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  • Das Testament des Sherlock Holmes

Test

von  Hans Pieper
07.10.2012
Das Testament des Sherlock Holmes
Getestet auf
  • Windows
  • PlayStation 3
, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch

Ein grausamer Mörder zieht durch London. Ihm dicht auf den Fersen sind der berühmte Meisterdetektiv Sherlock Holmes und sein Assistent Watson. Doch warum verhält sich Holmes so merkwürdig, fast schon wie ein Krimineller? Als immer mehr Indizien darauf hindeuten, dass der Meisterdetektiv selbst Dreck am Stecken hat, findet sich sein Assistent Watson zwischen den Fronten wieder. Wem soll er vertrauen? Seinem langjährigen Freund oder der Polizei, die sich bei ihren Ermittlungen plötzlich auf Holmes konzentriert? Dann stellen zwei Schüsse die zuvor klar strukturierte Welt von Watson auf den Kopf...

Noch ist es ruhig in der Baker Street 221b, <br /><br />doch das bleibt nicht lange so

Gute Geschichte, akzeptable Sprecher

Die eindeutige Stärke des Spiels liegt in der Geschichte. Diese wird spannend und abwechslungsreich erzählt, wobei der Spieler stets im Unklaren über Holmes‘ eigentliche Motive gelassen wird, selbst wenn er ihn steuert. Der Spannungsbogen wird durch neue Entwicklungen sehr schön über die gesamte Spielzeit im zweistelligen Stundenbereich gehalten und auch der häufige Charakterwechsel fügt sich hierbei gut ein. Die Charaktere sind insgesamt glaubwürdig ausgearbeitet, vor allem Holmes' arrogante Art und Watsons Naivität lassen den Spieler schnell Partei ergreifen. Zahlreiche Anspielungen auf andere Fälle des Meisterdetektivs dürften vor allem Fans der Serie erfreuen. Die Entscheidung, den Verlauf der Geschichte mit drei Kindern zu umrahmen, welche auf einem Dachboden die Aufzeichnungen zu dem Fall finden, war ein wenig unglücklich. Zwar ist dieses Stilmittel am Ende des Spiels ganz nett, unterbricht jedoch mehrmals den Spielfluss. Außerdem wirken die Szenen mit den Kindern aufgesetzt und vermitteln gleich zu Beginn des Spiels einen schlechten Eindruck vom Spiel. Dass die Kinderstimmen sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Synchronisation grauenhaft klingen, macht dies auch nicht viel besser. Die restlichen deutschen Sprecher sind weder besonders gut, noch besonders schlecht. Ähnlich wie die Rätsel haben die Interpretationen der Sprecher sehr gute, aber auch sehr dürftige Momente. Insgesamt ist die Vertonung akzeptabel und stört nur selten mit falschen Betonungen oder mangelhafter Schauspielleistung. Die restliche Geräuschkulisse ist vielseitig und gut umgesetzt. Beim Soundtrack wurde ganze Arbeit geleistet: Die Hintergrundmusik passt perfekt zu den Schauplätzen und zum historischen Zusammenhang, bleibt angenehm im Hintergrund und unterstreicht dramatische Momente passend. Insgesamt kann man die Vertonung, von einigen Ausrutschern einmal abgesehen, als gelungen bezeichnen.

Hat der berühmte Meisterdetektiv Sherlock Holmes<br /><br />etwas zu verbergen? Auch der Spieler wird bei dieser<br /><br />Frage lange im Unklaren gelassen

Alles eine Frage der Perspektive

Das Testament des Sherlock Holmes bietet dem Spieler ganze drei Möglichkeiten, sich durch das Abenteuer zu bewegen: Mit fixierter Kamera in der klassischen Point-and-Click-Ansicht, mit einer Kamera über der Schulter im Stil eines Rollenspiel-Titels mit freier Bewegung und als Adventure aus der Ego-Perspektive, ebenfalls mit frei begehbarer Umgebung. Zwischen den Perspektiven kann jederzeit durch das Drücken der „R“-Taste oder der mittleren Maustaste gewechselt werden. Das Spiel wird also mit der Maus und eventuell zusätzlich mit der altbekannten WASD-Kombination gesteuert. Bis auf sehr wenige Ausnahmen ist die Steuerung sehr gelungen umgesetzt und bietet den Luxus der freien Wahl des Spielerlebnisses. Fans der Ego-Perspektive werden genauso bedient wie Liebhaber der klassischen Variante, auch wenn natürlich mancherorts deutlich wird, dass die Umgebung eigentlich auf freie Bewegung ausgelegt wurde. Ein Inventar wurdegibt es natürlich auch. An sehr wenigen Stellen im Spiel müssen darin Gegenstände miteinander kombiniert werden. Das funktioniert sehr einfach per Ziehen und Fallenlassen. Neben den eingesammelten Objekten beinhaltet das Inventar auch die Dialog-Historie, eingesammelte Dokumente, sowie weitere Spielelemente. Insgesamt gibt es drei spielbare Charaktere, die meistens automatisch, an einigen Stellen aber auch manuell über das Inventar-Menü gewechselt werden können.

Ego-Perspektive, Schulterblick oder klassische Darstellung:<br /><br />Der Spieler hat die freie Wahl der Perspektive

Augen auf

Die PC-Grafik des Spiels ist sehr sehenswert. Unzählige Animationen beleben die Szenen, die Texturen sind detailreich gestaltet. Blickt man in der Bakerstreet aus dem Fenster, sieht man Menschen in den Straßen. Ein absolutes Highlight ist der Spielabschnitt in Whitechapel, bei dem zahlreiche Bewohner ihren alltäglichen Aktivitäten nachgehen und Sherlock im Vorbeigehen aufmerksam betrachten. Hier haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet. Auch an Zwischensequenzen wurde nicht gespart: Längere Dialoge werden mit cinematischen Kamerafahrten untermalt, die nicht nur gut aussehen, sondern auch die Filmsequenzen kurzweilig gestalten. Zusätzlich gibt es für nahezu jede Aktion eine eigene Animation, nur sehr selten wurde mit Schwarzblenden gearbeitet. Damit transportiert die grafische Präsentation das Spiel sehr gelungen und macht in jedem der vielen Schauplätze Lust auf Erkundungen.

Der grafische und technische Höhepunkt des Spiels:<br /><br />Das Armenviertel White Chapel

Die Logik springt im Dreieck

Während die Geschichte zu Das Testament des Sherlock Holmes eigentlich die eindeutige Stärke des Spiels ist, rumpelt sie doch einige Male über Logik-Lücken. Einerseits handelt es sich dabei um Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass Watson plötzlich mit Gegenständen von Holmes durch die Gegend läuft. Andererseits entwickeln manche Spielszenen einen sehr heftigen Konflikt mit der Realität. Das krasseste Beispiel kann in diesem Test nicht angesprochen werden, da es einen heftigen Spoiler beinhaltet, doch auch andere Fehler stören teilweise das Spielerlebnis. Die Ungereimtheiten ziehen sich dabei sowohl durch die eigentliche Geschichte, als auch durch die zahlreichen Minispiele und Rätsel. Die gröbsten Fehler mildern den Spielspaß ein wenig. Das ist besonders dann der Fall, wenn dadurch ein Minispiel gerechtfertigt werden soll. Da die Geschichte aber insgesamt gesehen recht logisch und vor allem gut aufgebaut ist, sind die Fehler letztlich zu verschmerzen.

Nicht alles im Spielverlauf lässt sich rational erklären - <br /><br />obwohl das eigentlich möglich sein sollte

Zwiespältiges Rätseldesign

Kommen wir zur größten Schwachstelle des Spiels: Die Rätsel. Diese bestehen leider zu einem Großteil aus wirklich nervigen Minispielen, die man so oder so ähnlich schon dutzende Male gesehen hat und die sich auch nicht wirklich passend in die Geschichte einfügen. Streckenweise drängt sich einem das Gefühl auf, einen Professor-Layton-Titel in der Hand zu halten. Muss denn wirklich zum x-ten Mal der Rösselsprung gelöst werden? Wie soll bitte ein Schloss mit Farbkugeln gesichert sein und warum muss der Spieler diese Kugeln endlos umherschieben? Glücklicherweise sind fast alle dieser Minispiele nach einer bestimmten Zeit überspringbar, nervig sind sie trotzdem. Im starken Gegensatz dazu stehen sehr gut durchdachte Inventar- und Kombinationsrätsel, sowie nette Logikaufgaben und die erfrischenden Deduktions-Aufgaben. Insgesamt drei Mal müssen Hinweise im sogenannten Deduktions-Menü miteinander verbunden werden, um die Ereignisse an bestimmten Orten zu rekonstruieren. Diese Detektivarbeit ist hervorragend umgesetzt und krankt nur ein wenig daran, dass die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten sich teilweise sehr ähnlich sind. Nur sehr selten müssen Gegenstände im Inventar kombiniert werden, sodass man dies im entscheidenden Moment auch gerne einmal vergisst und hängen bleibt. Ansonsten bewegt sich der Schwierigkeitsgrad des Spiels auf einem recht niedrigen Niveau, eingesammelte Gegenstände müssen meist in direkter Umgebung angewendet werden und verschwinden dann wieder. Dennoch sind die Aufgaben insgesamt unterhaltsam und der niedrige Schwierigkeitsgrad sorgt für einen guten Spielfluss.

Die Rätsel-Bilanz fällt also sehr durchwachsen aus: Dämliche Minispiele, die häufig recht außerhalb der Geschichte stehen und die nur durch reines Ausprobieren oder Nachschauen in der Lösung zu knacken sind, wechseln sich mit durchdachten Aufgaben ab. Leider sind die Minispiele zumindest gefühlt in der Überzahl, sodass der Überspringen-Knopf schnell zum besten Freund wird – wenn er denn endlich auftaucht.

Die teilweise recht einfallslosen und schlecht in die Geschichte<br /><br />integrierten Minispiele zerren an den Nerven. Glücklicherweise<br /><br />können die meisten nach einer Weile überprungen werden

Drastische Bilder

Auch wenn die unglücklich gewählte Rahmenhandlung mit den Kindern auf dem Dachboden etwas anderes suggeriert: In Kinderhände gehört dieses Spiel auf gar keinen Fall. Mehrere Szenen zeigen drastische Gewalt und deren Folgen aus nächster Nähe und auch die Aufgabe, eine Leiche zu obduzieren, dürfte bei einigen ein ungutes Rumoren im Magen verursachen. Kopfschüsse, Gedärme, spritzendes Blut und bis auf die Knochen abgenagte Haut stellen die Übelkeits- und Gewalttoleranz der Spieler auf die Probe. Vielleicht wollte Frogwares ganz zweifelsfrei klarstellen, dass es sich hier um einen Titel für Erwachsene handelt. Letztlich sind solche Szenen Geschmackssache, und da der Spieler selbst nie Gewalt ausübt, geht die Einstufung ab 16 Jahren wohl auch in Ordnung. Für die Geschichte wäre so viel bildliche Darstellungen aber eigentlich nicht notwendig gewesen.

Dieses Mordopfer wurde übel zugerichtet.<br /><br />Dennoch gehört der Anblick noch zu den harmloseren Szenen

Fazit

Das Testament des Sherlock Holmes abschließend zu bewerten, fällt nicht leicht. Grafisch gesehen bietet das Spiel ein tolles Erlebnis mit zahlreichen, lebendig wirkenden Schauplätzen. Die Geschichte ist sehr gut geschrieben und spannend erzählt, rumpelt aber über größere Logiklücken. Die Rätsel sind teilweise gelungen, teilweise sehr nervig und haben nicht wirklich mit der eigentlichen Geschichte zu tun. Die Sprecher sind weder berauschend noch wirklich schlecht, während der Soundtrack sich sehr gut anhört. Die Steuerung ist gut umgesetzt und die Auswahlmöglichkeit der Perspektive ist eine geniale Idee, während kleinere Bugs die Steuerung in seltenen Fällen schwierig gestalten. Bis der absolut sehenswerte Abspann über den Bildschirm flimmert, bekommt man also sowohl sehr gute als auch recht schlechte Eigenschaften eines Adventures präsentiert. Dennoch ist der Titel mit Einschränkungen zu empfehlen. Wenn sich Frogwares das nächste Mal auf die Rätsel konzentriert und bei der Logik nachbessert, steht uns als nächstes ein rundum guter Sherlock-Titel ins Haus.

thumb
Konsolenschnüffler Neben der PC-Version sind auch Xbox360- und Playstation3-Versionen des Spiels erschienen. Letztere lag uns zum Vergleichstest vor: Inhaltlich gibt es zwischen der PC- und PS3-Varianten keinerlei Unterschiede. Auch auf der Konsole erlebt man ein spannendes und grausames Detektivabenteuer. Unterschiede gibt es hingegen bei der Grafik und der Steuerung. Bei der Steuerung wurde die auf die Maus ausgelegte 3rd-Person-Variante komplett gestrichen - schon auf dem PC war diese ein eher mäßig gelungener Versuch die Point'n'Click-Puristen abzuholen und somit das Fehlen dieser Variante auf der Konsole erst recht kein großer Verlust. Die anderen beiden Steuerungsvarianten wurden sinnvoll aufs PS3-Pad gelegt und funktionieren einwandfrei. Deutlich schlechter schneidet die Konsolenfassung in der grafischen Darstellung des Spiels ab. Die Auflösung ist deutlich unter FullHD, an den Objektkanten bilden sich hässliche Treppchen und der Bildeindruck ist insgesamt etwas unschärfer. Die Performance ist ordentlich und das Spiel sieht immer noch gut aus, im direkten Vergleich zu einem Mittelklasse-PC ist das Ergebnis aber schlechter. Die Framerate sinkt deutlich, sobald Licht und Schatten ins Spiel kommen. Wer die Wahl hat greift daher besser zur PC-Version. Die Xbox360-Version lag uns nicht zum Test vor, erfahrungsgemäß dürften sich die Unterschiede zur PS3 stark in Grenzen halten. Die Wertung der PS3-Version: 76%

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ich bin erst vor einigen Monaten auf den Geschmack der Frogwares-3D-Sherlocks gekommen und habe mich seitdem schon sehr auf diesen Titel gefreut. Und ich habe auch genau das bekommen, was ich erwartet habe: Eine wirklich tolle, spannend erzählte Geschichte, gut ausgearbeitete Charaktere und eine schön umgesetzte Atmosphäre. Besonders beeindruckt hat mich im aktuellen Titel die detaillierte Grafik, die einen ordentlichen Sprung nach vorne gemacht hat, auch wenn sie meinen PC so manches Mal in die Knie gezwungen hat. Die Qualität der Rätsel fällt im Vergleich leider deutlich ab. Vor allem die Minispiele kennt man teilweise schon von so vielen anderen Titeln... Trotzdem: Wer die Vorgänger mochte erhält mit Das Testament des Sherlock Holmes gewohnt gute Kost und dürfte nicht enttäuscht sein. Besonders erfreulich übrigens, dass es dieses Mal die englische Sprachausgabe auch in die deutsche Version geschafft hat, etwas, was mir bisher immer gefehlt hat!Axel Kothe
Die PS3-Version von Das Testament des Sherlock Holmes ist mein erster Ausflug in die Welt der Spiele rund um den berühmten Meisterdetektiv und wird aller Voraussicht nach auch erst einmal mein letzter bleiben. Schuld daran ist hauptsächlich das missglückte Rätseldesign, das mir mit all seinen langweiligen Minispielen und auch sonst seltsamen Aufgabenkonstruktionen gründlich den Spaß verdorben hat. Die Geschichte ist aber zumindest in Teilen spannend, auch wenn ich das Verhalten der Protagonisten oft unlogisch fand. Technisch macht das Spiel nicht viel falsch und auch die Steuerung funktioniert mit dem Gamepad gut.
Hans Frank
Das Testament des Sherlock Holmes war für mich unterhaltsam, auch wenn ich mich streckenweise sehr über die Logiklücken und die Minispiele geärgert habe. Die drastische Darstellung von Gewalt fand ich übertrieben. Ich mag es subtiler, doch das ist sicherlich Geschmackssache. Insgesamt fand ich es ein wenig bedauerlich, dass durch vermeidbare Fehler Potential verschenkt wurde, doch letztlich handelt es sich immer noch um ein gutes und vor allem schön anzusehendes Spiel.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Tolle Grafik
  • Wählbare Perspektive
  • Gute und spannende Geschichte
  • Cinematische Zwischensequenzen
  • Schöne Atmosphäre mit belebter Umgebung
  • Nervige Minispiele
  • Logik-Löcher
  • Durchschnittliche Sprecher