stundenglas hat geschrieben:..eve. hat geschrieben:Was sich mir bei diesen ganzen Diskussionen um "Entscheidungen" und Kritik an Linearität immer an Gedanken aufdrängt, ist ... dass ich mit jeder getroffenen Entscheidung ein gänzlich anderes Spiel, eine komplett andersartige Geschichte antriggere
Ja aber genau das ist doch das was ich als Spieler haben möchte.
So wie "Entscheidungen" in Spielen heute laufen, sind es nichts weiter als zwei unterschiedliche, parallel verlaufende Geschichten, zwischen denen der Spieler an einigen Punkten der Erzählung wechseln kann. Für viele Spieledesigner ist das bereits das Ende der Vision - aus gutem Grund, denn noch nicht mal das ist "einfach" zu erreichen. Zwei Geschichten sind doppelt so viele wie eine, hier bereits mehr als der doppelte Aufwand - von meiner oben erwähnten Problematik mal ganz abgesehen.
stundenglas hat geschrieben:oder die drei Wege bei Fate of Atlantis.
Fate of Atlantis hatte drei absolut lineare, parallele Handlungsstränge, mit denen das Spiel an die GAMEPLAY-Vorlieben des Spielers angepasst wurde, und zwischen denen nicht nach Belieben gewechselt werden konnte. Das war genial, aber natürlich auch recht aufwändig. Mit den heutigen Plot-Entscheidungen aber nicht wirklich vergleichbar.
stundenglas hat geschrieben:Generell ist es alles kein Problem. Aktuelle Wirtschafts-Simulationen wie Sim City oder Transport Tycoon erstellen dir Zufallskarten mit diversen Parametern die unterschiedliche Spielverläufe wiedergeben oder schau dir Civilisation an. Wenn man da ein Spiel in einem frühen Stadium startet kann ein gaaaanz anders Endgame hervor kommen. Eben weil die Parameter zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit anders verteilt sind.
Eine gute Geschichte würfelt man nicht zusammen, und es schreibt sie auch kein Computer. Was bei mathematischen Mechaniken in Strategiespielen funktioniert, hat mit einer Erzählung nichts zu tun.
enigma hat geschrieben:Wieder auf Dreamfall Chapters bezogen: Ich will nicht selber Leben/Tod entscheiden,
Ich auch nicht. Gerade z.B. nicht als Kian Alvane. Entscheidungen über Leben und Tod sind immer eine Aussage über den Weg und die psychologische Wandlung des Protagonisten. Diese Dinge angemessen zu beschreiben und in klaren Wendepunkten in die Geschichte zu integrieren,
ist die Aufgabe des Erzählers. Hier von Mal zu Mal eine Kontrolle auf Seiten des Spielers zu schieben, ruiniert die Geschichte. Entweder hat's Kian kapiert oder nicht. Das müssen Dag und Ragnar wissen. Ich habe damit nichts zu tun. Ich kann gerne jeden Bauch aufschlitzen, der sich mir in Chapters feilbietet, und jedes magische Wesen mit Rassismus übergießen, nur wenn Kian dann am Ende schicksalshaft doch April heiraten muss, ist es mit der poetischen Gerechtigkeit dahin und mir kommt das große Kotzen.
enigma hat geschrieben:Im Gegenteil, die Zeit die benötigt wird, um mehrere Geschichten auszuarbeiten (denn das bedeutet "Nichtlinearität") ist Zeit, die nicht zur Verfügung steht, um die eine Geschichte zu polieren.
Von zwei Geschichten zur Wahl ist außerdem eine immer die schlechtere, oder?
Und dazu kommt eben noch die Künstlichkeit reingepresster Spieler-Entscheidung, die über die Rätsel-Künstlichkeit weit hinausgeht (da die Rätsel an den Wendepunkten eben nicht kratzen), sowie die Vorhersehbarkeit der Geschichte durch die altbekannten Taschenspielertricks, mit denen sich der Entwickler um zu viel Entscheidungs-Konsequenz drücken muss.
Ich will weiterhin nicht ausschließen, dass es Geschichten gibt, in die dieses Entscheidungszeug passt, und ich will nicht ausschließen, dass Chapters damit den einen oder anderen Hochpunkt schafft – aber die Herangehensweise, wie sie im Chapters-Video bislang gezeigt wird, ist nur der gestrige Hokuspokus, der
flachere und weniger glaubwürdige Geschichten macht.
Dass das hat sein müssen.
Kein Wort davon im Kickstarter.
