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Test

von  Benjamin "Grappa11" Braun
29.05.2008
Goin' Downtown
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Mit der Fortsetzung der Adventure-Reihe um den Zauberlehrling Simon erlangten sie einen größeren Bekanntheitsgrad und schoben bereits wenige Monate später mit Everlight – Elfen an die Macht ein weiteres überaus kurzweiliges Grafikadventure nach. Nun, gerade einmal 15 Monate nach dem Release von Simon 4, stellt die Berliner Spieleschmiede Silver Style, zum zweiten Mal gemeinsam mit The Games Company, ihr drittes Point-and-Click-Abenteuer der Spielergemeinde zur Verfügung. Goin' Downtown heißt das Spiel, das in eine ganz andere Kerbe schlagen möchte und weniger mit Humor als vielmehr mit einer erwachsenen und spannenden Geschichte und tiefgründigen Charakteren überzeugen will. Ein besonderes Merkmal des Spiels ist die Optik, die den Begriff Comic-Adventure sozusagen beim Wort nimmt.

Ein frustrierter Held, eine tote Frau und jede Menge Fragen

New York im Jahre 2072: Polizist Jake McCorly kauert frustriert und antriebslos in seinem winzigen Apartment. Nur mit seiner täglichen Dosis Pillen kann er sich noch dazu aufraffen, überhaupt dem Bett zu entsteigen. Der Verlust seiner Lebensgefährtin Anie hat ihn schwer mitgenommen und ihm beinahe jeglichen Lebenswillen geraubt. Die Umstände ihres Todes erschütterten zudem seinen Glauben an das System. Seine Lebensfreude weicht immer mehr Sarkasmus und Galgenhumor. Einst war er ein guter Cop, einer der besten des NYPD. Seit dem tragischen Schicksalsschlag bekommt Jake jedoch auch in seinem Beruf kein Bein mehr auf den Boden. Immerhin ist er vom Alkohol losgekommen und schafft es auch an jenem Morgen, den Gang auf die Straße zu wagen.

Auf dem Gehweg vor dem riesigen Wohnblock, in dem Jake haust, bemerkt er eine junge, offenbar hilflose Frau und eilt ihr zur Hilfe. Die hübsche Dame ist am Ende mit ihren Kräften, weshalb er sie zur Erholung in seine Behausung bringt. Viel mehr als ihren Namen erfährt er nicht über die unbekannte Schönheit, bevor sie erschöpft auf seinem Bett einschläft. Auch Jake nickt kurze Zeit später ein. Als er die Augen öffnet, ist Rose verschwunden und das weit geöffnete Fenster verheißt nichts Gutes. Seine eifrige Kollegin Isabel ist bereits vor Ort und will den Fall als Selbstmord zu den Akten legen, worauf er sich wohl oder übel einlassen muss. Doch Jake scheint etwas faul an der Selbstmordtheorie zu sein und so beschließt er, auf eigene Faust zu ermitteln…

Ein Grafikstil der gefallen kann aber nicht muss

Goin' Downtown baut optisch auf ein Konzept, das sehr stark an Comicstrips erinnert und setzt dieses konsequent um. Die Hintergründe sind oft nur mit den nötigsten Elementen ausgefüllt und verlieren in den Randbereichen oft deutlich an Detailreichtum. Das ist aber zweifelsfrei für diese spezielle Visualisierung gewollt. Die Anzahl der pro Szene dargestellten Charaktere ist niedrig. Diese sind meist interaktiv und leisten einen Beitrag zur Story bzw. zum Hintergrund der Spielwelt, wenngleich dieser oft nicht allzu üppig ausfällt. Alle übrigen Figuren werden lediglich als untexturierte 3D-Charaktere dargestellt, um so deren Rolle als Statisten ganz im Comicstil zum Ausdruck zu bringen.

Mit Hintergrundanimationen wird insgesamt eher sparsam umgegangen. In manchen Szenen gibt es zwar gleich mehrere animierte Bildteile, zum Beispiel aufsteigender Rauch von einem Fahrzeugwrack im Rotlichtbezirk, Wasserdampf an einer Kaffeemaschine oder aus dem Kanal, vorbeihuschende Rücklichter von Fahrzeugen auf einer Schnellstraße, in anderen sucht man sie vergebens. Besonders aufwändig oder spektakulär sind diese aber ohnehin nie. Auf einen großflächig animierten Himmel oder ähnliches trifft man jedenfalls nicht. Insgesamt wirken die Hintergründe eher statisch und leblos. Die Charaktere selbst sind ordentlich animiert, wobei Gestik und Mimik im Spiel selbst eher mäßig eingesetzt werden, was sich teilweise aber auch hier durch den Comicstrip-Look erklären lässt.

In den vielen - mit zahlreichen Close-Ups ausgestatteten jedoch überwiegende kurzen - Zwischensequenzen, die ausschließlich in Spielgrafik vorhanden sind, wirken die Gesichtsanimationen etwas aufwändiger, sorgen aber auch hier selten für Begeisterungssprünge. Zudem fehlen dem Spiel längere, gut inszenierte Cutscenes und solche die Jake etwa auf seinem Bike zeigen, wenn er durch die Straßen New Yorks zu einem anderen Schauplatz brettert. Beides hätte der Atmosphäre des Spiels sicherlich gut getan.

Sehr gelungen sind aber die Licht- und Schatteneffekte im Spiel. Die grauen Schleier, die Jake und die anderen Charaktere hinter sich herziehen, sehen jedenfalls sehr gut aus und tragen in erheblichem Maße dazu bei, dass sich die Cel-Shading-Figuren gut in die Hintergründe einfügen. Schön ist auch der Unterschied der einzelnen Locations bei Tag und Nacht, ein Wechsel den man teils selbst herbeiführen kann, da er oft relevant zum Vorankommen im Spielverlauf ist. Untertitel kann man im Spiel komplett ausschalten, als normalen Text einblenden oder in Form von Sprech- bzw. Gedankenblasen anzeigen lassen. Letzteres ist ganz klar zu empfehlen, da dies nicht nur dem Grafikstil am angemessensten erscheint, sondern dadurch auch die spezielle Optik atmosphärische Vorteile entwickelt.

Alles in allem ist Goin' Downtown mal etwas Neues in optischer Hinsicht, wenn auch nichts, was einen zwingend vom Hocker hauen muss. Entweder man weiß den Stil zu schätzen, und erkennt dessen Vorzüge, oder lehnt ihn ab, und wird visuell dezent enttäuscht sein.

Ohren auf

Unabhängig davon, ob einem die visuelle Gestaltung zusagt oder nicht, kann man im Soundbereich recht eindeutig werten. Der Stil der Musik ist zwar futuristisch angehaucht, was zum Szenario grundsätzlich passen würde, sie wirkt aber billig produziert und meist ausdrucksschwach. Im Spiel fällt sie meist aber ohnehin unter den Tisch, da man durch die geringen spielerischen Hürden fast dauerhaft beschäftigt ist oder die Musik gerade von Dialogen überlagert wird. Schaltete man die Musik aus, würde ihr Fehlen jedenfalls nicht auffallen. Die Soundeffekte sind in Ordnung, geraten aber ebenfalls zur Nebensächlichkeit. Das liegt genauso wie bei der Musik vor allem an der exzellenten Sprachausgabe von Goin' Downtown. Die Sprecherwahl ist hervorragend und es fällt deutlich auf, dass man die Dialogregie nicht an jemanden abgetreten hat, der nichts von Spiel und Charakteren wusste.

Ich brauche mehr Details

Etwas gedrückt wird der Hörgenuss nur von der Tatsache, dass die Dialoge inhaltlich der klanglichen Qualität nicht das Wasser reichen können. Zu oft werden da hohle Phrasen gedroschen und belanglose Nebensächlichkeiten behandelt, anstatt sich mit Dingen zu beschäftigen, die den Spieler viel eher interessieren könnten - etwa umfangreichere Informationen zum politischen System, in dem Jake lebt, Details zur Vergangenheit der Charaktere und deren gemeinsamer Geschichte oder auch nur die eine oder andere Bemerkung, die die Motive Jakes oder einer der anderen Spielfiguren für ihre Handlungen bzw. ihren Wandel im Spiel näher beleuchten. Hier wird nämlich nicht Raum für Interpretationen gegeben, es werden dem Spieler Informationen vorenthalten, die Handlung und Charaktere nachvollziehbarer und letztlich glaubwürdiger erscheinen ließen, als es in Goin' Downtown zu oft der Fall ist.

Zwar ist der Versuch, ein ernsthaftes, spannendes und unterhaltsames Adventure zu produzieren, keinesfalls auf ganzer Linie gescheitert, der Ausarbeitung von Story, Charakteren und Dialogen hätte man aber deutlich mehr Aufmerksamkeit widmen können und müssen, um Lücken in Story und Charakterzeichnung zu stopfen. Hätte man dies getan, wären die Qualitätseinbußen in diesem recht zentralen Bereich weniger deutlich ausgefallen. In der erzählerischen Liga von Spielen wie Overclocked wollte Goin' Downtown zwar sicherlich nicht mitspielen, dass es so auch dem eigenen Anspruch, ein 'packender Science-Fiction-Psychothriller' zu sein, nicht wirklich gerecht wird, ist aber sehr schade und auch ein Stück weit enttäuschend. Einen tief bitteren Nachgeschmack hinterlässt das Spiel dennoch nicht, was der Titel auch manchen seiner spielerischen Aspekte verdankt.

Vom Start ins Ziel in unter fünf Stunden

Besonders anspruchsvolle Rätsel sucht man im New York der Zukunft zwar vergebens, dafür sind die Aufgaben stets nachvollziehbar, meist logisch und bieten auch genügend Abwechslung. Zum geringen Schwierigkeitsgrad trägt auch die eher geringe Hotspotdichte bei. Es gibt zwar auch einzelne Schauplätze, wie zum Beispiel die Wohnung von Jake, in der diese höher ist, meist sind aber nur für das Spiel relevante Objekte anklickbar. Aufnehmbare Objekte können beim ersten Besuch der Szene eingesammelt werden, auch wenn sie erst wesentlich später im Spiel von Nöten sind.

Schön sind auch die Dialogrätsel, denen man im Spiel begegnet. Um mit dem gewünschten Gesprächspartner verbunden zu werden muss man zum Beispiel erst mehrere andere Gesprächspartner überzeugen, dass der Anruf weitergeleitet werden muss. Die korrekten Sprechzeilen auszuwählen, muss hier zwar mehr ausgetestet werden, als dass sie sich logisch erschließen lassen, Anrufversuche hat man aber unbegrenzt. Außerdem wird zur Frustvorbeugung ein Zwischenerfolg, also in diesem Fall, dass man die erste Gesprächspartnerin bereits überzeugt hatte, festgehalten und man beginnt bei jedem neuen Anruf direkt beim nächsten Abschnitt und nicht wieder ganz von Beginn an.

Eine ähnliche Funktionsweise hat man bei den minispielartigen Einlagen eingebaut. Kritisch anmerken könnte man hier, dass diese Möglichkeit nicht ganz zu einem ernsthaften Adventure passt und eine andere Lösung die Atmosphäre weniger befleckt hätte. Andererseits handelt es sich schließlich immer noch um ein Spiel, weshalb man dies Goin' Downtown auch nicht ernsthaft nachtragen kann.

Der spielerisch wichtige Tag-/Nachtwechsel muss häufiger vollzogen werden. In Einzelfällen erzwingt das Spiel diesen automatisch oder lässt ihn umgekehrt nicht zu, sofern die Aufgabe eine hohe Dringlichkeit aufweist. Meistens kann der Spieler die Tageszeit per Klick eigenständig herbeiführen. Tagsüber hält sich auf dem Polizeirevier lediglich Jakes Vorgesetzter Edward auf, während des Nachts seine Kollegin Isabel Dienst schiebt. Um also etwa mit einem der beiden reden zu können, muss auch die Tageszeit bedacht werden. Die Idee an sich weiß zu gefallen, die Umsetzung aber weniger. Würde Jake jedes Mal verlangen in seine Wohnung zurückzukehren um bis zur gewünschten Tageszeit zu schlafen, könnte das natürlich schnell nerven.

Da ist die Art wie es hier vonstatten geht sicher komfortabler. Ob es aber nicht vielleicht eine ähnlich komfortable, dafür aber realistischere und damit atmosphärisch günstigere Variante gegeben hätte, als mitten im Raum stehend einfach per Knopfdruck die Tageszeit zu ändern, ist zumindest vorstellbar. Auch in diesem Punkt handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Fehler, aber um eine der vielen Kleinigkeiten, bei denen man den Eindruck gewinnt, dass eine gute Idee nicht zu Ende gedacht wurde.

Nennen kann man hier auch den Simulator, den Jake im letzten Spieldrittel nutzen muss. Mit dessen Hilfe kann man Ereignissen, die in der Vergangenheit liegen, beiwohnen. Dabei besucht man einzelne der bereits bekannten Schauplätze in einer dritten optischen Variante. Die Zeit, die man im Simulator verbringt, ist relativ kurz, da sich die Spielaufgaben lediglich auf ein paar wenige, leichte Rätsel beschränken. Diese führen zwar letztlich auch zur Aufklärung des Falls, spielen aber größtenteils storymäßig keine Rolle. Zudem stolpert man am Ende eher über des Rätsels Lösung, als dass man sich selbst bzw. Jake dies irgendwie als Leistung anrechnen könnte.

Überraschend ist auch der insgesamt eher geringe Umfang des Spiels. Sowohl die Anzahl der Schauplätze ist nicht sonderlich groß, vor allem aber sollten zumindest erfahrene Spieler, auch wenn sie keine Dialoge abbrechen, ohne Probleme in etwa 5 Stunden die Credits über den Bildschirm laufen sehen. Das Spiel bietet zusätzlich eine Rätselhilfe an, die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen Jakes entsprechen. Hier werden die Spielaufgaben festgehalten, die gerade aktuell sind oder bereits hinter einem liegen. Wer nicht nur den Faden verloren hatte, sondern Hilfe bei Rätseln benötigt, kann in drei Stufen den Rest der unvollständigen Aufzeichnungen freilegen, wobei die dritte Stufe einer vollständigen Rätsellösung gleichkommt. Aber auch ohne diese Funktion dürfte für die meisten Spieler bereits nach dem ersten ausgiebigen Spieleabend alles vorbei sein. Es gibt zwar an manchen Stellen unterschiedliche Dialogverläufe, so dass man also beim zweiten oder dritten Durchgang ein etwas anderes Gespräch führt als noch beim ersten Durchlauf, einen Einfluss auf den grundsätzlichen Fortgang der Geschichte hat das aber offenbar nicht, weshalb der Wiederspielwert nicht nennenswert höher ausfällt, als bei jedem anderen Genrevertreter auch.

Fazit

Goin' Downtown ist ein ordentliches Adventure geworden, an dem Genre-Fans durchaus ihren Spaß haben können, sofern einem die optische Gestaltung nicht vollkommen zuwider ist. Genauso weit wie es davon entfernt ist, ein schlechtes Adventure zu sein, ist es aber auch davon weg, zu den besseren Vertretern des Genres zu zählen. Ein Spiel, das man bedenkenlos jedem Adventure-Fan der Nachschub braucht empfehlen kann, das aber sicherlich keine Pflichtübung ist.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Mir hat Goin Downtown insgesamt gut gefallen. Rätseltechnisch hätte es sicherlich etwas anspruchsvoller sein dürfen, dafür sind die Aufgaben aber abwechslungsreich und vielfältig. Was mir nicht gefallen hat, sind die deutlichen Schwächen bei Story und Charakteren. Zu oft werden da Dinge präsentiert oder angedeutet, die absolut nicht zusammenpassen, und die wohl auch deshalb bis zum Schluss nicht glaubwürdig bzw. in einem ausreichenden Maße schlüssig miteinander verknüpft werden. So ist Goin Downtown „nur“ ein Adventure im oberen Mittelfeld.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Hübsche Comicstrip-Optik
  • Hervorragende Sprachausgabe
  • Komfortable Steuerung
  • Abwechslungsreiche Rätsel...
  • ...die etwas anspruchsvoller sein könnten
  • Mängel in Story- und Charakterdesign
  • Insgesamt mäßiger Sound
  • Kurze Spielzeit