Man kann ja zu Gewaltdarstellungen stehen wie man will. Und ja, es ist ein interessantes Phänomen, dass man in den USA zwar überhaupt keine Probleme damit hat, wenn zur Primetime im Kinderzimmer Köpfe rollen - aber wehe, es blitzt mal ein Nippel durch! Trotzdem, eines ist mal sicher: Ein Spiel zu "The Walking Dead" ohne explizite Gewaltdarstellung hätte das Thema verfehlt, setzen, sechs. Die Diskussion ist hier absurd. Nein, diese Gewalt ist nicht das zentrale Element in der Serie oder im Comic - und beim Spiel scheint das ebenso wenig der Fall zu sein.
Apropos Adventure und jugendfreie Familienunterhaltung, und die angebliche Nestbeschmutzung eines Genres: Ich könnte Dutzende von Adventures aufzählen, in denen ich ein soziopathisches Arschloch gespielt habe. Ich könnte noch mal so viele nennen, in denen ich Orte abgeklappert habe, um ohne Andeutung von Ironie Leute bescheißen, belügen und zu beklauen. In einem Spiel aus dem moralisch überlegenen Deutschland betäubte ich einen Obdachlosen mit Ethanol, um ihm das Letzte bisschen Habe zu klauen, was der Mann noch besaß. Und in einem anderen ebenfalls nicht ganz unpopulären Spiel macht sich die profillose Ausrede von Hauptcharakter bei der ersten Gelegenheit an den nächsten weiblichen Bimbo ran, weil sein Beziehungs-Bimbo mit mehr Vorbau als Verstand ein paar Kapitel lang unpässlich ist. Manch einer würde behaupten, solche Eskapaden machten den durchschnittlichen Adventurecharakter erst richtig point&clickenswert. Glücksbärchi-kompatible Familienunterhaltung ist das jedenfalls nicht. Und Gewalt gabs und gibts weiß Gott mehr als genug.
Schwer vorstellbar, dass die Charaktere in The Walking Dead ähnlich handeln. Erstens haben Telltale zumindest ein paar Autoren, die sich auch so nennen dürfen, ohne rot zu werden. Und zweitens ist das "The Walking Dead", eine Seifenoper-Version der "Nacht der lebenden Toten", eine Art "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" des Zombiegenres, mit bedeutend besserem Skript. In dem explizite Gewalt und Zombies die Bedrohung sind, die Menschen zusammenschweißt oder auseinander bringt. Aber nicht die Elemente, um die sich nur wegen der Gewalt willen alles dreht.
The Walking Dead (Off-Topic-Diskussion)
-
- Hobby-Archäologe
- Beiträge: 176
- Registriert: 23.09.2007, 16:16
- Vainamoinen
- Adventure-Gott
- Beiträge: 3114
- Registriert: 30.04.2006, 13:26
Re: The Walking Dead (Off-Topic-Diskussion)
Zustimmung bei der Idee, dass Gewalt in TWD grundsätzlich erzählerisch-strategisch als Schockelement eingesetzt wird. Ich will aber wirklich nicht so ganz abstreiten, dass Telltale auch Sünden der Verharmlosung begeht. Leider passiert es viel zu oft, dass Glenn oder Doug bei der Tötung eines Zombies begeisterte Kommentare abgeben ("Rad!" "Far out!"). Das war für mich schlecht hinzunehmen, vor allem auch deshalb, weil es stilistisch eben aus dem Rest des Spiels herausfällt.magoria hat geschrieben:Nebenbei möchte ich auch noch dagegen halten, dass ich gerade die verharmloste Gewaltdarstellung als wesentlich gefährlicher ansehe als die krassere. [...] So empfand ich es in TWD schon als grausig, als Lee einen Zombie mit einem Hammer zu Boden gehauen hat - zumal auch noch eine starke, emotionale Komponente dazukommt. Ich persönlich empfand die Gewaltdarstellung in TWD als der Stimmung angebracht und in keinster Weise als irgendwie toll, amüsant o.ä. bewertet. In einem Uncharted hingegen puste ich die Gegner weg, ohne auch nur einen Gedanken an sie zu verschwenden.
Das sehe ich zum großen Teil auch so, muss allerdings hinzufügen, dass ich den Comic am Anfang eher lau und später in seiner Gewaltdarstellung überzogen und abscheulich gefunden habe. Acht Seiten detaillierte krasseste Folterszene? Na super, also ich brauche das nicht. Dagegen werden die Umgebungen, in denen sich die Charaktere befinden (Stichworte "sense of place" und "establishing shot" bei Comictheoretiker Scott McCloud) geradezu extrem schlecht oder überhaupt nicht dargestellt - mit Ausnahme einer ständig wiederkehrenden Gefängnisansicht. Selbst die grundsätzliche Idee, Soap mit Zombies zu kombinieren, geht meiner Ansicht nach im Comic fehl, da die sich ständig abwechselnden Gesichter zweier miteinander sprechenden Menschen nicht gerade die hohe Kunst des Comics ist. Ich habe nie eine Folge der Serie gesehen und habe es auch nicht vor, aber im Gegensatz zu Kirkmans Comic arbeitet Telltales Spiel ganz explizit mit der unbekannten Vorgeschichte des Hauptcharakters. Solche Elemente hat der Comic bis auf wenige Ausnahmen schlichtweg vergessen. Wie interaktiv das TWD-Spiel empfunden wird, ist eine Sache - narrativ erhebt es sich bereits mit Episode 1 um Meilen über seine Vorlage.realchris hat geschrieben:Bei den Comics oder der Serie ist die Gewalt eine Rahmenbedingung, eine Realität der Umwelt, unabhängig von den sonstigen zwischenmenschlichen Problemen. Da wird ein Dialog geführt, nebenbei kommt ein Zombie angekrochen und während man über etwas redet, wird kurz der Zombie erschossen.
Ich habe Walking Dead nicht gespielt, aber sinnlose Gewalt würde ich bei dem Franchise als notwendigen Spielanteil betrachten.
das einzige, was ich an dem spiel kritisiere. es ist zuviel film und zuwenig spiel. da ist dann das comic und die serie unterm strich besser.
Die unterschwellige, stets gegenwärtige Bedrohung ist das, was dieses Genre ausmacht, eben WEIL die Gewalt punktuell in extremer Weise gezeigt wird. Das kann man mögen oder nicht. Die erste Episode TWD hatte drei bis vier Stellen, die ich als überzogene Gewaltdarstellung bezeichnen würde, die für Telltale in dieser Ausprägung neu ist. Ich nehme sie als Teil des Genres ohne sonderlichen Genuss hin.Svenc hat geschrieben:Nein, diese Gewalt ist nicht das zentrale Element in der Serie oder im Comic - und beim Spiel scheint das ebenso wenig der Fall zu sein.
[...]
Erstens haben Telltale zumindest ein paar Autoren, die sich auch so nennen dürfen, ohne rot zu werden. Und zweitens ist das "The Walking Dead", eine Seifenoper-Version der "Nacht der lebenden Toten", eine Art "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" des Zombiegenres, mit bedeutend besserem Skript. In dem explizite Gewalt und Zombies die Bedrohung sind, die Menschen zusammenschweißt oder auseinander bringt. Aber nicht die Elemente, um die sich nur wegen der Gewalt willen alles dreht.
...gab es nicht auch bei King's Quest pervers-blutige Todesszenen aus heiterem Himmel? Oh je, ich höre die Sittenwächter schon schreien... nächstes Jahr dann.

Na, da waren wir doch im anderen Thread schon mal, mit der Genreklassifikation undsoweiter. Ich kann dazu nur nochmal sagen: Aber auch im klassischen Sinn ist TWD ein Adventure - zumindest erheblich mehr, als es "Dreamfall" 2006 war. Und da hat kaum eine Rezension etwas davon verlautbaren lassen, das sei eigentlich kein Adventure mehr!magoria hat geschrieben:Auch ist es in meinen Augen kein "Adventure" sondern ein "interaktiver" Titel der nicht so genau zuzuordnen ist.