Entwickler: HintQuest Team
Als wir unser Auto auf den Parkplatz des Bürokomplexes lenken, ist es bereits dämmrig. Schilder mit dem verheißungsvollen Wort „HintQuest“ leiten uns dann durch das kühle Gewirr an Gängen und Zimmern in den äußersten Flügel des Gebäudes, wo uns zwei gut gelaunte Menschen in Empfang nehmen. Was folgen wird ist eine Art Live-Adventure – sozusagen ein Puzzle-Spiel in echt. Gleich werden wir in einen Raum gesperrt werden. Unsere Aufgabe: Ausbrechen! Das wird aber nur mit Köpfchen und Teamgeist funktionieren. Vorher händigt uns das Team von „HintQuest“ die Spielbedingungen aus, die wir unterschreiben müssen. Nach aufmerksamer Lektüre stellen wir fest: Keine Fallstricke. Meine Seele darf ich behalten! Allerdings ist es verboten über die Lösungen im Raum zu reden, deswegen werde ich mich im Folgendem nur sehr vage äußern.
Bevor wir den Raum betreten erläutert uns noch kurz eine Stimme die Regeln des Spiels - und dann geht es auch schon los! Mich begleiten zwei weitere Spieler sowie zwei Spiel-Entwickler. Außerdem hat einer davon intensivere Erfahrungen mit dem Adventure-Treff-Adventskalender-Rätsel gemacht. Das müsste doch zu schaffen sein! Zu fünft stehen wir also nun in einem eigentlich völlig gewöhnlich eingerichteten Zimmer – und schon fällt die Tür ins Schloß. Eingesperrt!
Mit einem Summen aktiviert sich plötzlich der Fernseher im Raum. Auf ihm erscheint ein Countdown. 1 Stunde. Piep. 59 Minuten und 59 Sekunden. Piep. Piep. „Auf geht’s Leute, die Zeit läuft!“.
Wir sind schlecht vorbereitet. Eigentlich wollte ich vorher eine klare Aufgabenverteilung festlegen. Vor Aufregung glatt vergessen! Also dann kurzfristige Lagebesprechung: Jeder untersucht ein Raumsegment. Wichtige Gegenstände werden auf Tisch und Fensterbrett in unser „Inventar“ gelegt. Das Hotspotting wird später unsere größte Schwachstelle werden, denn vor lauter Sucherei in den unmöglichsten Ecken übersehen wir zunächst einige der offensichtlichsten Objekte.
Bei der Suche stellt sich schnell heraus, dass vieles im Raum nicht ganz so gewöhnlich ist, wie es zunächst scheint. Einige Schränke sind verschlossen, in Zeitschriften finden sich merkwürdige Chiffren und bestimmte Hinweise sind scheinbar nicht mit dem bloßen Auge erkennbar. Dabei ist „HintQuest“ deutlich mehr als nur eine Schnitzeljagd. Wie bei einem Adventurespiel sind die Puzzles ineinander verschränkt. Hinweise oder Objekte, die schnell gefunden werden, sind möglicherweise erst ganz am Ende des Rätsels relevant. Man muss also immer alles im Blick haben, Gegenstände, die sich kombinieren lassen, müssen gefunden werden und natürlich gibt es auch rote Heringe, die uns immer wieder mal auf eine falsche Fährte locken.
Insbesondere ein nicht gefundener Gegenstand wird uns zum Verhängnis und so stecken wir - nachdem wir einige Rätsel erfolgreich gelöst haben - etwa ab Minute 25 fest. Vorher hat das Team von „HintQuest“ ganz schön Druck gemacht: „Ihr seid ja Spieler. Wir erwarten einen neuen Rekord.“ Der liegt bei knapp 45 Minuten. Verdammt – das sieht nicht gut aus. Wir rätseln mittlerweile schon um Permutationen herum und mir wird bewusst, dass wir irgendetwas Wichtiges übersehen haben müssen. Ein großer Gong ertönt. Minute 30 ist angelaufen! Ich schaue nochmal die Schränke durch, krabbele unter die Couch, gehe die Gegenstände noch einmal ab. Was fehlt uns?
Da klingelt es aus dem Fernseher! Wir drehen uns um und starren auf die Uhr, die unaufhörlich vor sich hintickt. Plötzlich erscheint das Bild eines Gegenstandes auf dem Monitor. Ein Hinweis! Sollen wir das Objekt vielleicht nochmal genauer untersuchen? Ich blicke noch einmal hin und da plötzlich sehe ich das, was uns seit Minuten schon gefehlt hat. Peinlicherweise haben wir dort schon gesucht und es scheinbar immer und immer wieder übersehen. Das Adrenalin schießt wieder. Noch 20 Minuten. Weiter geht’s!
Der Hinweis auf dem Fernseher ist ein allgemeines Tippsystem, das „HintQuest“ erfreulicherweise für praktisch alle Spielertypen spielbar macht. Da der Spielverlauf konstant überwacht wird, kann die Fachkraft vor der Türe dynamisch Tipps geben, wenn sie merkt, dass das Team derzeit stockt. Die Tipps werden als Einspieler auf den Fernseher in den Raum geschickt. So waren bislang rund die Hälfte aller Teams in der Lage, aus dem Raum zu fliehen. Wer es auf eigene Faust schaffen möchte, kann aber natürlich auch auf das Tippsystem verzichten.
Wir rätseln, basteln und suchen weiter. Am Ende liegen scheinbar alle wichtigen Objekte breit verstreut auf dem Boden. Wir beginnen erneut mit wilden Dechiffrierungen. Wir rechnen und kombinieren. Die Zeit tickt - doch die Kombination für ein großes, letztes Rätsel scheint uns ums Verrecken nicht zu gelingen. Es tönt auf dem Bildschirm: Nur noch 10 Minuten!
Da fällt es uns wie Schuppen von den Augen und wir fassen uns an den Kopf, wie wir so blind sein konnten. Kurz geprüft und ein paar Ziffernkombinationen später halten wir plötzlich triumphierend einen Schlüssel in der Hand. Ist es endlich der Schlüssel für die Ausgangstür? Auf dem Bildschirm laufen die letzten 7 Minuten. Wir stecken den Schlüssel ins Schloss. Drehen. Und... es ist offen!
Von draußen kommt uns Applaus entgegen! Wir haben den Raum besiegt! Nicht in Bestzeit und leider nicht ganz ohne Hilfe, aber immerhin: Wir sind entkommen! Alle lachen und freuen sich.
Es hat Spaß gemacht! Die Rätsel sind gut ausbalanciert – kein Typus überwiegt vollständig. Die Suche im Raum ist genauso relevant wie das Knobeln und Kombinieren. Tatsächlich fühlt sich „HintQuest“ ganz ähnlich an wie ein klassisches Adventure-Rätsel – auch wenn hier alles nur auf einen Raum beschränkt ist. Besonders schön: Die Macher betreiben den Raum auch selbst und so kommen wir direkt danach noch ins Gespräch über das Erlebte. So einen direkten Sofortkontakt liefert sonst kein Adventure.
„Ihr wart kombinatorisch super. Aber im Suchen echt schlecht“, lacht einer aus dem HintQuest-Team. Recht hat er. Ob sie die Rätsel auch mal ändern werden, frage ich. Ich hätte nämlich direkt Lust, gleich weiter zu machen. „In diesem Raum erst mal nicht – aber wir planen für November schon den nächsten. Insgesamt soll es drei Räume hier im Komplex geben.“ Das klingt gut. Wenn die nächsten Rätselräume eröffnen, bin ich sicherlich wieder mit dabei.
„HintQuest“ reiht sich perfekt in den Trend des Live-Adventurespiels ein, der vor einiger Zeit an Fahrt aufgenommen hat. Mit machinaEx gibt es mittlerweile bereits das interaktive Adventure-Theater – mit großem Erfolg. Und die Installation O.R.pheus hat letztes Jahr in München die Möglichkeiten im Bereich von Atmosphäre und Exploration ausgelotet. „HintQuest“ ist eine der ersten Einrichtungen in Deutschland, die sich nun ganz konkret dem Rätseln verschrieben haben. Schade ist eigentlich nur, dass sowohl O.R.pheus als auch „HintQuest“ bislang nur eine Dimension ausleuchten konnten. O.R.pheus war atmosphärisch ein Erlebnis der Extraklasse, bot aber noch kein didaktisches Gameplay mit Team- und Erfolgserlebnis. „HintQuest“ macht genau das richtig, ist bislang aber noch völlig frei von Narration und Story. Als ich das Thema anspreche meint ein Mitspieler: „Ja, das wär's! So was wie die Filmreihe ‚Saw‘ ohne den Splatter aber mit kniffligen atmosphärischen Rätseln. Hui, das wär toll!“.
Wer weiß: Alle Elemente dafür sind im HintQuest-System bereits da. Vielleicht wird irgendwann ja noch ein wenig mehr Wert auf Story gelegt. Ein gruseliger Gegenspieler, der mit mir über den Fernseher kommuniziert, überraschende Spielregeländerungen und eine atmosphärische Beleuchtung – ja, da ist mit Sicherheit noch Spielraum für viele spannende Effekte für noch mehr Adrenalin. Genau, wie O.R.pheus oder machinaEx kratzen wir hier sicherlich erst an der Oberfläche dessen, was „Live-Gameplay“ alles sein kann!
Egal! Denn Laune macht mir die Sache bereits jetzt. Es ist einfach etwas anderes, wirklich einen Schlüssel in ein Schloß zu stecken, festzustellen, dass er sich dreht und innen einen lange ersehnten Gegenstand zu erspähen, als das Ganze einfach nur mit zwei Klicks über die Bühne zu bringen. Freunde vom haptischen Erleben sei „HintQuest“ damit absolut ans Herz gelegt!
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