Weltfremd hat geschrieben: ↑29.06.2022, 21:07
Du hattest bei Gamestar kommentiert, in etwa sowas wie dass nur Einige Wenige den Grafikstil und die Idee dahinter verstehen und dir täten jene Leid, die es nicht tun... Ich würde gerne auch verstehen, vielleicht kann ich dann auch mit anderem Blickwinkel auf die Sache schauen, auch wenn Geschmäcker nun mal verschieden sind. Erhelle uns bitte !
Würde ich die Arroganz an den Tag legen, die aus diesen Äußerungen zu klingen scheint, würde ich natürlich sagen: Ich kann dir den Grafikstil erklären, aber ich kann ihn nicht für dich verstehen.
Aber okay, spulen wir das Ganze noch einmal zurück und dröseln es neu auf. Es sei vorab gesagt, diese ganze Idee, dass Kunst nur einem aufgeklärten, weltoffenen, gebildeten Publikum zugänglich sei, kann mich mal kreuzweise. Und die Vorstellung, es gäbe eine Elite aus Kundigen, die die Welt versteht, während der neanderthalige Pöbel sich nicht die offensichtlichsten Zusammenhänge zusammenreimen kann, finde ich so widerlich, dass ich vermutlich kein Harry-Potter-Buch lesen könnte, ohne mich zu übergeben.
Ein Gedankengang, der mich seit dem venture-beat-Interview mit Rex Crowle fasziniert hat, war nicht die Idee einer "Elite" und mehr die eines Mitverschwörers, eines Bandenmitglieds, das zum Verständnis und zum Genuss dieses Stils seine eigene Erfahrung mit an den Festmahlstisch bringt. Du hast ja das Alte in Form der alten Locations und Charaktere voll mit drin, nur abstrakt verfremdet auf eine Weise, dass du dich auf deine nostalgische Erinnerung verlassen musst, um die Leerstellen zu füllen. Leerstellen, die für uns 1990 noch ganz normal waren – und die Dinge, die wir in monströs große, durch Röhrenbildschirme farbverzerrte Pixel damals hineininterpretiert haben, prägen ja unsere nostalgische Erinnerung noch immer ganz maßgeblich mit.
Das Rexperiment hier ist, dass der Fan die Verzerrung und die Abstraktion mit seinem nostalgischen Auge aus eigener Kraft zurechtbiegt und dir Interpretationsspielräume lässt. Das verlangt gerade der aktuellen Gamer-Generation sehr viel ab, vor allem da die Erwartung (auch von mir) natürlich war, einen leichtverdaulichen, massenkompatiblen Stil zu bekommen.
Inzwischen ist in mir der Schluss gereift, dass ein solcher Stil dem Abenteuer niemals genügt hätte. ReMI muss einer Legende gerecht werden, ReMI braucht einen assoziationsreichen Stil, der übergangslos von 10 auf 1000 gehen kann und einem blökenden Beleidigungsduell mit den heimischen Groggurglern ebensoviel epische Erzählkraft einhauchen kann wie der Infiltration eines monströsen, glühenden Geisterpiratenschiffs mit tausenden an Besatzungsmitgliedern. Das hätte dir The Secret of Monkey Island nicht geleistet, das hätte dir LeChuck's Revenge nicht gebracht, der Disney-Stil von CMI ebensowenig wie die ein wenig aus Not und Gelegenheit geborenen Grafik-Engines von Escape und den Tales.
Und obendrauf gibt dir der Grafikstil eben noch: Hervorragende Kontraste, die Farbpaletten von TSoMI und LCR, ausdrucksstärkere Mimik als in jedem Monkey Island vorher, dynamisches Laternenlicht, und noch einige Dinge mehr, die ich nicht in x Foren alle ausbreiten möchte (die animierten Ratten im Vordergrund der Webseiten-Szene, sage ich noch, waren mir allerdings eine besondere Freude).
Was ich sicher bei GameStar geschrieben habe ist, dass ich bestimmte Kritikpunkte ablehne, wenn sie falsch sind. Das bezieht sich insbesondere auf den "billig"-Vorwurf (es sei ein besonders kostengünstig zu produzierender Stil) und auf den "Flash"-Vorwurf (die gezeigten Bilder erinnerten an einen Animationsprozess eines Adobe-Programms). Da und nur da würde ich tatsächlich sagen, dass ich diese Ideenwelten mit mitleidigem Lächeln völlig links liegen lasse.
Eigenwillig finde ich zumindest Posts wie meinen Vorredner. Denn wenn dir an ReMI weder das Althergebrachte noch das Neue passt, dann darf man sich auf keine nostalgischen Abenteuer einlassen.
Ich habe in einem anderen Forum ein Bild von einem Post unter einem Ron-Blogeintrag gesehen, der wirklich unter aller Kanone war. Nein, auch "vom Internet" war das so nicht zu erwarten, und Rons Schlussstrich unter den Kommentarbereich war gerechtfertigt, auch damit sich die Fanbase von Monkey Island nicht noch weiter blamiert.