Es ist mittlerweile schon wieder zwei Monate her, dass ich Dreamfall Chapters abgeschlossen habe, aber es hat mich noch immer nicht komplett losgelassen. Adven hat mit aller Kritik vollkommen Recht, die Story ist sehr schlecht konstruiert. Insbesondere die Abschnitte mit Saga sind so absurd misslungen, dass man schon Absicht unterstellen könnte. Die Kritik am Rätseldesign könnte in Advens Post noch stärker sein, denn Dreamfall Chapters spielt sich noch viel langweiliger und nerviger als ein Walking Simulator.
Aber: Das Spiel ist so schön! Um eine Vorstellung zu bekommen, welche Atmosphäre das Spiel aufbauen kann, sollte man sich auf Spotify oder Youtube den Soundtrack anhören. Ich finde, alleine an der Musik kann man hören, welche ambitionierten Ziele sich Red Thread Games gesetzt hat. Dreamfall Chapters sollte kein 08/15 Adventure sein, sondern sie wollten es atmosphärisch mit den AAA Titeln aufnehmen. Das ist ihnen natürlich misslungen, aber es gibt doch einige richtig gut gelungene Szenen, in denen mir ein Schauer über den Rücken gelaufen ist.
Was Dreamfall Chapters von den meisten Adventures unterscheidet, ist der Mut, Szenen zu inszenieren. Die Entwickler versuchen, Musik, Animationen, Kameraschwenks, Dialogzeilen etc. wie in einem guten Film aufeinander abzustimmen. Life is strange und Silence hatten das teilweise auch schon, aber Red Thread Games kann das viel besser. Wenn es schiefgeht, was auch bei Dreamfall Chapters oft genug passiert, sieht es ziemlich lächerlich aus, aber wenn es funktioniert, ist es einfach toll.
Ich will mehr davon!
Durch das riesige Update letzten Sommer lief das Spiel bei mir komplett flüssig und ich hatte keine langen Ladezeiten. Das Spiel heute hat nicht mehr viel mit der ursprünglichen Version aus dem Jahr 2014 zu tun. Am besten verdeutlichen tut das vielleicht dieser
Trailer aus dem Jahr 2013, bei dem man durch die Unterschiede zum jetzigen Spiel den Enginewechsel gut nachvollziehen kann. Der Trailer ist übrigens komplett spoilerfrei, weil es keine der Szenen ist das jetzt vorliegende Spiel geschafft hat, und sogar das Charaktermodell der Protagonistin geändert wurde.
In den meisten Tests oder auch Kommentaren hier im Forum wird mir die Leidenschaft und die Experimentierlust der Entwickler zu wenig gewürdigt. Ein paar Stichwörter: Es gibt zwei riesige frei begehbare offene Welten, Entscheidungen haben häufig spektakuläre Konsequenzen, das Spiel wird zum Finale hin besser und nicht wie üblich schlechter, die Dialoge sind teilweise wirklich interessant und gut geschrieben, die 3D-Welten sehen quasi ausnahmslos sehr gut aus (und stehen dadurch leider im starken Kontrast zu den Haaren und Mündern der Charaktere) und, last but not least, die Charaktere wechseln regelmäßig ihre Kleidung,
Insgesamt ist das alles sehr unbefriedigend, denn damit das Spiel auch nur „gut“ wäre, fehlt meiner Meinung sehr viel. Aber ich hätte so gerne, dass Adventures mit solchen Ambitionen und hohen Production Values erfolgreich sind, auf dass es bessere Nachahmer gibt.
P.S.: Vainamoinen, beim Thread durchlesen hatte ich die ganze Zeit noch auf ein großes Fazit von dir gehofft. Hast du das woanders schon aufgeschrieben?