Ostara hat geschrieben:Ich lese grad "Der Herr der Ringe", und zwar die überarbeitete Ausgabe von M. Carroux. Alle drei Teile in einem fetten Buch mit kleinen Buchstaben und ganz dünnen Seiten. Das hatte ich mir zu Weihnachten selbst geschenkt. Vor diversen Jahren hatte ich mir "nur" die Ausgabe mit der Übersetzung von Herrn Krege gekauft. Aber da ich seit Jahren höre, die Carroux-Übersetzung sei das Non plus Ultra, hab ich mir das endlich mal geleistet, grad weil ich jetzt für das komplette Buch knapp so viel bezahlt hab, wie vorher ein Teil allein gekostet hatte.
Ist zwar schon ein paar Tage älter, aber ich muss an dieser Stelle mal einhaken. Viele Leute brabbeln vor sich hin, die Krege-Übersetzung sei sowas von schrecklich und die Carroux-Übersetzung ist sowas von toll... Pustekuchen. Die Krege-Übersetzung ist nicht besser oder schlechter als die Carroux-Übersetzung, sie wählt nur einen anderen Ansatz - und trifft dabei letztlich das Original besser. Aber Fehler machen beide.
Tolkien war ein Sprachgenie, was man auch merkt, wenn man das Original liest. Der Text ist nicht in einem einheitlichen Stil geschrieben, sondern verwendet unterschiedliche Sprachstile, von Bibelsprache über gestelztes Oxford-Englisch bis hin zur bäuerlichen Umgangssprache, je nach Bedarf. Dass die Leute in der Erzählzeit moderner reden als in den alten Schriften, und das sich die Elben vornehmer ausdrücken als das Gesocks, das sich im Tänzelnden Pony trifft, sollte eigentlich klar sein. Carroux macht aber aus der Vorlage ein altbackenes Werk und verwendet antiquierte Sprache (es ward), wo sie überhaupt nicht angebracht ist. Krege räumt mit diesem altertümlichen Gerede auf und kriegt einen auf den Deckel, weil viele in ihrer Borniertheit meinen, der Herr der Ringe müsse altbacken klingen - völlig falsch. Bei seinem Versuch, die Sprachebenen des Originals zu erhalten, schießt Krege aber bisweilen mal 50 Jahre über das Ziel hinaus. Das Werk ist in den 40ern geschrieben worden, und da gab es noch keine Gangsta-Rapper.
Krege ist im direkten Vergleich der bessere Kenner der Materie; kein Wunder, hat er ja schon den Hobbit und das Silmarillion übersetzt. Während Carroux sich mit Eigennamen öfters schwer tut und "the Mountain" mit "Gebirge" übersetzt, erkennt Krege an der Stelle, dass bei der Großschreibung nur der Einsame Berg gemeint sein kann und verwendet auch diesen Begriff. Aber auch in Sachen Sprachstil tönt Krege deutlich flüssiger. Carroux klammert sich häufig an Wort-für-Wort-Übersetzung, die häufig gestelzt und unnötig kompliziert klingen.
Die größte Hypothek aber, die Krege hatte, war, dass es schon eine Übersetzung gab. So versucht er immer wieder krampfhaft, eine andere Übersetzung für Passagen zu finden, für die Corroux schon die optimale Übersetzung geliefert hat. Insgesamt hätte die Krege-Übersetzung weit vorne landen können, wenn er dies nicht gemacht hätte und vor allem, wenn er seine Mühen durch Ausdrücke wie "Chef" oder "G für g..." konterkariert hätte.
Aber am besten liest man erst gar keine Übersetzungen, sondern bleibt beim Original. Ich habe mir erst kürzlich von einen Büchergutschein, den ich zum Geburtstag bekommen habe, selbst ein nettes Geschenk gemacht: ISBN 978-0-618-51765-7. Das Ding ist wirklich edel.
Übrigens habe hier mal eine wertneutrale Gegenüberstellung der beiden Übersetzungen des 1. Kapitels:
http://www.herr-der-ringe.ws/Gegenueber ... arroux.pdf Es möge sich jeder selbst ein Bild machen.