Das James-Buch habe ich mir tatsächlich mal gekauft, eben WEIL es überall als allseits bekanntes Beispiel für Grusel steht. Bin aber noch nicht weit gekommen, und momentan liegt es irgendwo ganz unten unter dem Lesestapel...
Bei den klassischen Gruselbüchern (allen voran Poe) gibt es wohl die Stilart, alles durch einen Erzähler einer meist - adeligen oder reicheren - Gruppe zur Unterhaltung darzubieten.
Das ist ein gewöhnungsbedürftiger Stil, weil es eigentlich die Distanz zum Geschehen vergrößert, da es quasi mehrmals gefiltert wird: da ist zuerst der Autor / die Autorin, dann die literarische Autorin, die der Sitzung eventuell beiwohnt oder die es durch Dritte erfährt, schließlich der Erzähler (oft dieselbe Person wie der literarische Autor, aber nicht immer) und irgendwann kommt dann die Person, der es gruseln soll, in der Geschichte selbst vor. Das sind echt viele Schichten. Da sind die Horror-Genres heutzutage direkter und wollen den Leser oder den Zuschauer am besten selbst in Schock versetzen. Vermutlich ist die Erzählung über die Geschichte von einem, der was über einen Freund hörte, der einen kennt, dem was widerfahren war, nicht mehr „zeitgemäß“ und muss, wahrscheinlich wie Frakturschrift, heute neu erlernt werden.
Ich mag zwar alte Romane, aber das wirkliche Gruseln findet nicht statt, eben weil man sich zurücklehnen darf und nur zuzuhören (bzw. zu lesen) braucht. Da empfand ich „Northanger Abbey“ gruseliger, weil die Hauptfigur es selbst erlebt. Auch dort werden Grusel-Romane als Hintergrund benutzt, da die Heldin diese gerne liest und deshalb eine wilde Phantasie entwickelt...

. Da sind die Gruselromane selbst ein Gesprächsthema und vielleicht auch ein ironischer Seitenhieb von Frau Austen auf diesen damaligen Zeitgeist... Aber nun ja, es war die Zeit, wo Frauen ohnehin nichts lesen durften außer unverfänglichem Schmarrn...
Allerdings bedeutet „Grusel“ wohl auch Distanz. Horror betrifft einen direkt, aber wohliger Grusel ist am knackenden Kaminfeuer, während draußen der Wintersturm heult und die Fensterläden krachen lässt - also (normalerweise) eine Situation, die einem nichts anhaben kann. Grusel ist wie Geisterbahn: es passiert einem nichts (in 99,99% aller Besuche...), man weiß das und trotzdem erschrickt man.
Wirklich gruselig wirken bei mir Dystopien, bei denen man auch nicht weiß, ob der Prota überlebt. Das wäre also z.B. „1984“. Als Leser ist man ununterbrochen in der Situation, „entdeckt und gefoltert“ zu werden, und die scheinbar netten Menschen sind am Ende die wahren Schlächter. Das ist eben kein Horror mit Zombies und Aliens, sondern quasi der tagtägliche Horror unserer Welt...