielen herzlichen Dank für euer Interesse. Macht weiter so!