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Test

von  Hans Frank
14.12.2005
Verliebt in Berlin
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Ankündigungen neuer Adventures werden von der Spielergemeinde immer positiv und in freudiger Erwartung aufgenommen. Anders bei "Verliebt in Berlin". Als Ableger einer Fernsehserie, die bei der Adventure-Zielgruppe nicht gerade hoch im Kurs zu stehen scheint, waren Kommentare wie "Für richtige Adventure-Fans kann sowas doch eigentlich nur eine Enttäuschung werden (...)" oder "billige Marketingkampagne um den Fans der Serie ein bisschen Geld aus der Tasche zu ziehen" keine Seltenheit. Spätestens mit der Ankündigung, dass die Entwicklung von Radon Labs (Project Nomads, Urban Assault) und das Spielkonzept/die Handlung von House of Tales (The Moment of Silence) übernommen wird, wurden die Meinungen etwas objektiver. Trotzdem bleibt "Verliebt in Berlin" ein Adventure, das besonders kritisch beäugt wird.

Seifenoper

Lisa Plenske, Protagonistin von "Verliebt in Berlin", ist gerade von ihrem ersten Urlaub zurückgekehrt. Sie arbeitet bei Kerima Moda, einer fiktiven Berliner Modefirma, und ist dort als persönliche Assistentin von David Seidel, einem Vorstandsmitglied, tätig. Im Moment plant sie gerade eine Modenschau, die die Ergebnisse eines Joint Ventures mit der Modefirma RagDeLuxe präsentieren soll. Enttäuscht muss sie feststellen, dass während ihrer Abwesenheit niemand am Projekt weitergearbeitet hat. Sie wurde sogar sabotiert. So fehlen ihre Aufgabenliste sowie ihr Terminplaner. Doch Lisa lässt sich nicht entmutigen. Wird sie es schaffen, die Vorbereitungen für die Modenschau rechtzeitig abzuschließen und so den Weg zum Erfolg zu ebnen?

In der Höhle des Löwen

Der Spieler steuert die 22-jährige Lisa Plenske (in der TV-Serie verkörpert durch Alexandra Neldel), die betont unsicher und trampelig Berlin erkundet. Sie wohnt noch bei ihren Eltern in Göberitz, Kerima Moda ist ihr erster Arbeitgeber. Ganz im Gegensatz zur Orientierung ihres Arbeitgebers fehlt Lisa jedoch jeglicher Geschmack bei der Auswahl ihres Outfits. Sie findet sich außerdem zu dick und hässlich, kurz: ihr fehlt Selbstbewusstsein und sie befindet sich trotz ihres Alters noch mitten in der Pubertät.

So versucht Lisa, die Tücken des Büroalltags zu meistern. Nebenbei muss sie noch mit ihrem Vorgesetzten David Seidel zurechtkommen. Dieser ist zwar recht sympathisch, Lisa hat sich aber in ihn verliebt. In ihren allabendlichen Tagebucheinträgen bringt sie zum Ausdruck, wie schwer ihr der Umgang mit dieser Situation fällt.

Wer die zugehörige Sat.1-Serie kennt merkt schon, dass sich das Spiel stark an deren Handlungsverlauf orientiert. Die Geschichte ist zeitlich am Anfang der Serie angesiedelt. Die Schauplätze sind auf Kerima Moda, einen Kiosk, die Tiki-Bar und Lisas Elternhaus begrenzt.

Grafik

Der grafischen Umsetzung des Spiels merkt man den Zeitdruck, unter dem die Entwickler gestanden haben müssen, deutlich an. Die Hintergründe sind teils 2D vorgerendert, teils in Echtzeit-3D dargestellt und haben eine Auflösung von 1024x768 Bildpunkten. Sie sind den Schauplätzen der Serie originalgetreu nachgebildet, wirken aber teilweise unfertig oder steril. Oft wurden Fotografien verwendet, die sich zwar manchmal vom restlichen Hintergrund abheben, insgesamt aber ordentlich eingebunden wurden. Jeder Fan der Serie wird die Schauplätze sofort wiedererkennen.

Alle Charaktere wurden als 3D-Modell implementiert. Allerdings sieht man jedem einzelnen deutlich an, wie an Polygonen gespart wurde. Selbst Protagonistin Lisa ist eckig und kantig, bei manch anderem muss man schon zwei Mal hinsehen, um eine Verbindung zum realen Schauspieler herzustellen. Die Animationen wirken leicht hölzern, außerdem scheint Lisa über dem Boden zu "schweben".

Sonstige Animationen sind kaum vorhanden, fast alle Hintergründe bleiben starr. Wenn ein Charakter einen Raum betritt, erscheint und verschwindet er einfach, ohne die Tür zu bedienen. Gerade beim Betreten von Büros wirkt das recht ungewöhnlich. Es fällt außerdem auf, dass keiner der Charaktere sitzen kann.

Auch auf ein Intro und Zwischensequenzen wurde verzichtet. So findet keine richtige Einführung in die Geschichte statt. Der Spieler sollte also wenigstens oberflächlich die Handlung der TV-Serie kennen.

Jeder Wechsel der Kameraposition wird durch einen kurz auftauchenden Ladebildschirm unterbrochen. Ob das bei der Qualität der Hintergründe wirklich nötig gewesen wäre, ist fraglich.

Sound und Musik

Geräusche sind nicht viele vorhanden. Die vorhandenen stammen offensichtlich aus einer Datenbank voller Standardgeräusche, die oft so gar nicht zur jeweiligen Situation oder Handlung passen wollen. Die gesamte Soundkulisse ist sehr trist und steril, nicht einmal Schritte oder Ähnliches sind zu hören.

Dasselbe Verhalten setzt sich bei der Musikuntermalung fort. Nur Tiki-Bar und das Menü sind mit eher minimalistischer Musik hinterlegt. An allen anderen Lokalitäten bleibt es still. Auch der Titelsong "Liebe ist" von Nena hat es nicht ins Spiel geschafft.

Dafür ist die Synchronisation dtp-üblich sehr gut ausgefallen. Alle Charaktere wurden von den Originalschauspielern vertont. Die Sprachausgabe ist meist passend, die Betonungen und Stimmungen liegen richtig. Hier wurde ganze Arbeit geleistet.

Rätsel

In diesem Punkt bleibt "Verliebt in Berlin" ganz klassisch. Die Rätsel beschränken sich zu weiten Teilen auf das Kombinieren von Gegenständen. Der Schwierigkeitsgrad wurde hier sehr niedrig angesetzt. Die Rätsel bleiben aber meist logisch und klar strukturiert. Negativ fällt auf, dass man manche Vorgänge immer wieder wiederholen muss. Lisa kommt im Verlauf des Spiels in eine Situation, wo sie Stoffe zurechtschneiden soll. Hat man einmal herausgefunden, wie das funktioniert, muss man den Vorgang trotzdem für einige weitere Stoffarten wiederholen.

Weniger vertreten sind Logik- und Schalterrätsel, wobei diese zum Teil noch recht anspruchsvoll werden.

Unterstützt wird Lisa noch von ihrem Terminplaner. Darin stehen immer die aktuellen Aufgaben, schon erledigte werden durchgestrichen.

Dialoge werden im Multiple-Choice-Verfahren geführt. Meist muss man sich aber nur durch alle Antworten klicken. Bei wenigen Dialogen entscheidet der Verlauf eines Gesprächs jedoch über den weiteren Spielverlauf oder zumindest über ein Rätsel. Hier weicht das Spiel also sogar von der Linearität ab. Leider kann man auch Gespräche anfangen, obwohl es nichts mehr zu sagen gibt. Das Gespräch wirkt dann sehr gekünstelt. Ein Phänomen, dass man bei neueren Adventures nicht mehr so oft beobachtet wie noch vor einigen Jahren. Außerdem passen die Untertitel oft nicht mit dem tatsächlich gesprochenen Wort zusammen. Bei einigen Situationen fällt auf, dass ein Gespräch wohl erst als Telefonat geplant war, dann aber doch als persönliches Gespräch umgesetzt wurde. In solchen Situationen sagt Lisa zum Beispiel zu ihrem Vorgesetzten "Hallo, ich bin es, Lisa Plenske", obwohl sie direkt vor ihm steht.

Rollenspiel oder Adventure?

Schon im Vorfeld war immer wieder von den Rollenspielementen in "Verliebt in Berlin" die Rede. Der wichtigste Vertreter dieser Gattung ist wohl das Beziehungsbarometer, dass in der Leiste am oberen Bildschirmrand zu sehen ist, sobald man die Maus über einen Charakter bewegt oder mit diesem spricht. Hier wird immer angezeigt wie viel Aufmerksamkeit, Kooperation und Sympathie Lisa im Moment von diesem Charakter entgegengebracht wird. Gerade in Dialogen kann sich da die Stimmung sehr schnell ändern.

Auf der linken Seite der oberen Leiste ist hingegen immer zu erkennen, wie attraktiv, beliebt und selbstbewusst Lisa sich in diesem Moment fühlt.

Insgesamt wirken diese beiden Barometer etwas aufgesetzt. Sie wirken sich nicht auf den Spielverlauf aus und verändern sich manchmal eher willkürlich.

Ein weiterer Vertreter der Rollenspielelemte ist die Möglichkeit, sich in Lisas Zimmer verschiedene Kleidungsstücke anzuziehen. Diese Möglichkeit wirkt aber eher halbherzig oder unvollständig implementiert. Denn trotz der Möglichkeit, sich umzuziehen, hat das keine Auswirkungen auf das eigentliche Spiel. Am Anfang des Handlungsverlaufs erwähnt Lisa, dass sie sich dringend neue Kleidung kaufen müsse. Von dieser Möglichkeit macht sie jedoch auch im späteren Spielverlauf keinen Gebrauch.

Steuerung

Die Steuerung erfolgt komplett mit der Maus. Durch einen Linksklick führt man eine Aktion aus, mit einem Rechtsklick untersucht man Gegenstände genauer. Dazu öffnet sich eine Nahansicht des jeweiligen Objektes, in der man dann auch mögliche Aktionen (z.B. "mitnehmen") ausführen kann. Einige Gegenstände im Inventar (das am unteren Bildschirmrand angesiedelt ist) kann man außerdem auf die Lupe am linken Bildschirmrand ziehen, um Aktionen auszuführen. Dies verwirrt manchmal etwas, da der Unterschied zwischen Lupe und Rechtsklick nicht klar ersichtlich ist.

Die Wegfindung funktioniert oft nicht korrekt, so dass man Lisa manuell um Ecken und Kanten herummanövrieren muss. Da die Laufwege jedoch nicht allzu weit sind, fällt dies nicht zu stark ins Gewicht.

Fazit

"Verliebt in Berlin" ist wohl das beste Adventure oder sogar das beste Computerspiel zu einer deutschen TV-Serie seit Jahren. Es beruft sich auf klassische Adventureelemente, ist ordentlich (wenn auch nicht fehlerfrei) umgesetzt und hat durchaus seine starken Seiten, die allerdings von den negativen Aspekten übertroffen werden. Die Geschichte ist zwar wenig anspruchsvoll, unterhält die kurze Spielzeit über aber recht gut. Die Spielzeit an sich dürfte für erfahrene Adventurespieler wohl bei deutlich unter 5 Stunden liegen. Schade sind die schlecht animierten und mit nur wenigen Details erstellten Charaktere, die durch die gut gelungene Synchronisation aber wieder etwas aufgewertet werden.

thumb
Vorsicht, Bug! Leider hat ein schwerwiegender Bug den Weg ins Spiel gefunden, der es erforderlich macht, einen älteren Spielstand zu laden. Lisa kommt in eine Situation, in der sie sich auf die Toilette in der Tiki-Bar begeben muss. Dort ist es möglich, vor dem Betreten einer Kabine ein Glas Wasser zu trinken. Tut Lisa das nicht, kann sie die Kabine nicht mehr verlassen. Anscheinend wurden hier jedoch die Animationen für Wasser nehmen und trinken vergessen. Lisa steht also vor dem Waschbecken und bewegt sich nicht, wenn man diese Aktion ausführt. Es kommt keine Rückmeldung, ob Lisa jetzt etwas getan hat oder nicht. So kann man an dieser Stelle unter Umständen länger festhängen, ohne zu wissen, dass man sich in einer Sackgasse befindet

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Verliebt in Berlin hat mich mäßig gut unterhalten, auf jeden Fall aber viel zu kurz. Trotz der starken Orientierung an klassischen Adventures sind die Rätsel sehr einfach ausgefallen. Für ein Spiel der mittleren Preiskategorie sollte man mehr als 3-5 Stunden Unterhaltung erwarten können, für mich ist das der größte Kritikpunkt. Erschrocken war ich beim Ende des Spiels, das völlig unerwartet kommt. So ist wirklich nur ein ganz kleiner Abschnitt der TV-Serie spielbar. Außerdem ist das Ende völlig undurchdacht und unlogisch, nicht einmal ein Abspann ist vorhanden. Ich habe das Gefühl, dass hier ein unfertiges Produkt auf den Markt geworfen wurde, dem ein paar Wochen mehr Entwicklungszeit nicht geschadet hätten.
Die Identifizierung mit der Protagonistin Lisa Plenske fällt mir schwer, zumal sie den Spieler zu undurchdachten und zum Scheitern verurteilten Aktionen zwingt. Man möchte Lisa immer gute Ratschläge geben, weiß aber eigentlich schon vorher, dass sie sich dumm anstellen wird.
Auch hartgesottenen Verliebt in Berlin-Fans würde ich dieses Produkt nur mit sehr großen Einschränkungen empfehlen, andere Spieler können ihr Geld derzeit sehr viel besser investieren.
Trotzdem freue ich mich über die Entscheidung, zu einer aktuellen erfolgreichen deutschen TV-Produktion ein Adventure zu veröffentlichen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Synchronisation
  • Wiedererkennungswert
  • Grafik und Sound
  • Rätsel
  • Spielzeit
  • Unlogisches Ende