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von  Mithrandhir
26.05.2010
Nancy Drew: Das Phantom von Venedig
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Vor gar nicht allzu langer Zeit war es ein Kristallschädel, welcher der Jungdetektivin Nancy Drew einen kniffligen Kriminalfall bescherte; dieses Mal darf sie auf den Spuren eines geheimnisvollen Phantoms wandeln. Her Interactive lässt die in den Vereinigten Staaten sehr beliebte Teenagerin im vorliegenden Abenteuer bereits den achtzehnten Fall lösen und Publisher dtp schickt mit ""Nancy Drew: Das Phantom von Venedig"" hierzulande den zweiten Teil ins Rennen.

Ein Phantom ohne Oper

Der jüngste Fall beginnt unmittelbar mit einer seltsamen Rückblende. Wir sind direkt im Geschehen und werden Zeuge, wie Nancy sich mit einer Taschenlampe durch einen dunklen Tunnel bewegt. Als sie nach einigen Schritten einen Raum erreicht, gesellen sich zu der Beklemmung und der Dunkelheit zwei weitere Probleme: Die Tür hinter ihr schließt sich wie von Geisterhand und ebenso unerklärlich ist das plötzliche Fluten des Raums. Welche Umstände haben Nancy bloß in diese Situation gebracht?

Um diese Frage zu beantworten, werden wir an den Beginn der Geschichte versetzt. Die Vorsitzende der Gesellschaft für Erhalt und Schutz von venezianischen Antiquitäten, Prudence Rutherford, hat die engagierte Schnüfflerin kommen lassen, um einen Dieb dingfest zu machen: Das ""Phantom"" streift bisher ungestraft durch Venedig und scheint der örtlichen Polizei stets zu entwischen. Nancy soll helfen und dem kulturellen Schädling auf die Schliche kommen.

Verwaschenes Venedig

Wie auch schon in ""Die Legende des Kristallschädels"" verläuft die Spurensuche in einer 2D-Umgebung, die aus der Ego-Perspektive durchlaufen wird. Hierbei wechselt man über Richtungspfeile die Ansichten. Dabei werden die Szenen im Myst-Stil übergeblendet. Einige Positionen erlauben zudem eine 360-Grad-Drehung, damit Schauplätze genauer untersucht werden können.

Der grafische Eindruck ist ähnlich wie beim Vorgänger, jedoch fallen dieses Mal einige Dinge stärker auf. Die Animationen innerhalb der einzelnen Szenen sind spärlicher ausgefallen; die meisten Screens wirken einfach zu unbelebt. Dieser Eindruck wird durch die ebenfalls fehlenden Übergänge (z.B. Türen öffnen) noch verstärkt. Gleichzeitig ist der Weichzeichner auffälliger geworden, der die meisten Ansichten recht verwaschen oder gar matschig aussehen lässt. Leider gilt dies auch für die wenigen Videosequenzen.

Die Charaktere sehen zwar ganz gut aus, leiden aber noch immer an ihrem hölzernen Auftreten und der nunmehr durchweg auftretenden Asynchronität von Lippenbewegungen und Gesprochenem. Allzu häufig bewegen sich die Lippen entweder gar nicht oder genau dann, wenn der Satz bereits längst verhallt ist.

Die Einstellungsmöglichkeiten sind zudem recht spartanisch. Lediglich die Auflösung lässt sich einstellen, wobei diese recht unscheinbar ""Vollbildmodus 1"" und ""Vollbildmodus 2"" genannt wurden. Während erstere Einstellung die Auflösung auf 800 mal 600 Pixel fixiert, bietet Modus 2 immerhin eine Hochskalierung und passender Ränder für Widescreen-Monitore. Beide Modi bieten jedoch keine überwältigende Grafikqualität.

Nicht immer synchron

Der klangliche Eindruck fällt ähnlich zwiespältig aus wie der grafische. An sich sind die Hintergrundklänge angenehm; mit mediterran klingender Musik wird versucht, eine stimmige Kulisse für den Schauplatz entstehen zu lassen. Doch auch hier trüben einige Haderpunkte das Gesamtbild: Die meisten Synchronsprecher sind in Sachen Stimmlage, Betonung und Sprechrhythmus nicht immer passend zum Charakter gewählt bzw. lassen ein Gespräch zumeist komisch wirken, indem unpassend akzentuiert oder mit immens schwankender Lautstärke gesprochen wird.

Von Mini bis Maxi

In Sachen Denksport nimmt ""Das Phantom von Venedig"" einen Schulterschluss mit der ""Legende des Kristallschädels"" vor. Wieder einmal ist die Rätselvielfalt hoch und bietet von Minispiel über zeitkritische Einlagen bis zu knackigen Logik-Rätseln abwechslungsreiche Kost. Dieses gilt auch für den Schwierigkeitsgrad, dessen Spannbreite sowohl einfache als auch verzwickt anspruchsvolle Herausforderungen umfasst, die stets fair und nachvollziehbar bleiben.

Ein ständiger Begleiter ist Nancys Geldbörse, die für einige Aufgaben gut gefüllt sein sollte. Zu diesem Zweck sind zahlreiche Minispiele integriert, mit denen sich Nancy etwas dazuverdienen kann. Beispielsweise kann Nancy Blumen von einem Schwarm Bienen befreien und an einen Floristen auf dem Markt veräußern. Mit diesem Geld kann sie dann Kleidungsstücke kaufen, was jedoch nicht Nancys modischen Bedürfnissen entspricht, sondern einen praktischen Nutzen hat: Je mehr Anziehsachen die Teenagerin besitzt, desto mehr Auswahl hat sie in ihrem Ankleideschrank im Hotelzimmer. Hier kann sie sich verkleiden bzw. tarnen, um an einigen Stellen im Spiel nicht erkannt zu werden und weiterzukommen.

Bei einigen Minispielen geht es jedoch nicht nur um finanzielle, sondern vielmehr um Ermittlungsinteressen. Bei dem gut umgesetzten Scopa-Kartenspiel muss Nancy gewinnen, da es sich bei ihrem Gegenüber um eine wichtige Person handelt, die jedoch zunächst nicht mit ihr plaudern will. Andere Spiele erfordern Wissen, das man sich im Verlaufe des Spiels erwerben muss: Nancy verfügt über ein Wörterbuch, in welchem einige Vokabeln in italienischer Sprache aufgeführt sind. Auf diese Weise lernt der geneigte Abenteurer sozusagen am Wegesrand ein wenig Fremdsprachliches.

Ein kleiner Kritikpunkt schleicht sich jedoch bei den zeitkritischen Herausforderungen ein. Manches Mal ist die Zeit schlichtweg zu knapp kalkuliert - mehrere Anläufe sind nötig. Positiv ist, dass kurz vor diesen kritischen Stellen eine automatische Speicherung vorgenommen wird, auf die man im Falle eines Scheiterns zurückgreifen kann.

Ich rede bis zum Schluss

Die Steuerung wurde im Wesentlichen unverändert beibehalten. Neben den Richtungspfeilen genügt es auch, einfach den Mauszeiger an den Bildschirmrand zu bewegen, um eine Drehung vorzunehmen. An einigen Stellen ist auch wieder eine Rundumdrehung möglich. Positiv ist, dass es eine kleine Verbesserung bei der Empfindlichkeit und Genauigkeit des Mauszeigers gibt: Es ist nun nicht mehr nötig, exakt den Pixel zu treffen, der den Mauszeiger in einen Richtungspfeil verwandelt, sondern man kann recht komfortabel navigieren.

Ebenso kommod ist das bereits bekannte ""Start-Center"", mit welchem das Nancy-Drew-Abenteuer beginnt. Bevor Nancy nach Venedig aufbricht, können allerlei auf ihrem Schreibtisch Dokumente gesichtet werden, u.a. ein wenig Hintergrundwissen zum Detektivsein und Zusammenfassungen alter Fälle.

Bei Gesprächen hat Nancy wie üblich vorgefertigte Sätze zur Verfügung, mit denen Sie gezielt in eine Richtung nachbohren oder einfach nur Small-Talk machen kann. Hier offenbart sich jedoch ein großer Stolperstein, der langfristig für Frust sorgen kann: Kein Dialog kann durch Mausklick oder ""Space""-Taste abgebrochen oder beschleunigt werden, d.h. jeder begonnene Satz wird stoisch bis zum Ende heruntergebetet – bei wiederholten Gesprächen kann dies besonders nerven, da sich zu diesem Umstand die Lippensynchronitäts-Problematik und die schwankende Sprecherleistung gesellt.

Stimmungswechsel

Atmosphärisch gesehen hat Nancy Drew: Das Phantom von Venedig viel zu bieten, wenngleich einige hausgemachte Bremsen vorhanden sind. Die Hintergrundgeschichte ist recht spannend aufgemacht und entwickelt sich stetig weiter. Der Jagd nach dem Unbekannten und die zahlreichen verstreuten Hinweise bieten eine sehr gute Kulisse für einen Kriminalfall.

Das venezianische Szenario mit den landestypischen Einsprengseln weiß zu gefallen, wird jedoch von der Leblosigkeit etwas getrübt. Ebenso sind viele spannende Aufgabenstellungen vorhanden, die aber manchmal von wiederholten Laufwegen oder Zeitmangel negativ eingefärbt werden. Auch die an sich akzeptable grafische Präsentation leidet etwas unter den Charakteren, die neben ihrer Hölzernheit auch auf der akustischen Seite nicht zu überzeugen wissen. Hier wurde Potenzial verschenkt, die aufgebaute Spannung besser wirken zu lassen.

Fazit

Mit Nancy Drew: Das Phantom von Venedig setzt Her Interactive die Detektiv-Reihe solide fort, mehr aber auch nicht. Die bekannten Schwächen sind vorhanden und wirken auf die eigentlichen Stärken des Spiels ein - die Atmosphäre und die Rätsel. Hier bekommen sowohl Einsteiger wie auch Fortgeschrittene, Jung-Abenteurer wie alte Hasen durchaus etwas geboten. In jedem Fall sollte man jedoch über die altbackene Grafik und die störende Synchronisation hinwegsehen können.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Auch dieser Teil der Serie macht durchaus Spaß; gerade die abwechslungsreichen Rätsel machen einen sehr erwachsenen Eindruck für ein Teenie-Spiel. Auch der Plot und der Spannungsbogen motivieren, die Jungdetektivin zum Ziel zu bringen – Her Interactive verstehen da sein Handwerk recht gut.
Etwas wünscht man sich jedoch für die Zukunft: Ein wenig mehr grafischen wie auch akustischen Schliff. In dieser Hinsicht muss Nancy aus den Kinderschuhen herauswachsen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Abwechslungsreiche Rätsel
  • Spannende Story
  • Verwaschene Optik
  • Wenige Animationen
  • Mäßige Synchronisation