Huiiii, jetzt wird's hier aber unübersichtlich. Ich tue mein Bestes.
Abel hat geschrieben:Lasse ich so stehen, auch wenn ich nicht weiß, was du genau mit "Vorlieben" meinst.
Die klassische Ludologie unterscheidet zwischen glücksbasierenden Spielen ('luck based') und solchen, die ein (geistiges/körperliches) Können ('skill based') von dir verlangen. Das ESG ist nichts davon, deshalb musste ich eine Extrakategorie erfinden, die es zu einem "Spiel" macht.

Mit "Vorliebe" meinte ich, dass der Spieler zwischen parallelen Wegen wählt, die in jeder Hinsicht 'gleichwertig' sind. Er baut sich seine Geschichte aus beschränkten, klobigen Versatzstücken nach Gusto - seiner Vorliebe.
Abel hat geschrieben:Selbst wenn es zum Teil nur vorgegaukelt wird, die Wahlmöglichkeiten reichen unabhängig von den Konsquenzen und im Zusammenhang mit der Zeitbegrenzung aus, um den Spieler quasi mitten ins Spiel zu versetzen.
An der Stelle war ich glaube ich auch in diesem Forum schonmal. Eine
Entscheidung ist immer eine Sekunden dauernde interaktive Stelle im Spiel; eine
Auswirkung ist immer ein passiv zu durchleidender, absolut nicht interaktiver Teil des Gesamtkonzepts. Da liegt es dem Spieledesigner doch nahe, die Entscheidungen in den Vordergrund zu rücken und die Konsequenzen möglichst schnell abzuwürgen, oder?
Abel hat geschrieben:Ich habe z.B. auch gerne Mass Effect
Ich auch. Weil ich Third Person Shooter sehr gerne habe.

Für mich hat die Serie allerdings dann auch beeindruckend demonstriert, wie entsetzlich beschränkt diese "Plot"-Entscheidungsmechaniken wirklich sind, selbst wenn man beinahe unbegrenzte Geldmittel und wirklich nicht die schlechtesten Schreiber zur Verfügung hat. Besonders schockierend war für mich der letzte Teil - der eine gesamte funktionale, sauteure, höchst uninteressante und von den Spielern ausgesprochen unerwünschte Parallelwelt konstruieren musste, in der alle Kameraden des Spielers aus den früheren Teilen gestorben sind und in der beliebige Ersatzpersonen im Egal-Design für die wesentlichen Plotstränge, die eben nicht gestrichen werden können, als Stand-in herhalten müssen.
Abel hat geschrieben:Es ist halt "story driven", da muss nix komplexer werden, auch wenn sie natürlich versuchen werden, das Konzept zu verfeinern. Diese Art von Spiel hängt einzig und allein von der Qualität der Geschichte und ihrer Präsentation ab.
So biedert sich das Spiel jedoch ohne Umschweife dem Film an; ich denke, Spiele können viel, viel mehr. Im ewigen Kampf Ludologisten gegen Narrativisten muss im Spiel das Spiel an erster Stelle stehen.
Abel hat geschrieben:Und so lange die Qualität der Handlung und Präsentation stimmt, so lange wird das Konzept auch erfolgreich bleiben.
Es ist möglich, dass sich dieses "Genre" anhaltender Beliebtheit erfreut. Wie oben beschrieben, hoffe ich, dass es nicht so ist, und dass sich Spieler wie Entwickler in rasender Geschwindigkeit der geschilderten Beschränktheit bewusst werden.
Mit den Walking Dead hat Telltale ja bereits die Entscheidung getroffen, zugunsten von mehr "Entscheidung" die "Konsequenzen" einfach mal wegzulassen. Diese Spielmechanik stand auch hier der Story im Weg, und weg war sie. Das ist doch ein Perpetuummobile der Entspielung, bis wir beim Film angelangt sind. Für den es keine 3D-Animatoren braucht.
Früher haben die Designer darüber nachgedacht, was für Kopfnüsse sie dem Spieler aufdrücken können. Heute denken die Designer darüber nach, wie sie das nächste große arg konstruierte Dillemma in all seiner Künstlichkeit an den Spieler herantragen, während sie mit reinsten narrativen Taschenspielertricks ("sleight of hand") möglichst große Auswirkungen zu simulieren versuchen, die möglichst selten gezeigt werden müssen. Ich mochte nicht nur die Kopfnüsse lieber - ich glaube auch schlicht nicht daran, dass 'Entscheidungsmechaniken' eine bessere Geschichte machen.
Abel hat geschrieben:Natürlich geht es auch mit kleinem Budget, das hat v.a. Gemini Rue gezeigt, aber die finanziellen Verhältnisse sorgen im Endeffekt doch dafür, dass gute Autoren sicherlich nicht unbedingt Adventures machen wollen.
Da hätte ich früher Brief und Siegel drauf gegeben. Heute jedoch steigen die Spielebudgets allein mit der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter nicht linear, sondern beinahe exponentiell an. Ergo: Mit doppelt so viel Geld lässt sich kein doppelt so gutes Spiel machen. Die besten Spiele entstehen unter einem sehr beschränkten, sauber durchgeplanten Budgets mit einem kleinen Team.
Abel hat geschrieben:In dem Fall wäre ich eventuell raus, denn gerade dieses simple Schreiten durch kleinere Areale, hat für mich die richtige Mischung bei TWD ausgemacht.
Die direkte Kontrolle des Hauptcharakters war bei The Walking Dead bitter nötig, um dem Spieler zumindest ab und zu das Gefühl zu vermitteln, tatsächlich auch über die zwei Stunden Cutscene hinaus einen direkten Einfluss auf den Protagonisten zu haben. Die Umgebungen waren aber jeweils bereits kaum erträglich langweilig. Möglich, dass The Wolf among Us in der Tat genau das streicht. Aber: Abwarten.
Abel hat geschrieben:Wenn das "Spiel" nur und ausschließlich das Medium für die Erzählung ist, braucht es nur minimales Gameplay und das Spiel ist letztlich die Erzählung selbst. Der Unterschied zum Film besteht dann darin, dass der Charakter nur Handlungen vollführt, wenn ich ihn dazu veranlasse
Genau das Gefühl hat mir The Walking Dead mit Macht weggenommen.
Abel hat geschrieben:Der Trick bei einer Erzählung im Medium des Spiels ist aber, dass man in die Geschichte hinein geworfen wird, anstatt sie rein passiv zu erleben und sie zum Teil eben doch selbst erfährt, weil ich selbst über Lee bestimme und ständig mit Wahlmöglichkeiten konfrontiert werde, die die Illusion erschaffen können, dass das Geschehen auf das eigene Handeln beruht.
Exakt diese Illusion hat bei TWD bei mir jedoch von vorne bis hinten nicht funktioniert. Ich saß da und drückte Knöpfchen, drückte W für vorwärts, entschied mich für irgendwas, was zehn Sekunden später egal war. Hätte ich eine Katze auf die Tastatur gelegt, die Endsequenz wäre wohl nach zwei Stunden doch irgendwie über den Bildschirm geflackert. Mit meinem 'Handeln' hatte das leider sehr wenig zu tun. Eigenes Erkunden der Umgebung, mein Können 'an der Tastatur und Maus' und das pure Nachdenken über die nächste Rätselhürde, DAS ist das Handeln, das mich wirklich auch in eine Geschichte hineinziehen kann. The Walking Dead hat mir dagegen, bei aller Mühe Telltales mit der Story, absolut nichts bedeutet.
Weshalb ich mich vor TWaU geradezu fürchte.