Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventures

Hier geht es einfach nur um Adventures!
Benutzeravatar
Ninas Ex
Tastatursteuerer
Tastatursteuerer
Beiträge: 595
Registriert: 26.11.2008, 20:24
Wohnort: Wien

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von Ninas Ex »

Allgemein sei bemerkt, dass ich nicht davon ausgegangen bin, dass Adventures eine Identifikation mit dem Hauptprotagonisten erfordern. Natürlich ist ein Spiel umso spannender, je facettenreicher und widersprüchlicher der Charakter gezeichnet wird. Aber wollt ihr mir jetzt erklären, dass euch Adventures so kalt lassen, dass ihr euch gar keine Gedanken macht und es euch nicht nahegeht, welche Entwicklung oder welchen Weg der Protagonist wählt? Man muss sich ja nicht zu 100% "identifizieren", aber ohne eine gewisse Grundsympathie und ein Interesse wird es wahrscheinlich nicht funktionieren. Wenn es mir eigentlich völlig egal ist, was der Protagonist anstellt, warum spiele ich dann das Spiel?

Und ich habe ein Problem damit, wenn in einem Spiel gewisse Grenzen überschritten werden. Erst recht dann, wenn diese Grenzüberschreitung im Spiel nicht einmal problematisiert wird und keine Möglichkeit der Verarbeitung angeboten wird. Der Protagonist handelt moralisch fragwürdig oder verwerflich und in der Regel wird der Spieler dann auch noch "belohnt", weil die Geschichte bruchlos zur Tagesordnung übergeht. Es findet keine Aufarbeitung statt und es dominiert sozusagen das pragmatische "der Zweck heiligt die Mittel". Am Ende des Tages gelangen wir dann zu dem schon erwähnten "Lucius", bei dem jedwede Grenze wegfällt und das Ermorden von Menschen systematisch und planmäßig betrieben wird. "Ist ja nur ein Spiel" lasse ich hier nicht gelten. Es geht schließlich nicht darum, dass man so am Ende gar kein Spiel mehr zocken könnte, wie Adven angemerkt hat, weil man in Spielen recht schnell Dinge tut, die man im echten Leben nicht tun würde.

Es geht eher darum, dass man das hinterfragen und reflektieren sollte. Und wenn in einem Spiel Platz für Reflexion bleibt, weil die Folgen einer Handlung thematisiert werden, dann finde ich es auch okay, wenn der Protagonist einmal etwas Unmoralisches tut. Es sollte jedenfalls aufgezeigt werden, im Sinne von: "gut, du hast dieses oder jenes getan, jetzt übernimm auch die Verantwortung dafür und setz dich damit auseinander". Und sei es nur ein subtiler, gerne auch humorvoller Kommentar des Protagonisten, der selbstkritisch die Folgen einer Handlung aufzeigt.

Und bezüglich Wahl oder nicht Wahl: Klar sind die Optionen in Adventures meistens begrenzt und es steht die Handlungsweise im Vordergrund, die die Geschichte vorsieht. Aber ich finde es halt nicht richtig, deshalb dazu genötigt zu werden, im Extremfall den Protagonisten ein Verbrechen begehen zu lassen. Gerade in solchen Situationen sollte meiner Meinung der Spieler zumindest entscheiden können und verschiedene Optionen haben.
enigma
Profi-Abenteurer
Profi-Abenteurer
Beiträge: 843
Registriert: 09.02.2012, 15:14

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von enigma »

Ninas Ex hat geschrieben:Allgemein sei bemerkt, dass ich nicht davon ausgegangen bin, dass Adventures eine Identifikation mit dem Hauptprotagonisten erfordern. Natürlich ist ein Spiel umso spannender, je facettenreicher und widersprüchlicher der Charakter gezeichnet wird. Aber wollt ihr mir jetzt erklären, dass euch Adventures so kalt lassen, dass ihr euch gar keine Gedanken macht und es euch nicht nahegeht, welche Entwicklung oder welchen Weg der Protagonist wählt?
Nein. Was ich sage ist, dass gerade weil es mich nicht kalt lässt, dies eine großartige Sache ist. Genau für solche Momente liebe ich Adventures. Stellen, an denen ich gezwungen werde etwas zu tun, weil so nun einmal die Geschichte geht, obwohl ich es eigentlich lieber nicht tun würde -- und dann infolgedessen darunter leide, mich damit beschäftige, mich darüber ärgere oder traurig bin: kurz, es eine Gefühlsreaktion in mir erzeugt, die ich so auch bei einem guten Buch oder Film hätte, außer dass ich hier, als Proxy für den Protagonisten, tatsächlich selber die Entscheidung treffen musste, was die Distanz verringert.

Gibt man an solchen Stellen dem Spieler eine Wahlfreiheit an die Hand, beraubt man mMn Adventures dieser (vielleicht ihrer größten) Stärke.

Und im folgenden merkst Du ja auch an, dass es auf die Möglichkeit der Reflexion ankommt, wodurch Deine Kritik -- wenn ich es richtig verstehe -- eher zu einer bezüglich der Umsetzung, und weniger zu einer Fundamentalen des Prinzips im Allgemeinen wird.
Where have you gone to, Dreamer?
realchris
Riesiger Roboteraffe
Riesiger Roboteraffe
Beiträge: 7616
Registriert: 29.08.2007, 19:13

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von realchris »

@ Nina das ist falsch. Würde sich jeder daran halten, wäre die Literaturwelt und auch Spielewelt ärmer.

Gerade die Figuren, die anecken und mehr dunkelgrau als weiß sind, sind besonders interessant. Du darfst Dich als Konsument auch über die Figur aufregen. Ob ein Medium gut oder schlecht gescripted ist, hängt nur davon ab, ob die Figur in ihrem amoralischen Verhalten interessant für Dich bleibt. Es muß am Ende keine moralische Läuterung geben. Auch der Böse kann in einer Geschichte gewinnen.

Ich nehme da als gutes Beispiel American Psycho. Dieser Klassiker der Popkultur strotzt an einigen Stellen nur so von abartigster Gewalt und Folter, nebenbei werden Videos zurük gerbracht oder über Mode, Schönheit und Musik gesprochen. Es wird bis auf eine Stelle, wo man das so interpretieren könnte, nicht einmal moralisch hinterfragt. Du erlebst das Ganze zu fast 100 % in der Ich-Perspektive, was eiun Kniff ist, Dich in die Figur zu versetzen. Nebenbei ist diese Satire voll von auf böse Weise lustigen Sprüchen und Bemerkungen, wodurch die Figur, welche völlig amoralisch ist, dennoch unterhaltsam bleibt, was ausreicht, um das Buch weiter zu lesen. Neben den ganzen Oberflächlichen, gibt es nur eine Figur, seine Sekretärin Jeane, die der Leser als menschliche Figur wahrnimmt, mit der er sich möglicherweise ganz identifizieren könnte.

Du erwartest immer eine Moral der Geschicht, und das ist mehr eine persönliche Vorliebe. Eigentlich gibt es überhaupt keine Regeln. Die Frage ist nur, ob Du kommerziell mit der Geschichte erfolgreich sein möchtest und da erwartet der klassische Zuschauer möglicherweise die Läuterung. Das ist aber der einzige Grund sich einem solchen Mainstream zu unterwerfen.

Dexter ist z.B. völlig amoralisch, da er keine Gefühle hat. Ohne Gefühle kann man nicht moralisch sein. Man kann sich, wie Kant sagt, zwar im Legalen bewegen, jedoch nie moralisch sein, wenn man nicht fühlen kann. Dennoch löst die Figur bei den Zuschauern Sympathie aus. Warum, weil er Prinzipien hat. Er tötet nur schuldige Mörder, die es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch wieder tun würden. Dafür hat er Methoden entwickelt, um Schuldige zweifelsfrei nach diesem Kodex zu überführen. Er macht das aber nicht, weil er ein moralisches Gefühl dafür entwickelt hat. Er macht das, weil er auf Morden steht und er von Harry beigebracht bekommen hat, dass das so die einzig gute Möglichkeit ist, diese Mordlust auszuleben.

Dexter ist ein Mörder und dennoch lieben ihn viele Zuschauer, weil er 1. Humor hat, den alle Menschen mit ihm teilen und 2. weil er Prinzipien hat. Es gibt also eine Minimalschnittmenge. Mehr braucht es nicht.

Bei Breaking Bad hast Du in Staffel 5 das Problem,
dass Walter keine Sympathiefläche mehr besitzt. Er ist nur noch unsympathisch. Ist aber nicht schlimm, da Jesse schon seit Staffel 2 trotz seines Lebenswandels diese Rolle übernommen hatte. Die Autoren haben in Staffel 5 das Problem damit gelöst, dass der Fokus von Walther als Hauptfigur, nun auf andere Figuren gelenkt wird. Jesse und Hank werden wohl für den Rest die Haupt-Identifikationsfigur werden.
Es ist im Mainstream überhaupt ein neues Phänomen, dass Sympathische aus dem Antihelden zu trennen, ja einen absoluten Antihelden zu erschaffen und die Sympathie in seine moralisch besseren Widersacher zu stecken. Jetzt, wo in Staffel 5 von BB
Gus nicht mehr den am Bösesten machen kann und WW der König ist, gibt es nichts mehr, wovon er sich positiv abheben kann. Also kippt die Figurenkonstellation um 180 Grad. Ere ist nun der Gegner, den es zu fassen gilt. War es vorher ein Thriller über WW Überleben, wird es nun ein Thriller über Jagd nach WW.
Bei einem Stirb Langsam hart Dich nie interessiert, was Huber für persönliche Motivationen hatte, um ein Bösewicht zu sein. Dadurch, dass WW jetzt eine Origin Story hat, die etabliert wurde, kann man ihn hassen und gleichzeitig lieben für die gute Geschichte, die wir mit ihm erlebt haben. Ich finde das sehr anregend.


Ein weiteres Beispiel ist die Nolaninterpretation des Jokers. Hier wird einfach nur das Böse gezeigt. Selbst die Originstorys sind nur Platzhalter und austauschbar. Es ist nicht wichtig, warum er böse ist. Es ist nur wichtig, dass er böse ist, wie eine Naturgewalt. Man kann ihn nicht mal berstrafen. Er steht sogar drauf. Er hat nichts geläutertes an sich.

Es gibt Zuschauer, die wollen immer heile Welt am Ende und es gibt Zuschauer, die wollen mal eben genau das Genteil sehen oder ihnen ist es egal, hauptsache gut erzählt.

Bei den Sopranos hat man sich der Antwort entzogen, und mit der Schwarzblende dem Zuschauer die Entscheidung überlassen. Bei Lost war man feige und hat dem Ganzen ein völlig hahnebüchenes Happy End übergestülpt. Bin mal gespannt, wie die beiden Enden von Dexter und Breaking Bad sich unterscheiden werden. Sind sie Mutig, ein Kompromiss oder wird alles wie bei Disney ganz langweilig zur Heilen Welt.
Benutzeravatar
Ninas Ex
Tastatursteuerer
Tastatursteuerer
Beiträge: 595
Registriert: 26.11.2008, 20:24
Wohnort: Wien

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von Ninas Ex »

Liebe enigma, also mir will es nicht einleuchten, warum es ausgerechnet notwendig sein soll, dass ich explizit unmoralisch handle, damit ich solche emotionalen Momente in Adventures erlebe, wie du sie beschreibst. Ich finde auch, dass jene Adventures die besten sind, bei denen man emotional auf die eine oder andere Weise bewegt wird. Aber warum muss es sich gerade um etwas Unethisches handeln? Ich meine, soll ich dir sagen, welche Adventures die meisten Emotionen bei mir ausgelöst haben? Das waren The Longest Journey und Syberia. Also solche Adventures, die eigentlich weitgehend ohne politische Unkorrektheit auskommen und auf anderen Ebenen gefühlsmäßig nahegehen.

Und wenn es schon unbedingt sein muss, dann sollen Adventures von mir aus halt ohne echte Wahlfreiheit bleiben und sich mehr von der Geschichte treiben lassen als von den Entscheidungen der Spieler. Vielleicht besteht darin wirklich eine Stärke des Adventures wie du sagst, aber ich finde eben, es gibt Grenzen. Es ist eine Sache, wenn ich mich über eine weitgehend vorgegebene Handlung in einem Adventure ärgere oder mir Gedanken darüber mache. Ich finde das zwar etwas unbefriedigend, aber ich kann damit leben. Womit ich aber eben nicht leben kann, ist es, virtuell anderen Schaden und Leid zuzufügen, egal ob jetzt von der Geschichte vorgegeben oder nicht.
Benutzeravatar
Vainamoinen
Adventure-Gott
Adventure-Gott
Beiträge: 3114
Registriert: 30.04.2006, 13:26

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von Vainamoinen »

Ninas Ex hat geschrieben:Aber wollt ihr mir jetzt erklären, dass euch Adventures so kalt lassen, dass ihr euch gar keine Gedanken macht und es euch nicht nahegeht, welche Entwicklung oder welchen Weg der Protagonist wählt?
Ich fasse die Frage nicht so auf, als ob du stets einen reinweißen Charakter spielen möchtest, sondern auch an gräulich-dunkelgrauen Protagonisten interessiert bist. Die Typen der Spielercharaktere schränkst du hier nicht ein. Allerdings stellst du Anforderungen an den Charakterbogen, an den Handlungsverlauf, die auf das Medium in der Tat stark einschränkend wirken.

Für die Moral, das hat chris richtig bemerkt, ist die Geschichte nicht zwangsweise zuständig. Gerade die großen Geschichten lassen den moralischen Zeigefinger oft beiseite und überlassen das Urteil dem Konsumenten. Wo der Protagonist am Ende ankommt, ob er der poetischen Gerechtigkeit folgend eine Strafe erhält, ob er geläutert wird, das sind eigentlich sekundäre Fragen. In den Geschichten der Unterhaltungsmedien ist dieser Läuterungs- oder Sühnemoment keineswegs immer gute Form. Allzu oft ist es nur eine billige Satisfaktion für den Zuschauer, der sich die entscheidenden Fragen (WAS hat die Figur getan, WARUM und mit welcher Schuld?) eigentlich gar nicht mehr stellen muss, da ihm das Urteil von Erzählerseite ja schon mitgeliefert wird.

Es ist natürlich ganz normal, wenn man diese traditionellen Motive von Schuld und Bestrafung in den modernen Erzählungen vermisst. Insbesondere aber ist dieses "Vermissen" meiner Ansicht nach ganz normal, wenn das Medium Computerspiel es wagt, diese Formen der Narrativik hinter sich zu lassen. Die 'Identifikation' spielt da mit rein, da man natürlich an der zum Teil 'gesteuerten' Figur ein Interesse hat:
Ninas Ex hat geschrieben:Man muss sich ja nicht zu 100% "identifizieren", aber ohne eine gewisse Grundsympathie und ein Interesse wird es wahrscheinlich nicht funktionieren. Wenn es mir eigentlich völlig egal ist, was der Protagonist anstellt, warum spiele ich dann das Spiel?
Interesse ja, Grundsympathie nicht zwangsweise (wobei die Sympathie für den Hauptcharakter in Adventures jedoch meist erzeugt werden soll).

Der inaktive Spielfilm [kein Tippfehler] Dreamfall zwängt uns u.A. in die Schuhe eines fanatisch religiösen, rassistisch bigotten Mörders, der mit sanftem Bedauern eben jene Rebellen dahinmetzelt, auf deren Seite wir mit zwei weiteren Protagonisten stehen. Jener Kian Alvane hat gerade unter den größten Fans des Spiels für einige Verwirrung gesorgt. "Unterentwickelt" wird er genannt, und "blass". Eine komplett indoktrinierte Figur kann schwerlich komplex sein, und aufgrund eines Cliffhangers können wir die Läuterung Kians nur erahnen, aber ich denke, dass das "Identifikations"-Prinzip in das Urteil der Fans definitiv mit reinspielt: So jemand "wollen wir nicht spielen/sein". Dabei ist das durchaus ein interessanter Charakter, ganz der Held seiner eigenen Geschichte, der für seine Grau- bis Schwarzwerte keinerlei Wahrnehmung besitzt.

In seine Fußstapfen schlüpfen wir, UM das Widersprüchliche seines Charakters zu erkennen, um zu erkennen, dass er falsch/moralisch fragwürdig handelt. Das könnte man als Selbstzweck interpretieren. "Egal" sind uns seine Handlungen auf gar keinen Fall. Gerade die Tatsache, dass er von sich überzeugt, ungehindert bzw. von seinen Landsleuten hoch geachtet handelt, regt die von dir geforderte Reflexion des Spielers an - nicht die sicher noch folgende Läuterung. (Man muss natürlich hinzufügen, dass Dreamfall das Handeln Kians durch die anderen Protagonisten umfassend kommentieren lässt - bis hin zu einem platt-unverholenen, monologischen moralischen Manifest, das Kian direkt ins Gesicht gepredigt wird).
Zuletzt geändert von Vainamoinen am 04.06.2013, 17:49, insgesamt 2-mal geändert.
Benutzeravatar
k0SH
Zombiepirat
Zombiepirat
Beiträge: 10954
Registriert: 09.09.2006, 12:03

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von k0SH »

Dexter ist ein Mörder und dennoch lieben ihn viele Zuschauer, weil er 1. Humor hat, den alle Menschen mit ihm teilen und 2. weil er Prinzipien hat.
Letzteres hat er zum Selbstschutz gebrochen.
Ich mag die Serie trotzdem noch.
.
Mitglied im "Verein zur kulturellen Förderung von Adventure- und storylastigen Computer- und Videospielen e.V." Und Du?
.
"But these days it seems like adventure games are almost a bit of a lost art form...exist in our dreams, in our memories and in ... Germany." Tim Schafer
.
Deutsche Adventure Games Gruppe (Facebook)
enigma
Profi-Abenteurer
Profi-Abenteurer
Beiträge: 843
Registriert: 09.02.2012, 15:14

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von enigma »

@Nina's Ex, nicht zwangsweise, aber ich sehe in der Tat keinen Grund, aus dem man einen solchen Punkt aus Adventures verbannen sollte. Sieh es so: Nachdem wir übereingekommen sind, Adventures mit Büchern oder Filmen zu vergleichen, gilt dein Argument genauso dort, und damit handelt es sich, wie chris und Vainamoinen sagen, um Einschränkungen bezüglich der Geschichte und ihres Verlaufes, was ganz einfach persönliche Vorliebe ist. Der eine mag Geschichten abseits des typischen Held gewinnt/Bösewicht wird bestraft-Verlaufs, der andere nicht.

Von dem nicht-mögen der alternativen Geschichte (sagen wir: ein Hitman, Adventure-Style) aber auf das Versagen des Adventures an sich, bzw. seiner zentralen Eigenschaften und narrativen Elemente zu schließen, finde ich nicht richtig. Es sollte einfach das bedeuten, was am naheliegendsten ist: dass Dir die Geschichte nicht gefällt. Das ist doch in Ordnung, mir gefällt auch nicht alles. Was Du aber forderst ist im Extremfall eine zweigleisige Geschichte, mit einem "guten" und einem "bösen" Pfad. Wenn letzterer der Kern oder Plot Point der Geschichte ist, führt das Einbauen von ersterem die Geschichte ad absurdum.

Im übrigen habe ich eine Abneigung gegen den Begriff "politisch unkorrekt", aber das ist eine andere Debatte.


Edit: Mir ist aber auch noch immer nicht ganz klar, warum man sich über "eine weitgehend vorgegebene Handlung in einem Adventure" ärgert (bezogen auf die Eigenschaft "weitgehend vorgegeben", nicht auf den Inhalt der Handlung). Ärgerst Du Dich auch darüber, dass Du den Verlauf eines Buchs oder Filmes nicht nach Deinen Wünschen ändern kannst?
Where have you gone to, Dreamer?
cat
Hobby-Archäologe
Hobby-Archäologe
Beiträge: 163
Registriert: 02.01.2013, 10:53

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von cat »

Bin ich eigentlich der einzige, der sich bei The Whispered World geärgert hat, nicht die andere Tür wählen zu können? Hier wurde man ja quasi zu moralischem Verhalten gezwungen.
Mir wäre das Ende wo Corona untergeht wesentlich lieber gewesen.
realchris
Riesiger Roboteraffe
Riesiger Roboteraffe
Beiträge: 7616
Registriert: 29.08.2007, 19:13

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von realchris »

Ich mag die Serie trotzdem noch.
was auch daran liegt, dass du den weg dorthin mitgemacht hast. darüber hinaus ist sein handeln nachzuvollziehen. dexter ist wie ein superheld und jeder superheld hat mal einen punkt in den comics, wo er seine regeln hinterfragt bzw. sie bricht. bei dexter hatte das schon am ende von staffel 4 folgen für ihn. aber wie ich den trailer von season 8 interpretiere, wird das ähnlich laufen wie bei breaking bad. ich denke, dass man immer mehr mit dieser ominösen
professorin und möglicherweise debra und kollegen gegen dexter mitfiebern wird
. die erinnert mich in ihrer rolle übrigens an martha stout. sicher kein zufall. sie wird sein nemesis.

anderseits war ich wegen der mindereren qualität der serie nach staffel 4 nicht mehr so glücklich. hoffe das ändert sich zum schluss nochmal.


vor langer zeit habe ich mal das adventure fables gespielt. ich meine der schluss passte überhaupt nicht zum spiel und die wendung war innerhalb der geschichte viel zu willkürlich. das war für mich ein schlechtes plot.
Benutzeravatar
Adven
Rätselmeister
Rätselmeister
Beiträge: 1641
Registriert: 01.06.2006, 00:28

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von Adven »

Ninas Ex hat geschrieben:Es geht eher darum, dass man das hinterfragen und reflektieren sollte. Und wenn in einem Spiel Platz für Reflexion bleibt, weil die Folgen einer Handlung thematisiert werden, dann finde ich es auch okay, wenn der Protagonist einmal etwas Unmoralisches tut.
Darüber reflektieren kannst Du jederzeit. Als Erwachsener braucht man sicherlich keine moralische Anleitung mehr durch ein Spiel, was okay ist und was nicht, dafür gibt es Kinderspiele, wo einem das beigebracht wird. Das klingt jetzt herablassender, als es gemeint ist, was mir leid tut, aber ich will jetzt nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Also wenn z.B. in einem Adventure einer umgebracht wird, dann versteh' ich auch so, dass das hart bzw. fragwürdig ist, das Spiel muss das nicht noch thematisieren à la "aber dann wurde ihm/ihr klar, dass das böse war und es tat ihm/ihr leid oder machte es wieder gut". (Vereinfacht ausgedrückt.)

Sicherlich kommt es hier auch wieder auf auf die Situation an und auf den Charakter - ist eine Tat unverhältnismäßig oder dem Kontext entsprechend mangelhaft motiviert, sollte das schon beleuchtet werden und es kann störend wirken, was aber nicht so sehr daran liegt, dass ich mich als Spieler zu politisch inkorrektem Verhalten genötigt fühlen würde, sondern dass ich es als erzählerische Schwäche empfinde.
Es sollte jedenfalls aufgezeigt werden, im Sinne von: "gut, du hast dieses oder jenes getan, jetzt übernimm auch die Verantwortung dafür
Muss im realen Leben denn immer jeder Verantwortung für sein Tun übernehmen? Oft genug kommen die Leute doch ungeschoren davon. Warum muss das in einer Geschichte dann immer auf Teufel komm' raus rein konstruiert werden? Nur um dem Gerechtigkeitsgefühl des Spielers zu entsprechen? Dann könnte man auch gleich verlangen, dass es immer ein Happy End geben muss.
und setz dich damit auseinander".
Wie gesagt, das kommt doch stark auf die gespielte Figur an bzw. auch auf die restliche Stimmung des Spiels. Tatsache ist ja nunmal, dass sich genügend Leute in dem, was sie so treiben, im Recht sehen - das kann auch auf Adventureprotagonisten zutreffen. Ich denke mal, ein Problem dürfte sein, dass einfach zu oft (?) der Protagonist lediglich als Projektion des Spielers in die Spielwelt charakterisiert wird. Die Moralvorstellungen und Ansichten entsprechen dem, was gerade populär ist, teilweise sogar in Spielen, die in Epochen angesiedelt sind, in denen die Menschen i.A. ganz anders dachten, nur um den billigsten Weg zur Sympathie zu gehen. Wenn man mal Ecken und Kanten einbaut, dann nur solche, die als cool (z.B. zynischer Einzelgänger) oder im schlimmsten Fall als schrullig bzw. harmlose oder gar liebenswerte Schwäche angesehen werden oder von denen man ausgeht, dass ein Großteil der Spieler ähnlich denkt - Held kann nichts mit moderner Kunst anfangen, Held findet das TV Programm scheiße, Held macht spöttische Bemerkungen über "typische" Frauen- bzw. Männereigenschaften.

Umso merkwürdiger kommt es einem dann vor, wenn man mal mit etwas konfrontiert wird, was einem so nicht in den Kram passt und dann verlangt man eine gewisse Rehabilitierung, indem der Protagonist eben eines besseren belehrt wird, Gewissensbisse hat oder sonstwas. In Wirklichkeit läuft das aber darauf hinaus, das wir mit immer den gleichen, wenigen Archetypen und Charakterentwicklungen abgespeist werden.

Noch einmal zur Unterscheidung - wenn die Spielfigur tatsächlich die ganze Zeit ein Gutmensch ist, ist es blöde, ihn plötzlich einfach so ein Verbrechen oder so begehen zu lassen, das ist schon klar; mir geht es darum, dass es aber eben auch Charaktere geben kann, für die so ein Verbrechen kein großes Ding ist.
Aber ich finde es halt nicht richtig, deshalb dazu genötigt zu werden, im Extremfall den Protagonisten ein Verbrechen begehen zu lassen. Gerade in solchen Situationen sollte meiner Meinung der Spieler zumindest entscheiden können und verschiedene Optionen haben.
Hier bleibt die Frage bestehen: warum? Warum sollte ein Adventure dazu "verpflichteter" sein als andere narrative Medien? Wobei ich mir hier auch gar nicht anmaßen will, Deine Ansichten oder Deinen Geschmack diesbezüglich in Frage zu stellen, wenn Dir das so lieber ist, ist das völlig in Ordnung. Ich denke nur nicht, dass man einen Anspruch darauf hat. Desweiteren wäre es eh geheuchelt, denn gerade, wenn man emotional involviert wird, was ja auch für Qualität spricht, ist es immer schwierig, eine objektive Distanz zu wahren - man fühlt und fiebert mit und plötzlich wird man irgendwie vor den Kopf gestoßen, das kann einen schon vom Geschehen entfremden. (Frage ist wiederum, ist das grundsätzlich verkehrt?)
realchris
Riesiger Roboteraffe
Riesiger Roboteraffe
Beiträge: 7616
Registriert: 29.08.2007, 19:13

Re: Nötigung zu politisch unkorrektem Verhalten in Adventure

Beitrag von realchris »

Ich möchte hier mal die Aussage einer Schlüsselfigur Chris Albrecht wenn nicht der Schlüsselfigur des neuen US Qualitätsfernsehens nennen, die all die tollen Dramaserien ermöglicht hat:

"HBO hat mich während der ganzen Zeit unglaublich toll unterstützt. Chris Albrecht sagte [...] Dinge zu mir, die ich [ ...] noch nie gehört hatte. Das erste war: 'Es ist mir egal, ob die Charaktere sympathisch sind, solange sie interessant sind.'" <--------- !!!! Genauso ist es.
Antworten