Ich platze mal ganz frech als Neuling hier herein.
Rotstift hat geschrieben:
Ich kann euch aber gern ein paar Beispiele geben. Beziehungsweise ... ihr könnt ja mal überlegen, wie ihr so was übersetzen würdet (zumindest diejenigen, die nicht beide Fassungen kennen

).
Also:
MAX: Is it a shotgun wedding?
SYBIL: Max! What a thing to ask ... oh wait. He doesn‘t know what that means, does he?
Vorweg: Ich kenne beide Fassungen nicht, da ich es mit Sam & Max nicht so habe.
Ich vermute, die Situation und der Witz drehen sich um den Begriff Shotgun-Wedding. Nur fürs Protokoll, den Begriff lernte ich tatsächlich schon in der Schule. Wenn man sich aber nur ein bisschen mit us-amerikanischer Kultur beschäftigt, sollte er einem auch ohne guten Englischlehrer über den Weg gelaufen sein.
Mir selbst fiele keine äquivalente Übersetzung ein, aber genau dieser Reichtum des Englischen an solch idiomatischen Redewendungen macht mir die Entscheidung leicht, und ich greife zum englischen Original. Als Adventurespieler denke ich gerne um die Ecke. Das Knacken von Redewendungen ist mir hier sehr willkommen und trägt für mich wesentlich zum Genuss bei.
Ein Vergleich mit der populären Scheibenwelt drängt sich auf. Viele Leser der deutschen Übersetzungen blieb Pratchetts britischer Humor verschlossen und der vermeintlich Schuldige war schnell ausgemacht: Andreas Brandhorst. Meiner Meinung völlig zu Unrecht, denn es ist immer leichter den Übersetzer zu beschimpfen als es selbst besser zu machen. Im Falle der Scheibenwelt lautet die Aufgabe, harte englische Nüsse zu knacken und deren Bruchstücke anschließend ohne Spuren zu hinterlassen in eine deutsche Nuss zu verwandeln. Ein schwieriges Unterfangen.
Ein bekanntes italienisches Sprichwort lautet "traduttore, traditore". Ich lasse es bewusst unübersetzt hier stehen. Selbst ohne Kenntnisse des Italienischen kann man es sich mit ein bisschen Sprachgefühl selbst erschließen und sich anschließend über die Arbeit eines Übersetzers Gedanken zu machen, ohne sich der wörtlichen Wertung des Sprichwortes anzuschließen.
Ich mag es nicht, wenn Verfechter der originalen Sprachversionen meinen, sie stünden intellektuell über jenen, die auf Übersetzungen zurückgriffen. Solche Leute ziehen sich mit ihrem Dünkel an der gerümpften Nase ins Lächerliche.
Lebostein hat geschrieben:Deshalb wundere ich mich immer über die vielen Spieler hier, die angeblich alles verstehen und witzig finden.... mit dem normalen Schul- und Konversationsenglisch kommt man hier nicht weit.
Das andere Thema sind ja auch die vielen Anspielungen auf Personen und Gegebenheiten der amerikanischen Geschichte, Politik und Unterhaltung, die in Deutschland wohl nie auf dem Lehrplan stehen und hier kaum jemand kennt. Man braucht neben den Sprachkenntnissen deshalb auch geschichtliches und kulturelles Wissen über Amerika, um über die Anspielungen lachen zu können...
Das ist die andere Seite der Medaille. Und die besorgt mich. Es ist diese Mischung aus Angst und mangelnder Bereitschaft, an sich und seinen Kenntnissen zu arbeiten, die mich bedenklich stimmt. Wenn beispielsweise in einem us-amerikanischen Werk eine Anspielung auf Benedict Arnold erfolgt, ist es für Nicht-Amerikaner keine Schande, diese Anspielung nicht zu verstehen. Auch die Entscheidung, das restliche Werk ohne dieses Verständnis zu genießen, stellt in meinen Augen kein Problem dar. Problematisch wird es erst dann, wenn das eigene Unverständnis zur Norm erhoben wird und anderen die Fähigkeit abgesprochen wird, dieses Verständnis zu besitzen oder es sich durch simples Nachschlagen verschaffen zu können. Es geht um das Wollen nicht um das Können.
Ich versuche in Beruf und Alltag, den Menschen die Angst vor dem Englischen zu nehmen. Längere berufliche Auslandsaufenthalte sind nichts Ungewöhnliches mehr. Egal in welche Kultur es jemanden verschlägt, über den Erfolg entscheidet nicht unwesentlich das Verstehen von Witzen in der jeweiligen Landessprache. Vulgo: Über die Beförderung wird am Biertisch entschieden. Fremdsprachige Medien sind wichtige Mosaiksteinchen des eigenen Erfolges.