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Test

von  Topsy-Sophia Schmitt
12.12.2016
Heroes & Cowards: Das Pentagramm der Macht
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Gewiss waren Steve Kups und Sebastian Broghammer keine Feiglinge, als sie 1990 den Sprung ins kalte Wasser wagten und ihre eigene Entwicklerschmiede gründeten. So waren die Byteriders entstanden, die sich innerhalb der deutschsprachigen C64-Szene schon binnen weniger Jahre behaupten konnten. Nein, sie waren keine Feiglinge – im Gegenteil: Rasch wuchsen sie zu echten Helden empor, die mit ihren häufig seichten, aber überaus unterhaltsamen Titeln Begeisterung unter Adventurespielern schüren konnten: Logan, The Yawn, Crime Time oder Brubaker rufen bei älteren Generationen noch heute manche Erinnerung hervor. 1993 war bereits das Ende der Byteriders-Ära gekommen. Es schien, als wären sie in einen dichten Nebel geritten und danach nie wieder gesichtet worden. Ihr Name jedoch blieb unvergessen und wurde bis ins 21. Jahrhundert hinein überliefert.
Vor nunmehr einem Jahr, nämlich im Dezember 2015, verstarb mit Steve Kups einer der kreativen Köpfe des einstigen Teams. Er schied aber nicht aus dem Leben, ohne uns kurze Zeit vorher ein besonderes Geschenk zu vermachen. Ebenso wie der Tod der lediglich 45jährigen C64-Legende erreichte uns dieses vollkommen unerwartet: Heroes & Cowards war das verschollene Projekt der Byteriders, ein Relikt aus den 90ern, welches vertrauensvoll in die Hände der Firma Out of Order Softworks gelegt wurde. Steve Kups schien diese Kooperation keineswegs gescheut zu haben, wie seine entschlossenen Worte eindrucksvoll belegten: „Ihr könnt das Gammelding nach Belieben verwursten.“ (Quelle: Handbuch zu Heroes & Cowards) Ob Kups' Zuversicht gerechtfertigt war, möchten wir in diesem Testbericht näher ausführen.


Unser Protagonist weiß nicht, wie ihm geschieht, als er urplötzlich in einen Zeitstrudel gesogen wird.

Die Fünf Rubine der Macht

Einst lebten im Lande von Dartenwood fünf talentierte Zauberer, die in ihrer Funktion als sorgsame Ratsmitglieder den Mächten des Bösen trotzten. So übertrug jede dieser engagierten Persönlichkeiten sämtliche seiner Kräfte auf je einen magischen Rubin. Ein Pentagramm sollte den Wirkungskreis jener besonderen Schmuckstücke entfachen und damit einen undurchdringlichen Abwehrmechanismus erzeugen. Somit war das Aufenthaltsrecht in Dartenwood über viele Dekaden nur den friedfertigen Genossen vergönnt. Arglistige Besucher wurden durch den Einfluss der Rubine stets auf Distanz gehalten. Eines Tages jedoch geschah etwas Unerwartetes: Auch die finsteren Gesellen hatten inzwischen einen Weg gefunden, all ihre negativen Energien zu bündeln, um sich den bestehenden Mächten widersetzen zu können. Das Ergebnis ihrer Bemühungen war eine gar unberechenbare Kreatur, die auf den Namen Morlon gehorchte. Dieser Ausgeburt des Bösen gelang es schließlich, Dartenwood zu unterwandern und die fünf Magier zu ermorden. Letztlich fiel Morlon aber seiner Unwissenheit zum Opfer. Den Rubinen wohnte nämlich ein gefährliches Gift inne, das bei der kleinsten Berührung durch den Feind austrat und diesen ins Jenseits beförderte. Als Morlon im Sterben lag, sprach er allerdings einen letzten Fluch aus, der das einst so pulsierende Leben in Dartenwood komplett zum Erliegen brachte. Sämtliche Einwohner wurden versteinert, die Geschichtsschreibung schien besiegelt und das Land drohte dem Vergessen anheimzufallen. Ein Glück also, dass die fünf Ratsmitglieder schon vor ihrem Ableben für den Ausnahmezustand gewappnet waren. Durch den Einsatz von Zeitmagie sollte aus einer fernen Zukunft Hilfe nach Dartenwood bestellt werden. Als Retter kommt ausgerechnet ein namenloser Protagonist in Betracht, der Drachen, Dämonen oder Hexen bislang nur aus Märchenbüchern kannte. Dieser wird vollkommen unvermittelt aus seinem Wohnzimmer fortgerissen und in eine ihm gänzlich unbekannte Welt transferiert. Leider bleibt ihm nun keine andere Wahl, als sich dort mit neuen Aufgaben zu befassen. Sobald die vermissten Rubine eingesammelt und auf dem Pentagramm der Macht platziert wurden, darf sich unser Held zuhause wieder dem bescheidenen, wenngleich weniger beunruhigenden Fernsehprogramm widmen.


Manchmal sieht der Spieler vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

Präsentation: Aus der Zeit gefallen

In allen Belangen richtet sich Heroes and Cowards an eine Zielgruppe, durch die allein keine allzu hohen Einnahmen zu erwarten sind. So ist das Adventure ausnahmslos für den Commodore 64 konzipiert und wird mit der Emulationssoftware WinVICE ausgeliefert. Es ist also nicht verwunderlich, dass mit Protovision eine Gruppe von Verfechtern jener längst vergangenen Spielegeneration den Vertrieb übernahm. Ganz im Sinne der „Proto-Vision“ kann Heroes & Cowards lediglich mit seinem hohen Nostalgiefaktor überzeugen und wirkt nach heutigen Maßstäben wie ein Produkt, das hoffnungslos unserer Zeit entglitten scheint. Visuell vermag es demnach nur mit statischen Hintergründen zu beeindrucken, die einen minimalistischen Detailgrad aufweisen, aber dementsprechend liebevoll gestaltet wurden. Rund vierzig verschiedene Szenenbilder dürfen wir im Spielverlauf bewundern, obgleich die optische Darstellung des Waldes zur Wiederholung neigt. Um das Herz des hoffnungslosen Nostalgikers jedoch vollends zum Tanz anzuregen, wurde die Atmosphäre des Spiels mit dem fantastischen Soundtrack von Taxim und Stefan Hartwig angereichert. Es scheint, als würde uns ein kleines Retro-Orchester geboten, welches stets gegenwärtig ist und jeden frustrierenden Hänger gleich wesentlich erträglicher macht. Von subtilen Melodien kann hier kaum die Rede sein, vielmehr schlagen die epischen wie düsteren Klänge in reichhaltiger Variation auf uns ein und lassen uns staunend zurück.


Diesem Drachen war offensichtlich kein sehr würdevolles Ableben vergönnt.

Offene Spielwelt, solide Rätselkost

Natürlich bleibt dem Spieler auch die altertümliche Steuerung nicht erspart, die ebenso ihren Reiz entfalten kann: Der Bildschirm ist in eine Text- und Interaktionsfläche sowie einen grafischen Bereich aufgegliedert. Da es sich um ein 1st-person-Adventure handelt, wird der aktuelle Standort jeweils aus der Perspektive des Protagonisten eingeblendet. Daneben lässt sich ein Kompass wahrnehmen, welcher die derzeit begehbaren Himmelsrichtungen gelb aufleuchten lässt und dem Spieler die Orientierung erleichtert. Auf der anderen Seite prangt hingegen das Pentagramm, welches einen Überblick über die aufgetriebenen Rubine verleiht. Kopfzerbrechen dürften eher die fünfzehn Verben verursachen, die mit den Pfeiltasten oder – falls vorhanden – einem Joystick angewählt werden müssen: Gehe zu, Untersuche, Sprich mit, Benutze, Konsumiere, Schaue, Lies, etc. Einiges dürfte auf Anhieb Verwirrung stiften: So gewährt der Befehl „Untersuche“ in Listenform Einblick in das Reisegepäck unseres Helden und macht demgegenüber auf besonders interessante Gegenstände aufmerksam, die sich im jeweiligen Raum verstecken. Wer Items mit Objekten vor Ort kombinieren möchte, der muss „Benutzen“. Möchte man allerdings mit der Panflöte musizieren, muss diese „betätigt“ werden, was zunächst beinahe absurd erscheint. Wer jetzt befürchtet, das Rätseldesign bestünde einzig im Verständnis jener Verbensteuerung, der unterliegt glücklicherweise einem Irrtum. Ausgeklügelte Inventarrätsel garantieren einen beständigen Schwierigkeitsgrad, der selbst erfahrene Spieler einige Stunden beschäftigen sollte. Dazu trägt zudem die umfangreiche Spielwelt bei, die bereits zu Beginn in großen Teilen zur Erkundung zugänglich ist. Wenn darüber hinaus rund zwanzig Items angesammelt wurden und diese auch untereinander kombiniert werden können, muss zwangsläufig fleißig geknobelt werden. Unliebsame Eigenschaften eines antiquierten Gamedesigns wurden übrigens weitgehend ausgeräumt: Auf lästige Dead Ends wurde verzichtet, das Inventar ist unbegrenzt aufnahmefähig und selbst der Tod des Hauptcharakters wird kurz darauf wieder ungeschehen gemacht.


Diese freundlichen Genossen scheinen auf prominenten Vorbildern zu basieren.

Auflockernder Humor

Dass Heroes & Cowards nicht in eine zähe Märchenstunde ausufert, weiß der klassische Byteriders-Humor zu verhindern, welcher häufig von albernen Ideen geprägt ist. Dieser zeigt sich schon in den zahlreichen Beschreibungstexten, die den Spieler in das jeweilige Szenenbild einführen. Dabei werden auch mal Anekdoten auf The Secret of Monkey Island eingebettet und eine selbstironische Einbeziehung der Byteriders-Gründerväter sorgt für unterhaltsame Dialoge. Wer sich allzu viel geistreichen Spielwitz erhofft, wird unter Umständen enttäuscht werden. Die Essenz der gelungenen Komik haftet besonders den kleinen und großen Geschöpfen an, denen der Spieler auf seiner Reise begegnet. Wer sich etwa daran stört, dass sich ein Maulwurf mit Karotten beglücken lässt, dem wird später eine amüsante Auflösung dargeboten.


Der Friedhof vermag die morbide Abenteuerlust des Spielers zu wecken.

Fazit

Die 90er Jahre waren eine besondere Dekade - nicht zuletzt für Adventure-Freunde. Diese durften zum Beispiel dem Möchtegern-Ritter Eric The Unready dabei behilflich sein, Prinzessin Lorealle aus den Klauen einer böswilligen Hexe zu befreien. Außerdem konnten sie nahezu zeitgleich zugegen sein, als Simon The Sorcerer auf der Suche nach seinem Kontrahenten Sordid die märchenhafte Parallelwelt aufmischte. Aber bereits ein Jahr zuvor präsentierte die minder populäre Firma Avantgardistic Arts mit Soul Crystal ein ähnliches Ausgangsszenario und ließ den jungen Ausreißer Dave ebenso unverhofft in ein fantastisches wie irrwitziges Abenteuer abgleiten. Somit waren die Byteriders wohl kaum bestrebt, mit Heroes & Cowards ein allzu originelles Adventure abzuliefern, sondern bestenfalls an den Erfolg von The Yawn anzuknüpfen. Auch Out of Order Softworks hat vermutlich dazu beigetragen, das Spiel möglichst artgerecht zu "verwursten" und den Stil der Byteriders entsprechend zu adaptieren. Und dieses Vorhaben ist ihnen ganz wundervoll geglückt: Heroes & Cowards ist Hommage und Revival zugleich.

Galerie

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Meine Byteriders-Erfahrungen halten sich bislang zwar in Grenzen, aber dieses Spiel hat mich zweifelsfrei dazu bewogen, baldige Bekanntschaft mit ihren Klassikern zu schließen. Heroes & Cowards hat mich wunderbar unterhalten und die nostalgische Musikuntermalung brachte mich sofort in Stimmung.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • tolle, nostalgische Musikuntermalung
  • schöne Grafiken in Retro-Manier
  • anspruchsvolle Rätsel
  • klassischer Byterider-Humor
  • keine allzu tiefgründige Geschichte
  • zunächst gewöhnungsbedürftige Steuerung