So ... ich lese auch schon ewig AT, bin ein riesiger Adventure-Fan, habe schon so manches Spiel gespielt und kann mit anderen Genres eher weniger anfangen. Bislang konnte ich mich hier auf die Einschätzungen auch immer verlassen und habe noch nie das Bedürfnis gehabt, aber jetzt hab ich mich extra mal angemeldet, um mich auch mal zu Wort zu melden.
Zunächst möchte ich mal einen Beitrag zu der News vom 07.04.2011 zum Test von John Yesterday zitieren. Geschrieben von JenniferM am 08.04.2012, 12.34 Uhr. Leider hab ich den Beitrag nur dort und nicht im Forum gefunden (wobei ich hier nicht alle Seiten abgesucht habe). Ich möchte den Beitrag aber auf keinen Fall den Forenlesern vorenthalten (hier auch noch der Link
http://www.adventure-treff.de/kommentar.php?newsid=5743 )
"Hi,
bin langjährige Leserin von AT und habe mich jetzt extra für diesen Kommentar mal angemeldet, um meine Meinung zu sagen. Leider kann ich mit dem Test so gar nichts anfangen und ich hoffe, ich werde dafür nicht negativ bewertet.
Das Spiel schlägt für mich generell einen sehr merkwürdigen Tonfall an. Im Vorspann erwähnt Pendulo, es sei den armen Obdachlosen gewidmet - nur, um dann in einer der ersten Szenen mehrere scheinbar geisteskranke Obdachlose zu zeigen, die mit Puppen sprechen und mit Waffen hantieren.
Ihr schreibt über die Story: "Dennoch verfügt das Spiel über einen unglaublichen Fluss, der kein einziges Mal unterbrochen wird."
Für mich ist genau das Gegenteil der Fall. Die Geschichte ist wahnsinnig schlecht erzählt und wird immer wieder ohne erkennbaren Grund unterbrochen, um etwas über den "Helden" zu etablieren, was gerade benötigt wird. Ich würde gerne konkreter werden, aber ich weiß nicht, wieviel ich hier über die Story verraten darf. Jedenfalls gibt es gerade in vermeintlich spannenden Momenten Rückblenden, die den Spieler so völlig aus der Situation heraus reißen und die Stimmung mit albernen Witzchen kaputt machen.
Richtig schlimm finde ich die Charaktere und Dialoge. Der "Held" ist ein Langweiler, der aussieht, als würde er jede Sekunde einschlafen und sich mit "Hallo, mein Name ist XY und ich bin Experte für Satanismus" vorstellt. Der seine Freundin in einer brenzligen Situation im Stich lässt. Und dessen erste Handlung gegenüber seinem Mentor es ist, dessen Blindheit auszunutzen, um bei einem Spiel zu betrügen.
Viele Figuren ergeben einfach keinen Sinn. Da gibt es zum Beispiel den französischen Concierge in einem Nobelhotel, der dem Helden immer wieder, ich glaube, minderjährige Mädchen andrehen will. Das hat für die Story keinen Belang (die ganze Figur ist im Grunde komplett irrelevant), aber wahrscheinlich empfand Pendulo das als "edgy". Auf mich wirkt es einfach bemüht und peinlich, sogar dem Bösewicht fehlt so etwas wie eine nachvollziehbare Motivation.
Zur Steuerung: "Sobald man sich an diese neue Form gewöhnt hat, steuert sich das Spiel sehr angenehm und flüssig. Entsprechend hat uns der neue Ansatz nach etwas Eingewöhnungszeit sehr gut gefallen."
Leider erwähnt ihr nicht, dass diese "neue Form" nicht den Geringsten Sinn hat. Wenn ich die Vergrößerungen selbst durchsuchen könnte, dann hätten sie eine Funktion, aber da es immer nur die Angucken- und Benutzen-Schaltknöpfe am Rand gibt, bringen die Vergrößerungen spielerisch rein gar nichts, sondern sind allein ein optisches Detail. Das fällt für mich unter verschenktes Potential.
"Keine Aufgabe erscheint als Lückenfüller oder Zeitschinder und jedes Rätsel hat einen direkten Bezug zum aktuellen Geschehen."
Auch das sehe ich nicht so, viele Rätsel ergeben gerade im Zusammenhang mit der Handlung nicht den geringsten Sinn. Will hier nicht alles verraten, aber das ganze Kapitel in Paris zum Beispiel fällt für mich unter diese Kategorie. Auch die Flashbacks wirken wie reine Lückenfüller.
Viele Rätsel wirken darüber hinaus (gerade in Zusammenhang mit der eher ernsten Tonalität der Geschichte) albern, das Spielzeugtelefon sei dafür als Beispiel genannt.
"Die Grafik bleibt den bisherigen Titeln aus dem Hause Pendulo treu, wurde aber für die düstere Umgebung angepasst."
Leider erwähnt ihr nicht, dass die Grafik wesentlich detailärmer ist und vor allem die Figuren wesentlich kantiger und von niedrigerer Qualität sind als in früheren Pendulo-Spielen. Sehr gut sieht man das an Fingern und Gesichtern:
http://www.adventure-treff.de/images/bi ... ts/y_6.jpg
http://www.adventure-treff.de/images/bi ... ts/y_7.jpg
Im Vergleich zu:
http://www.adventure-treff.de/images/bi ... ay3_13.jpg
http://www.adventure-treff.de/images/bi ... ay3_24.jpg
http://www.adventure-treff.de/images/bi ... ing_11.jpg
Manch anderes ist zweifellos eine Stil-Frage, der Detailgrad der Figuren aber definitiv nicht.
Natürlich kann man CrimsonCow nur zu der gelungenen PR- und Community-Arbeit garantieren, so einen Test als erstes zu bekommen, an dem sich die nächsten orientieren werden, ist clever. Aber ich fand das Spiel insgesamt wirklich schwach und kann den Test in keiner Weise nachvollziehen. Auf mich wirkt er sogar bemüht, jegliche Kritik zu unterdrücken. Sorry."
Bis gestern kannte ich diesen sehr erhellenden Beitrag von JenniferM nicht. Ich habe mich auf die Wertung von AT (und auch anderer Seiten) verlassen und voller Vorfreude John Yesterday gespielt. Als ich dann nach ca. 6 (!) Stunden fertig war (vielleicht waren es auch sieben, aber immer noch kaum besser als ein schlechter Witz), hab ich mich wirklich gefragt, ob es das gewesen sein kann und mich mal hingesetzt und Beiträge und Foren studiert. Hätte ich mal besser vorher gemacht.
Der oben zitierte Beitrag ist nämlich mit Abstand der beste und zutreffendste den ich gefunden habe. Ich sage Danke JenniferM und schließe mich voll an.
Wie kann man denn so einem Spiel 92% geben und es damit auf eine Stufe mit Grim Fandango und weit über andere, wesentlich bessere Spiele stellen???
Vielleicht sollte man Spiele mal von mehreren testen, damit keine einseitige Meinung rauskommt. Ich werde in Zukunft jedenfalls genauer schauen, wer da getestet hat! Wie viel Erfahrung hat denn der Tester und welche Spiele hat er gespielt, um einen Vergleichswert zu haben?? Ich behaupte mal da fehlen einige Genrehighlights (und auch einige Genrekröten), die ein Tester erstmal gespielt haben sollte, bevor er Testnoten jenseits von gut und böse vergibt.
Ich will nicht unfair sein. Es ist sicherlich nicht das schlechteste Spiel, das ich je gespielt habe, aber so weit weg vom besten, dass ich mich durch die Tests gelinde gesagt im Nachhinein ein bißchen veralbert fühle. Die Geschichte ist schlicht aus Baphomets Fluch abgeschaut und mit etwas Indiana Jones garniert, die Rätsel sind gelinde gesagt bestenfalls was für Anfänger. Das Ganze ist so konstruiert und so wenig flüssig, wie ich schon lange kein Spiel mehr gespielt habe. Es schaut zugegeben hübsch aus. Aber Animation ist was anderes. Animiert ist gerade mal die Einblendung von Comicfenstern. Das ist sicher recht originell (und gefällt auch mir), lenkt aber meist vom wenig animierten Rest ab. Sieht ein bißchen danach aus, als habe man schon im Hinblick auf eine Portierung auf ein anderes System entwickelt. Und die Story?? Hätte man sich vielleicht auch von Baphomets Fluch abschauen sollen. Da fehlt absolut der Tiefgang und die Zusammenhänge. Zum Schluß hab ich mehr Fragen gehabt als Antworten. Das kann sicher auch so gewollt sein. Gerade dann, wenn die Geschichte dicht genug erzählt ist. Aber für mich wirkt das eher wie erzwungene Mystery. Gepaart mit dem schwachen Tiefgang geht das jedenfalls gar nicht.
Wie gesagt, ich will nicht unfair sein. Das ist sicher ein wunderschönes Anfängerspiel. Die Hotspotanzeige ist tatsächlich die Gelungenste, die ich je in einem Adventure gesehen habe, da man sie nutzen kann ohne alles zu sehen, da sie nur kurz eingeblendet wird. Die Hilfe ersetzt allerdings schon fast die Komplettlösung und schießt bei den einfachen Rätseln deutlich über das Ziel hinaus. Aber für jemanden, der schon länger Adventures spielt, weil er an dem Genre hängt ist in der Gesamtschau sicher jede Bewertung über 75% schlicht und einfach Betrug am Leser.
Selbst wenn man an ein Spiel andere Maßstäbe anlegt wie noch vor 20 Jahren, fragt man sich bei dieser hohen Bewertung von 92% unwillkürlich trotzdem, was der Publisher so als Werbekunde an die Seite zahlt und ob AT (und auch andere Seiten) Angst davor hat einen Werbekunden zu verprellen? Das Spiel ist dermaßen hochgelobt, dass es sich jetzt vermutlich von alleine verkauft. Ich dagegen hab gestern als ich fertig war nur einen Gedanken gehabt: Ich will mein Geld zurück!!! Da ich das aber wohl kaum wieder kriege, denke ich, entgegen meinen Gewohnheiten werde ich das Spiel bei ebay verticken. Mache ich normal nicht, um die Entwickler zu unterstützen. Aber diesmal nicht. Mir tun sogar die paar Euro, die ich dabei Verlust mache, jetzt schon weh.
Wie auch immer. Das Spiel ist sicher Geschmackssache und ich kann auch nachvollziehen, dass es Spieler gibt, denen das Game sehr zusagt. Aber wenn dieses Spiel mit seinen Top-Bewertungen und insbesondere den 92% hier jetzt die neue Adventure-Referenz sein soll, dann sollte ich vielleicht auf meine alten Tage doch noch auf Ego-Shooter umsteigen ...
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Es ist erst fertig, wenn alles gut ist. Und wenn nicht alles gut ist, dann ist es auch noch nicht fertig.