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Test

von  Sebastian 'basti007' Grünwald
08.01.2007
Atlantis V
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Du kannst einpacken: Ich verkauf jetzt die Lederjacken!

„Oh sicher! Geben Sie mir Filzhut und Peitsche und ich verwandele mich in einen Kinostar und löse das Problem im Nu!“ Dieser kecke Satz des Hauptdarstellers Howard Brooks ist bei leibe nicht die einzige Anspielung auf den Urvater aller Archäologie-Adventures. „The Secrets of Atlantis: Das heilige Vermächtnis“ verlässt die Wurzeln seiner mythisch angehauchten Vorgänger und bietet ein vollständig neues, eigenständiges Spiel, das tatsächlich als B-Movie-Verschnitt von Indiana Jones durchgehen könnte. B-Movie deswegen, weil erstens die Charaktere und die Geschichte bei weitem nicht die Tiefe besitzen, die man von einem professionellen Titel erwarten würde und zweitens alles irgendwie schon einmal da war: Das Geheimnis von Atlantis, Zeppeline, Landkartenflüge, Bösewichte, die einem immer einen Schritt voraus sind und Amulette, die geheimnisvolle Tempeltüren öffnen. Der fünfte Teil der Atlantis-Reihe bietet alles, was das Abenteurerherz an Klischees verlangt, gewinnt dem Genre aber nichts Neues ab.

Der Zeppelin, der Zeppelin, der ist plötzlich total hin!

Aber was altbewährt ist muss ja nicht unbedingt schlecht sein. Und da das Reisen in Zeppelinen auch heute noch zahlreichen Leuten unter den Nägeln brennen würde, verwundert es nicht weiter, dass ein Großteil des Spiels im Inneren der Hindenburg spielt. Die Spielpackung wirbt sogar ganz konkret mit der „Chance, die Welt in einem Zeppelin zu bereisen“. Besagter Hauptdarsteller Brooks ist Ingenieur und war an der Erschaffung des Kolosses selbst beteiligt. Kaum genießt er noch seine eigene Schöpfung bei einem Flug über den Atlantik, da ist auch schon Schluss mit lustig: Die Hindenburg wird sabotiert und er selbst zu allem Überfluss noch niedergeschlagen. Nach etwas Recherche stellt sich heraus, dass die Verbrecher hinter seinem alten Amulett her waren, welches angeblich den Zugang zum verschollenen Kontinent ermöglichen solle. Ein mindestens ebenso mysteriöser Gönner beauftragt Brooks schließlich, dem Bösewicht hinterherzureisen um als erster hinter das Geheimnis zu kommen – ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, bei dem natürlich auch eine schöne Frau und der ein oder andere verlogene Begleiter nicht fehlen darf.

Grafik von famosen Franzosen

Man kann von französischen Adventures sagen was man will: Grafisch sind sie fast alle top. Seien es nun die aktuellen Ego-Adventures der Kheops Studios („Rückkehr zur geheimnisvollen Insel“, „Safecracker“), die schon etwas betagten Spiele von Arxel Tribe („Faust“) oder die Adventureklassiker der ehemaligen Cryo-Gruppe („Salammbo“, „Ring des Nibelungen“) – bei vielen wurde kritisiert, dass die Franzosen ihre Renderfarmen mehr betreuten als das eigentliche Gameplay.

„The Secrets of Atlantis“ ist hier keine Ausnahme: Gerendert wird viel und detailverliebt. Allerdings schwankt die Qualität der Grafiken je nach Ort: Während im Empire State Building die Szenerie durch Animationen von vorbeifahrenden Autos und geschäftigem Treiben auf den Gängen belebt wird, endet das Spiel gegen Ende in einer tristen Berglandschaft mit fast nur statischen Bildern. Zweifelos am besten gestaltet ist der Spielabschnitt in Indien. Hier versüßt eine verkitschte Wasserfall- und Pavillion-Landschaft das Adventureherz, die fast schon die Qualität eines Mystspiels erreicht. Apropos: Wirkliche Maschinenrätsel gibt es in dem Spiel kaum – zwar muss man hin und wieder ein paar Rädchen drehen – wirklich komplex wird es dabei aber nie.

Gespräche werden in Atlantis 5 nun nicht mehr wie in den Vorgängern durch einzelne Close-Up-Animationen dargestellt: Klickt man auf eine Spielfigur so wendet sie sich dem Spieler zu und erwartet eine Auswahl aus dem aufgeklappten Multiple-Choice-Menü. Zwar sind auch die Antworten dann (wie nahezu alles im Spiel) vorgerendert, jedoch ändert sich die Perspektive nun nicht mehr – ähnlich wie in den klassischen 2D Point´n-Click-Adventures. Erfreulicherweise wird Howard Brooks beim Sprechen auch selbst in einem kleinen Fenster eingeblendet. Die Dialoge laufen relativ lippensynchron ab und bieten ein ausreichendes Set an verschiedenen Gestiken und Mimiken. Nur bei den größeren Zwischensequenzen versagt die Synchronität hin und wieder – oder es wird einfach das Gegenüber beim Zuhören eingeblendet. Besitzer von Breitbildschirmen können sich zusätzlich freuen: „The Secrets of Atlantis“ bietet einen Breitbild-Modus an, so dass die Grafik ohne Verzerrung wahrgenommen werden kann. Insgesamt hinterlässt die Grafik damit einen sehr guten Eindruck – vor allen Dingen was den Abwechslungsreichtum zwischen den einzelnen Locations angeht. Jeder neue Ort hat seinen ganz eigenen Charme und Stimmung.

Wie lieb: So viel Musik!

Neben der Grafik spielt Altantis 5 auch auditiv wieder in der ersten Riege mit. Während viele aktuelle Adventures der Musik eher wenig Beachtung schenken, bietet Atlantis einen vollwertigen Soundtrack. Der fällt zwar mit gut 15 Themen nicht ganz so umfangreich aus, passt aber mit seiner epischen Breite sehr gut zum filmischen Stil des Spiels und wird trotz Schleife selten wirklich nervig. Wer trotzdem auf den Hörgenuss verzichten will, kann Musik-, Effekt- und Sprachlautstärke separat regeln.

Wo wir schon beim Thema Lokalisation wären: Die deutsche Sprachausgabe ist durchwachsen. Die Qualität der Sprecher reicht von „sehr atmosphärisch“ bis zu „Um Gottes Willen!“. Da alle wichtigen Spielfiguren ganz brauchbar einsynchronisiert wurden, fallen die wenigen „Aussetzer“ nicht allzu stark ins Gewicht und trüben den Gesamteindruck nur ein klein wenig. Außerdem passen die unterdurchschnittlichen Sprecher ja eigentlich ganz gut zum B-Movie Flair des Spiels.

Der Rundumblick, der ist schick!

Auch technisch lässt sich an Atlantis 5 nicht viel aussetzen. Die Engine lief im Test stabil und ohne Abstürze. Jede Location besteht aus mehreren 360°-Ansichten, durch die man sich mit einem einfachen Linksklick vorwärts bewegen kann. Wer bereits die Vorgänger gespielt hat, kommt sofort zurecht. Die Maussteuerung lässt sich bei Bedarf invertieren, die Empfindlichkeit kann man jedoch nicht einstellen - unter umständen ist dann für Neulinge ein bisschen Einarbeitung notwendig, um nicht gleich im Schleudergang durch die Hindenburg zu rotieren. Dafür gibt es Punktabzug. Ein Rechtsklick öffnet das Inventar, mit Escape gelangt man jederzeit zurück ins Menü. Zur Speicherung liegen 10 Spielstände bereit. Auf Programmiererseite lässt sich also sonst nicht viel bemängeln.

Was nicht so gefiel: Schnitzer im Spiel

Was „The Secrets of Atlantis“ wirklich von einem A-Produkt unterscheidet sind viele kleine Schnitzer im Gameplay: Die detailverliebte Grafik lädt zum Klicken auf zahlreiche herumliegende Gegenstände ein – wirkliche Hotspots haben dann aber nur ein paar wenige Ausgewählte. Pixelsuche ist also angesagt! Das Ganze weitet sich dann schließlich auf völlig sinnentleerte Rätsel aus. Beispiel? Um einen Hotelpagen von einer Aufzugstüre wegzulocken muss ein Mülleimer mit Papier an einer ganz bestimmten Stelle angezündet werden. Unserem gewieften Brooks fällt es aber nicht im Traum ein, einfach einen der vielen herumstehenden Mülleimer mitzunehmen. Stattdessen muss ein leerer Mülleimer besorgt werden, nur damit dieser dann mit dem Papier aus den ja bereits herumstehenden Mülleimern gefüllt werden kann. Dass es mit den Minispielen aber auch anders gehen kann zeigt eine Episode, in der Brooks seine Gegner beim Pokern ausspielen muss. Freunde der Spielvariante „Texas Hold'em“ werden bei dem fast immer gleich ablaufenden Spielen keine Herausforderung mehr sehen – aber immerhin passt die Einlage sehr gut in die Story und das Setting.

Aber auch ansonsten gibt es immer wieder Lücken im Rätseldesign. In der Hindenburg muss man eine Scheibe einschlagen um an einen Hammer zu kommen. Nur ist die Scheibe des kleinen Notfallkastens natürlich so fest, dass man sie mit der Hand nicht eindrücken kann. Die sinnige Vorrichtung kann dann nur mit einem Aschenbecher zertrümmert werden. Veteranen werden sich vielleicht an die Belustigung in „Zork – Der Großinquisitor“ erinnert fühlen. Wieder in einer anderen Szene soll ein Bienenstock geplündert werden. Zu diesem Zweck muss man mit den Bienen und einem Rauchapparat ein othello-artiges Minispiel spielen. Hat man gewonnen verschwinden die Insekten grundlos.

Spiel mit Ecken und Kanten, aber keinen wirklich Relevanten

Gott sei Dank fallen diese kleinen Logiklücken durch die sehr einfache Steuerung nicht allzu sehr auf. Ein Zahnrad markiert sofort Objekte, mit denen Gegenstände kombiniert werden müssen - im Zweifelsfall reicht einfaches Probieren des Inventars. Etwas unangenehmer ist da die relativ strenge Linearität des Spiels – viele Gegenstände werden erst anklick- oder benutzbar, wenn man eine konkrete Aufforderung dazu hat. Beispiel: Ein wichtiger Hebel im Zeppelin kann erst umgelegt werden, wenn uns eine bestimmte Person dazu auffordert – und das, obwohl dem Spiel das eigentlich längst klar sein sollte. Auch mit der Rechtschreibung scheinen es die französischen Grafiker nicht so zu haben. Da erscheint schon mal ein Name auf einem Namensschild in falscher Orthographie und in der Hindenburg werden wir über die aktuelle Uhrzeit in „Franckfurt“ informiert.

Solche Fehler treten beileibe nicht immer auf. Aber eben hin und wieder – und das drückt leider das Gesamtbild. Ansonsten ist Atlantis 5 was Rätseldichte und –schwierigkeit betrifft gut ausbalanciert. Die nervigen Geschicklichkeitseinlagen aus Teil 4 gehören der Vergangenheit an und da das recht lineare Spielprinzip meist nur aus Aufgaben wie „Finde Gegenstand X“ oder „Spreche mit Person Y“ und eben ein paar Minispielen besteht, hängen erfahrene Spieler selten länger als 15 Minuten an einer Stelle fest. Das macht sich leider auch in einer sehr kurzen Spielzeit von etwa sieben Stunden bemerkbar, in denen man –so viel sei verraten- den sagenumwobenen Kontinent nicht mal zu Gesicht bekommt.

Kann man sich mit all den Einschränkungen anfreunden, macht der neue Atlantis-Teil aber eine Menge Spaß: Schöne Präsentation, einfaches Interface, zuverlässige Programmierung und eine spannende Story können durchaus an den Bildschirm fesseln. Hätten die Entwickler noch ein paar Wochen mehr Zeit in das Ausmerzen der kleinen Fehler und das Polieren des etwas mickrigen Finales gesteckt, wäre eine 80er-Wertung drin gewesen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

„The Secrets of Atlantis: Das heilige Vermächtnis“ ist mehr B- als A-Movie, mehr Quatermain als Indy. Das macht sich sowohl in der Geschichte als auch in den vielen Schnitzern bemerkbar. Trotzdem merkt man den Machern an, dass sie mit viel Liebe an dem Produkt gearbeitet haben, und das ist letztendlich das, was einen guten von einem schlechten B-Movie unterscheidet. Die etwas billige Sprachausgabe, die Fehler im Rätseldesign, das klischeehafte Verhalten der Charaktere – über all das kann ich hinwegsehen, wenn ich dafür hin und wieder mal mit einer schönen Zwischensequenz oder einem flotten Spruch belohnt werde. Entwickler Atlantis Interactive hat seit dem Vorgänger viel dazugelernt und die meisten Fehler ausgebügelt. Wenn jetzt noch die letzten Gameplay-Hürden beseitigt werden, könnte uns mit dem nächsten Teil ein absoluter Knaller ins Haus stehen. Freunde von Indy, die sich über eine kurze Spielzeit nicht beschweren, können durchaus zugreifen, alle anderen verschaffen sich mit der Demoversion einen guten Einblick in das neue Adventure der Franzosen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • gute Präsentation
  • epischer Soundtrack
  • einfaches Interface
  • sichere Engine
  • Rätsel teils unlogisch
  • kurze Spieldauer
  • flache Story
  • Mausempfindlichkeit recht hoch
  • durchschnittliche Lokalisation