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Interviews

Inon Zur
Gesprächspartner: Luc 'LGH' Gilbertz
Sprache:
Vom: 26.03.2005

Über

Syberia II ist ein Spiel, das uns dank seiner intelligenten Story, dem interessanten Hauptcharakter, der überwältigenden Grafik und nicht zuletzt der stimmungsvollen Musik in die fantastische Welt von Kate Walker hineinversetzte. Über die Musik wollten wir mehr in Erfahrung bringen und stellten dem Komponisten, Inon Zur, einige Fragen.



Adventure-Treff: "Hallo, könntest du dich kurz vorstellen? Wie wurde aus dir ein professioneller Komponist?"

Inon Zur: "Mein Name ist Inon Zur, und ich bin Komponist für Spiele, Kino- und Fernsehfilme. Seit meiner Kindheit liebte ich die Musik. Ich hörte mir viele unterschiedliche Musikgenres an und lernte Klavier und Keyboard. Als Teenager studierte ich in meinem Heimatland Israel während meiner Zeit im Gymnasium Komposition. 1990 zog ich in die Vereinigten Staaten und konzentrierte mich 3 Jahre lang auf ein intensiveres Kompositions-Studium. Danach schrieb ich Musik für unabhängige Filme und arbeitete wenig später als fester Komponist für den Fox Family Channel."

A-T: "Könntest du kurz einige deiner interessantesten Projekte umreißen?"

I.Z.: "Besonders während der letzten 12 Monate war ich in sehr unterschiedliche, interessante Projekte verwickelt. Shadow Ops: Red Mercury ist eine Mischung aus Action-Adventure und Shooter, die in der Gegenwart angesiedelt ist, Men Of Valor ist ein historischer Ego-Shooter, Syberia 2 ist ein fiktives Adventure und Champions of Norrath: Realms Of EverQuest ist ein Action-Rollenspiel, das in der Fantasywelt von Everquest spielt. Jedes dieser Spiele erlaubte mir, meine Kompositionstalente in neue Dimensionen zu erstrecken.

Eines der Projekte, das meiner Meinung nach wirklich hervorsticht, ist das taktische Rollenspiel Fallout Tactics, an dem ich vor einigen Jahren arbeitete. In diesem Spiel war die Musik sehr einzigartig, es handelte sich schon fast eher um Klanglandschaften als um musikalische Ideen. Ich benutzte etliche elektrische Instrumente und manipulierte die menschliche Stimme auf eine sehr unkonventionelle Art und Weise. Es war ein sehr künstlerisches Werk, das sich nicht so sehr nach den Massen richtete. Ich glaube allerdings, dass fast jedes Projekt seine Eigenart hat, und man nur gut suchen muss, um sie musikalisch umzusetzen.

Generell kann man sagen, dass die meisten Projekte, an denen ich gearbeitet habe, mich irgendwie ansprachen. Es fängt immer damit an wie hoch man seine Ziele ansetzt und anschließend geht man dann durch den kollaborativen Prozess mit dem Entwickler und gelangt schließlich in die Hauptkompositionsphase. Das ist immer sehr inspirierend."

A-T: "Welches Computerspiel, an dem du selbst nicht beteiligt warst, gefällt dir musikalisch am besten?"

I.Z.: "Ich finde, dass die Myst-Serie ein bemerkenswertes musikalisches Konzept aufweist. Auch bei den Splinter Cell Spielen wird die Musik sehr gut eingesetzt."

A-T: "Kommen wir nun zu Syberia 2. Du hattest mit dem ersten Teil nichts zu tun, aber du bekamst den Auftrag, die Musik für den zweiten Teil zu schreiben. Wie kam es zu dieser Entscheidung und wie schwierig war es, die Musik stilistisch mit Syberia 1 kohärent zu halten?"

I.Z.: "Syberia 2 erzählt eine andere Geschichte als Teil 1, und die Entwickler suchten bewusst nach einem musikalischen Wechsel. Die Entscheidung, mich an Bord zu nehmen, beruht auf der Erkenntnis, dass mein musikalischer Stil dem Spiel gut bekommen würde. Ich hörte mir die Musik aus dem vorigen Spiel an und fand sie gut und solide. Ich versuchte einige Stimmungen aus dem ersten Teil zu übernehmen, aber fügte dem Ganzen meine eigene Unterschrift hinzu."

A-T: "Hast du viele Richtlinien und Rückmeldungen von Benoît Sokal und den anderen Entwicklern bekommen oder hattest du völlige Freiheit zu tun, was du für angemessen hieltest?"

I.Z.: "Ich hatte bei dem Spiel viel kompositorische Freiheit, bekam aber auch viele künstlerische Unterstützung und Inspiration von den Leuten bei Wave Generation in Montreal. Mike Elman, der Music Supervisor führte mich erfolgreich durch den Prozess und half mir, das richtige Gefühl für die Musik von Syberia 2 zu entwickeln. Die atemberaubenden Zwischensequenzen inspirierten mich ebenfalls sehr stark, die passende Musik zu den optischen Anreizen zu schreiben. Das Entwickler-Team erlaubte uns, unseren eigenen Weg zu gehen, und unterstützte uns während des ganzen Prozesses."

A-T: "Wie viel hattest du von dem Spiel zu Gesicht bekommen, bevor du die Musik geschrieben hast? Hast du auch das fertige Spiel irgendwann mal gespielt?"

I.Z.: "Ich hatte das eigentliche Spiel nicht, als ich die Musik schrieb, was im Übrigen auch nichts Ungewöhnliches ist. Allerdings wurde ein Großteil der Musik zu Video-Bildern komponiert, sodass es stellenweise schon sehr spezifisch sein konnte. Ich denke, dass das Ergebnis im Allgemeinen sehr gut geworden ist und bin sehr zufrieden, wie die Musik ihren Weg ins Spiel gefunden hat."

A-T: "Die Musik in Syberia 2 klingt sehr authentisch und atmosphärisch. Fanden auch Studioaufnahmen mit Live-Musikern statt?"

I.Z.: "Die Musik basiert größtenteils auf Sampler und Synthesizer, aber ich verwendete einige sehr seltene Klangbibliotheken, um einen lebendigen und emotionalen Soundtrack zu liefern. Es war eine schwierige Aufgabe, aber manchmal sind es solche Herausforderungen, die einen dazu bringen, das Beste aus sich herauszuholen. Bei Syberia 2 bestand die wichtigste Mission für mich darin, die richtige Atmosphäre zu erschaffen und die Gefühle des Charakters auf den Spieler zu übertragen, und ich hoffe das ist mir auch gelungen."

A-T: "Syberia 2 hatte fantastische Musik während der Zwischensequenzen und zu bestimmten Zeitpunkten, war aber während einem Großteil der Zeit 'ruhig'. Wie kam es zu dieser Entscheidung?"

I.Z.: "Die Idee mit den ruhigen Momenten in Syberia 2 war meiner Meinung nach eine der besten künstlerischen Entscheidungen, die während der Entwicklung gefällt wurden. Oft kommt es in Spielen, wo man permanent mit Musik berieselt wird vor, dass die Musik, selbst wenn sie großartig ist, zu nerven anfängt. Der reife und erfahrene künstlerischer Leiter beherrscht es, geduldig zu warten bis der richtige Moment kommt, um dann die Musik auf den Spieler loszulassen. Die Spannung, die bei dem Warten auf die Musik entsteht unterstreicht diese nachher umso mehr.

Man braucht schon etwas künstlerischen Mut um eine solche Entscheidung zu treffen, aber es gibt keine Zweifel daran, dass das Team von Microïds diese Art von Mut besitzt."

A-T: "Unterscheidet sich das Komponieren für Adventures stark von der Arbeit an anderen Spielegenres (z.B. Action oder Strategie)?"

I.Z.: "Jedes Genre hat eine Haltung gegenüber der Musik und ihrer Rolle im Spiel. In Ego-Shootern muss die Musik Energie pumpen und den Spieler dazu verleiten weiter draufloszuballern. In den meisten rollenspielartigen Titeln muss die Musik eher die emotionalen Szenen und die Handlung unterstützen, als dass sie den Spieler bei jeder Bewegung begleiten müsste. Musik kann weiterhin auch Zeitepochen beschreiben und könnte beispielsweise eingesetzt werden, um einen historischen Kontext zu definieren. Eigentlich ist Musik die vierte Dimension der Spielerfahrung, die emotionale Dimension."

A-T: "Kannst du uns irgendeine interessante Geschichte von hinter den Kulissen erzählen?"

I.Z.: "Nun, es ist jetzt wohl OK zu erwähnen, dass die Musik für Shadow Ops: Red Mercury, so wie auch die eigentliche Handlung mehrmals während der Entwicklung geändert wurden. Zu einem Zeitpunkt war geplant, den Helden für eine Mission auf die Philippinen zu führen, also forschte ich über die dortige Kultur und ihr musikalisches Erbe und schuf einen philippinisch angehauchten Soundtrack. Etwa zwei Monate später wurde dann entschieden, die Mission stattdessen in den Kongo zu verschieben, sodass die philippinische Musik natürlich nie im Spiel auftauchte. Solche kurzfristigen Änderungen geschehen oft während der Entwicklung eines Spiels, aber das ist wohl auch ein Teil von dem Spaß und der Aufregung die man hat, wenn man von Anfang an mit dabei ist. Weiterhin bringt es einen als Komponisten weiter und hält die eigene Arbeit frisch."

A-T: "Wir wünschen dir viel Glück für deine zukünftigen Projekte... wir werden bestimmt bald wieder von dir hören! Und wer weiß, vielleicht sogar in einem anderen Adventure?"

I.Z.: "Danke für die Gelegenheit. Ich freue mich schon darauf, euch bald wieder neue Musik zu bringen."