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Test

von  BENDET
29.11.2011
Blackwell Deception
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Im November 2003 hat Dave Gilbert mit Bestowers of Eternity - Part One den Grundstein für die Blackwell-Reihe gelegt, welche 2006 mit The Blackwell Legacy eingeläutet wurde. Inzwischen ist mit Blackwell Deception das vierte Spiel der Reihe erschienen. Wir haben es für Euch getestet.

Ich sehe tote Menschen

Rosangela Blackwell ist ein Medium. Nein, keines von denen, welche esoterisches Zeug brabbeln. Sie veranstaltet keine Séancen zu meditativen Klängen und aufdringlichem Duft diverser Räucherstäbchen. Sie liest keine Zukunft aus der Kristallkugel, legt keine Karten und baut auch keine Verbindung zu verstorbenen Vorfahren oder Verwandten auf. Sie sieht einfach nur verlorene Geister, welche sich ihres Todes nicht bewusst sind und in der Welt der Lebenden fest hängen. Zusammen mit Joey Mallone, einem Geist, welcher nicht von Ihrer Seite weichen kann, muss Rosangela diese verlorenen Seelen auf ihren Weg ins Jenseits vorbereiten und ihnen beim Übergang dorthin behilflich sein. Blackwell Deception erzählt ein weiteres Abenteuer von Rosa und Joey, welches gleich mit einem typischen Abend für die beiden beginnt. Rosa, eine ehemalige Lokalreporterin und Autorin, welche nun als spirituelle Beraterin tätig ist, wird gebeten, merkwürdige Ereignisse auf einer Yacht zu untersuchen. Allabendlich legt diese Yacht aus unerklärlichen Gründen vom Pier ab und wird am nächsten Tag im Hudson River treibend aufgefunden. Gemäß der ihr auferlegten Bestimmung, mysteriösen Vorkommnissen nachzugehen und verlorenen Seelen den Übergang auf die nächste Ebene zu ermöglichen, und der in Aussicht gestellten finanziellen Entschädigung bei Lösung des Problems, finden sich Rosa und Joey auf besagter Yacht ein, um diese näher zu untersuchen.

Ich bin neu hier, kann mir jemand helfen?

Der folgende Spielabschnitt dient im Wesentlichen als Einführung, um den Spieler mit der Steuerung, dem Charakterwechsel und diversen Eigenheiten der Spielcharaktere vertraut zu machen. Alle erforderlichen Informationen zur Steuerung werden während dieses Spielabschnitts in Textfenstern eingeblendet und vermitteln die grundlegende Bedienung. So kann Joey als Geist nicht direkt Einfluss auf sein Umfeld nehmen, dafür kann er sehr wohl für einen leichten Luftstoß sorgen, durch verschlossene Türen gehen, beliebige Höhen überwinden und unbemerkt Informationen ausspähen. Rosa hingegen kann Gegenstände ihres Umfeldes manipulieren oder in ihr Inventar befördern. Verschlossene Räume bleiben ihr verwehrt, zumindest solange sie keine Lösung gefunden hat, die Barriere zu umgehen oder zu entfernen. Sie kann mit Menschen und Geistern gleichermaßen interagieren, auch wenn Sie keinen physischen Kontakt zu Geistern herstellen kann. Sie besitzt ein MyPhone, mit welchem sie ihre Notizen verwaltet, Kontakt zu Personen aufnehmen oder einfach eine Oogle-Suche zu einem Hinweis durchführen kann, um mehr zu erfahren. Wie auch in den vorherigen Spielen der Reihe kann Rosa durch die Kombination aus unterschiedlichen Notizen logische Schlüsse ziehen und so neue Erkenntnisse gewinnen oder Aussagen eines Nebencharakters widerlegen. Der erste Spielabschnitt gibt bereits einen guten Überblick über die Spielweise von Blackwell Deception. So werden die Rätsel gelöst, indem Informationen ermittelt, Gespräche geführt und schematische Zeichnungen betrachtet werden. Stellenweise sind auch zeitliche Abstimmungen der Aktionen erforderlich, lassen sich dann aber beliebig oft wiederholen und erfordern keine allzu hohe Geschicklichkeit. Klassischerweise ist auch das Sammeln und Kombinieren von Gegenständen erforderlich. Zusätzlich sind Notizen zu verknüpfen und die Umgebung aufmerksam zu betrachten, um schließlich die Geister ins Jenseits zu begleiten. So wird dann auch der Einführungsabschnitt gelöst und schon kann es mit der Geschichte losgehen.

Point & Click, aber mit Bedacht

Die Steuerung von Blackwell Deception ist intuitiv und einfach zugleich. Ein Rechtsklick auf einen Gegenstand oder eine Person lässt den aktiven Spielcharakter diese betrachten. Dabei bietet ein Wechsel des Spielcharakters über die Inventarleiste oder durch Betätigen von TAB oftmals die Möglichkeit, zu einem Gegenstand oder einer Person eine völlig andere Sichtweise zu erhalten. Ein Linksklick bewegt den Charakter zu der angeklickten Stelle oder löst eine Aktion aus. Für Gegenstände führt Rosa üblicherweise die am sinnvollsten erscheinende Aktion aus. Ein Lichtschalter wird umgelegt, eine Broschüre wird mitgenommen und mit Personen wird gesprochen. Bei Joey hingegen löst ein Linksklick meist eine der schnell bekannten Standardantworten aus, da er als Geist über recht wenig Interaktionspotential mit der physischen Welt verfügt. Hier wäre die standardmäßige Verwendung der ""Betrachten""-Aktion intuitiver und auf Dauer weniger nervig gewesen. Insbesondere ist der Luftstoß von Joey keine Aktion, die standardmäßig ausgeführt wird, wie es beispielsweise in The Blackwell Convergence der Fall war. Vielmehr ist diese Fähigkeit als Joeys Inventargegenstand verfügbar, der nun an den entsprechenden Stellen kombiniert werden muss. Mit einem Linksklick werden Inventargegenstände ausgewählt und kombiniert. Ist eine Kombination nicht möglich, bleibt der gewählte Gegenstand aktiv. Ein Rechtsklick bricht die aktuelle Auswahl ab. Auf Dauer nervig wirkt sich dabei aus, dass gleichzeitig zur Abwahl des Gegenstandes die Betrachten-Funktion ausgeführt wird, wenn man den Klick über einem anderen Hotspot ausführt. Ein weiteres Manko ist, dass eine durch einen Linksklick ausgelöste Aktion sich nicht abbrechen lässt. Klickt man also versehentlich auf eine Tür, so kann man den Raumwechsel weder durch einen Linksklick noch durch einen Rechtsklick verhindern. Zusätzlich zur Steuerung mit der Maus existieren mehrere Funktionstasten, die einen schnellen Zugriff auf das Speicher- und Lademenü sowie das sofortige Verlassen des Spiels ermöglichen. All diese Funktionen sind auch über die Inventarleiste erreichbar. So wechselt man den Spielcharakter durch einen Klick auf den entsprechenden Anfangsbuchstaben und öffnet durch einen Klick auf die Optionen-Schaltfläche das Optionsmenü. Gespräche mit Nebencharakteren werden ganz normal über die Auswahl von Themen im unteren Bildschirmbereich geführt. Die Auswahltexte benennen lediglich das Thema und unterscheiden sich dabei stark von dem, was der Charakter nach der Auswahl tatsächlich sagt. Zusätzlich sind die Formulierungen der Dialogoptionen an den Spieler gerichtet. Das erzeugt einige Verwirrung und führt dazu, dass sich der Spieler bei der Wahl einer Option einen anderen Gesprächsverlauf vorstellt, als dann tatsächlich eintritt. Wirklich entscheidend für den Spielverlauf sind die Dialoge allerdings nicht. Die vorhandenen Dialogrätsel lassen sich beliebig oft wiederholen, bis man schließlich den richtigen Optionspunkt gewählt hat.

Stimmen im Kopf

Die Sprachausgabe von Blackwell Deception ist sehr gelungen und stimmt mit der Textausgabe weitestgehend überein. Auch die Aussprache ist allzeit klar und verständlich, passt von der Intonation stets zur aktuellen Stimmungslage der Charaktere und fügt sich perfekt in die Gesprächssituation ein. Die Auswahl der Sprecher für die Rollen im Spiel ist mehr als gelungen. Darüber hinaus ist die musikalische Untermalung stets passend und erfreulich unaufdringlich. Hält sich die Hintergrundmusik an einigen Stellen dezent zurück, so gibt es ebenso Situationen, in welchen sie zur Erzeugung von Spannung besonders hervortritt. Ebenfalls gut umgesetzt sind die Hintergrundgeräusche, die ihren Teil zur Erzeugung der Atmosphäre beitragen.

Früher war alles besser

Grafisch wurden die Hintergründe wie auch in den anderen Teilen der Serie verpixelt und grobkörnig gehalten, wodurch der Spieler an den Charme der Adventures aus den 90er Jahren erinnert wird. Im Vergleich zu den vorherigen Spielen der Blackwell-Reihe fällt auf, dass die Hintergründe weicher und wärmer wirken. Dahingegen wirken sie jedoch auch aufgeräumter und weniger detailliert. Selbst das Zimmer einer Studentin, die als unordentlich und unzuverlässig beschrieben wird, wirkt erschreckend sauber und kein bisschen chaotisch, von ein paar Kleidungsstücken auf dem Boden abgesehen. Die Unterschiede in der Detaillierung fallen jedoch nur bei direktem Vergleich zu den vorhergehenden Spielen der Blackwell-Reihe auf und trüben den Gesamteindruck nicht im Geringsten. Wie die Hintergründe sind auch die Charaktere sehr pixelig und in geringer Detailstufe umgesetzt. Dadurch wirken die Spielfiguren grobschlächtig und vor den Hintergründen etwas deplatziert. Für Nostalgiker mag das akzeptabel sein, Hochauflösungsfanatiker hingegen werden an der dargebotenen Visualisierung kaum Gefallen finden.

Rätseljäger

Die Rätsel sind im Wesentlichen alle recht einfach gehalten und lösen sich nahezu von allein. Im Grunde beschränken sie sich auf die Kombination von Notizen, den einfachen Einsatz von Gegenständen, die Beschaffung von Informationen und die Verwendung dieser Informationen in Dialogen. Inventarkombinationsrätsel gibt es so gut wie nicht. Dafür gibt es Kombinationsrätsel, die aus Handlungsabfolgen von Joey und Rosa bestehen. So muss Joey beispielsweise eine Tür durchschreiten und Informationen einholen, bevor auch Rosa basierend auf diesen Informationen selbst in die Lage versetzt wird, diese Barriere zu überwinden. Sehr schön sind auch die wenigen Dialogrätsel ausgefallen, für welche man zumeist erst die erforderlichen Informationen sammeln muss, um schließlich durch dieses Wissen zu der entsprechenden Person durchzudringen. So ist zum Beispiel die Herkunft einer Person in Erfahrung zu bringen, um ihr Interesse zu wecken. Die Einfachheit der Rätsel sorgt dem entsprechend für einen beständig fortschreitenden Spielfluss, der wenige bis keine Frustrationsmomente erzeugt, gleichermaßen aber fortgeschrittene Spieler zu langweilen vermag. Die leichten Rätsel werden jedoch durch die interessante, in sich schlüssige Geschichte kompensiert - wenn man die Existenz von Geistern, Medien und übernatürlichen Kräften für dieses Spiel akzeptiert. Darüber hinaus sind die Charaktere liebevoll ausgestaltet und verhalten sich nachvollziehbar.

Fazit

Blackwell Deception ist handwerklich ein grundsolides Adventure im Retro-Stil, das mit seiner tollen Sprachausgabe, der passenden musikalischen Untermalung, seiner interessanten, stellenweise fesselnden Geschichte und den sauber ausgearbeiteten Charakteren zu begeistern vermag. Negativ hingegen fallen die kurze Spielzeit, die veraltete Grafik, die leichten Rätsel und kleinere Probleme mit der Steuerung auf. Auch die immer gleichen Kommentare von Joey machen sich abschlägig bemerkbar. Das Spiel ist über weite Strecken linear gehalten, bietet jedoch vorübergehend die Möglichkeit völlig frei zwischen zwei Handlungssträngen zu wechseln und diese in beliebiger Reihenfolge zu lösen. Trotz der ernsten Thematik, um welche sich die Geschichte dreht, kommt keine rechte Grusel- oder Schauderstimmung auf. Auch kann das Spiel überwiegend keine wirklich bedrückende Situation erzeugen und bricht so mit der Vorstellung von einer klassischen Geistergeschichte, was jedoch nicht die Freude am Spiel schmälert. Vermag Blackwell Deception doch die Frage nach Identität, Glückseligkeit und dem Sinn des Lebens erneut aufzuwerfen und auf seine eigene Art und Weise zu beantworten. Mit seinen vier bis fünf Stunden Spielzeit fällt das Spiel zwar recht kurz aus, für den Preis von fünfzehn Euro mag man das jedoch noch als annehmbar erachten.

Obwohl Blackwell Deception auf seinen Vorgängern aufbaut und diese fortführt, sind Vorkenntnisse für das Spielen dieser Geschichte nicht erforderlich, was auch Blackwell-Neulingen einen leichten Einstieg ermöglicht. Für diejenigen, welche die Reihe bereits kennen, dürfte Blackwell Deception eine gelungene Fortsetzung sein.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Mir hat Blackwell Deception sehr gut gefallen. Das Spiel ist durchdacht, schlüssig, spannend und berührend zugleich. Es vermochte mich gleichermaßen zum Lachen wie auch zum Nachdenken zu animieren und konnte mich so über die gesamte Spieldauer gut unterhalten. Die Retro-Optik war für mich noch das Sahnehäubchen, da sie den nostalgischen Charme der neunziger Jahre mit einer nachvollziehbaren Handlung verbunden hat. Die Charaktere schließlich wissen zu begeistern und haben mir so einen leichten Zugang ermöglicht.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • durchdachte, schlüssige Geschichte
  • zugängliche Charaktere
  • intuitive Bedienung
  • kurze Spielzeit
  • veraltete Grafik
  • leichte Rätsel
  • weitestgehend linearer Spielverlauf