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Features

Über den Tellerrand: Pinstripe
Vom: 08.05.2017

Entwickler: Thomas Brush (Atmos Games)

Publisher: Armor Games

Thomas Brush (Atmos Games) durfte sein Talent bereits mit den kostenlosen Flash-Spielen Coma und Skinny unter Beweis stellen. Nun hat er innerhalb von fünf Jahren das Ein-Mann-Projekt Pinstripe verwirklicht und über den Publisher Armor Games für PC veröffentlicht. In Sachen Grafik, Soundtrack und Handlung ließ er sich vonThe Nightmare Before Christmas, Coraline und Alice im Wunderland inspirieren. Auf Kickstarter konnte er im letzten Jahr 3780 Backer überzeugen und somit einen Betrag von über 100.000 US-Dollar sammeln. Entstanden ist ein 2D-Horror-Plattformer, welcher sich als Mischung zwischen Adventure und Jump 'n' Run versteht. Erhältlich ist Pinstripe seit Ende April. Nun werfen wir einen Blick über den Tellerrand und begeben uns mit Teddy auf die Suche nach seiner Tochter.

Der Startbildschirm

Emotionales Abenteuer

Die dreijährige Bo wurde von widerwärtigen Entführern verschleppt. Ihr Vater Teddy, ein abtrünniger Ex-Priester, begibt sich im eisigen Jenseits auf die Suche nach ihr. Dabei muss er sich mit den dunklen Geheimnissen seiner Vergangenheit auseinandersetzen und sich auch seinem dämonischen Erzfeind Mr. Pinstripe stellen.

Zu Beginn befindet sich der Spieler in einem Zug und erfährt in dem spielbaren Intro ausführlich, wie es zu der Entführung kommt. Insgesamt darf in sechs Abschnitten gerätselt werden, um Bo aus den Händen von Mr. Pinstripe zu befreien, dem im Laufe des drei- bis vierstündigen Abenteuers immer wieder begegnet wird. Begleitung findet Teddy in Familienhund George, der ihm im Großteil des Spiels hilfreich zur Seite steht.

Die Entführung können wir nicht verhindern

Adventure vs. Jump 'n' Run

Schon während das Intros, fällt auf, dass es sich bei Pinstripe nicht um ein reines Adventure handelt. Eine Point-&-Click-Steuerung wirds vergebens gesucht, stattdessen läuft die Steuerung komplett über die Tastatur. Nicht einmal das Menü lässt sich über den Mauszeiger bedienen. In diesem können verschiedene Grafikeinstellungen vorgenommen und die Sprache der Untertitel gewählt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, den einzigen Speicherstand des Spiels zurückzusetzen. Das Spiel speichert zu Beginn der einzelnen Kapitel automatisch, es gibt aber auch anwählbare Speicherpunkte. Diese sind rar gesät und finden sich in Form von Porträts in der Umgebung. Jene waren eine Pledge-Stufe für Kickstarterbacker und somit erklärt sich, warum auf einem der Bilder Gronkh zu sehen ist.

Das Inventar - Gegenstände dürfen hier näher untersucht werden

Insgesamt funktioniert die Steuerung recht gut. Das Spiel ist komplett in 2D gehalten, so dass Teddy wahlweise mit WASD oder den Pfeiltasten nach links und rechts durch die Bildschirme läuft. Auch Springen ist möglich und nötig. Dafür ist einfach die W- oder Pfeiltaste nach oben zu benutzen. Die Nähe von Hotspots, wird über ein Symbol kenntlich gemacht. Mit der Leer- oder Enter-Taste lassen sich die Gegenstände anwählen und mehr darüber erfahren. Entweder in schriftlicher Form oder in Dialogen mit anderen Charakteren. Häufig können Gegenstände mehrmals angewählt werden, um so weitere Informationen zu bekommen. Das Inventar wird über die I-Taste bedient. Hier ist eine begrenzte Anzahl gefundener Gegenstände mit WASD in 360-Grad-Ansicht näher anzuschauen. Manche Gegenstände schleppt Teddy auch sichtbar mit, bis sie automatisch an der passenden Stelle eingesetzt werden. Über ESC lässt sich das Spiel verlassen oder fortsetzen.

Schalterrätsel - hier ist Sprunggenauigkeit gefordert

Echte Rätsel?

Wie für ein Adventure üblich, gibt es auch in Pinstripe Rätsel, die gelöst werden wollen. Allerdings handelt es sich dabei häufig um Schalterrätsel, etwa um eine Tür zu öffnen. Bei diesen ist zum Teil Schnelligkeit und Geschicklichkeit gefragt, wenn die Schalter zum Beispiel nur für Sekunden über Sprünge aktiviert werden können, bevor sie unerreichbar zurück klappen und zunächst wieder umgestellt werden müssen. Manchmal lassen sich die Rätsel auch nur in Zusammenarbeit mit einem anderen Charakter lösen. Hier ist dann der richtige Zeitpunkt abzupassen. Besonders schwer sind diese Sequenzen nicht, es bedarf lediglich ein wenig Übung. Glücklicherweise beginnt das Spiel mit einem niedrigen Schwierigkeitsgrad, der sich gemächlich steigert, so dass wir langsam an die Steuerung herangeführt werden.

Doch es gibt auch Rätsel, in denen ein Code geknackt werden muss. Dafür ist es wichtig, nach Hinweisen in der Umgebung Ausschau zu halten. Hier ist also durchaus das geschulte Adventure-Auge gefordert, auch wenn der geübte Adventurespieler schon größere Herausforderungen erlebt hat.

Diese Kiste ist mit einem Code gesichert

Sterben ist ebenfalls möglich, denn der Feind möchte uns gerne abschießen. Relativ zu Beginn findet Teddy eine Steinschleuder. Diese lässt sich über die Maus bedienen, hat unendlich viel Munition und sorgt dafür, dass die Verteidigung gegen den Feind gesichert ist. Teilweise ist das Nutzen der Steinschleuder auch nötig, um Wege zugänglich zu machen. Außerdem lassen sich viele andere Gegenstände zerschießen und darin vermeintlich optionale Dinge finden. So sind im ganzen Spiel Tropfen verteilt, die zu sammeln sind. Auch einige versteckte Filmstreifen lassen sich entdecken. Wofür die einzelnen Gegenstände gebraucht werden, erschließt sich zum Teil im späteren Spielverlauf. Manchmal allerdings auch erst, wenn nach Beendigung des ersten Durchgangs ein weiteres Spiel gestarten wird. Der Wiederspielwert ist also durchaus gegeben.

Die Steinschleuder - jederzeit verfügbar

Am oberen Bildschirm wird durch Herzen dargestellt, wie es um Teddys Leben bestellt ist. Allerdings bleibt der Schwierigkeitsgrad auf einem niedrigen Niveau und die Lebensanzeige lässt sich an vielen Stellen wieder auffüllen. Sollte einmal einen vermeintlichen Abgrund hinuntergestürzt werden, passiert in der Regel nichts. Unbeschadet wird der Sturz von einem riesigen Baum überstanden, einfach einen Bildschirm tiefer gelandet oder automatisch wieder an die vorherige Stelle teleportiert. Später im Spiel ist auf wenige Gegner zu treffen, die besiegt werden müssen. Auch hier ist der Schwierigkeitsgrad nicht besonders hoch. Trotzdem kann es passieren, dass ein Game Over über den Bildschirm läuft. Gerade, wenn noch nicht verstanden wurde, wie der Feind zu bekämpfen ist. In dem Fall startet das Spiel an der zuletzt gespeicherten Stelle. Es kann also nicht schaden, wenn die Speicherpunkte zwischendurch genutzen werden.

Game Over

Optischer Genuss

Die Grafik wirkt liebevoll erstellt und die Charaktere fügen sich perfekt ein. Die hübsch gestaltete Schneelandschaft lässt in die Spielwelt eintauchen. Überall gibt es kleine Details zu entdecken. Teddys Atem ist in der Kälte zu sehen, der Schnee wirbelt unter seinen Füßen auf und wenn er sich im Zug befindet, wackelt dieser bei der Fahrt und die Landschaft zieht an ihm vorbei. Im Verlaufe des Spiels werden noch weitere Orte besucht, die alle abwechslungsreich gestaltet sind. Zum Beispiel ein Höhlensystem, welches auch mit Stirnlampe bewaffnet bedrohlich wirkt. Die Häuser der Personen, die auf der Reise getroffen werden, sind zumeist betretbar. Insgesamt ist die Spielwelt offen angelegt. Jederzeit ist der Besuch alter Orte möglich. Dieser ist auch nötig, denn es stehen nach und nach weitere Funktionen zur Verfügung, mit deren Hilfe neue Geheimnisse zu entdecken sind.

Beim Laufen und Springen durch die Spielwelt, lassen sich nicht spielrelevante Gegenstände, wie Bücher oder Tassen, umwerfen und zerbrechen. Wird der Bildschirm erneut besucht, sind die Gegenstände zum Teil wieder sorgsam und heile an ihrem Platz vorzufinden.

Die Schneelandschaft ist hübsch anzusehen

Der schweigende Protagonist

Dialoge laufen nicht automatisch ab, sondern abschnittsweise. In der Regel in Stücken von ein bis zwei Sätzen. Dazu werden die fehlerfrei übersetzten deutschen Untertitel eingeblendet. So bleibt genug Zeit zum Mitlesen. Um das Gespräch fortzusetzen, muss die Leer- oder Enter-Taste bedient werden. Teilweise werden auch zwei Antwortmöglichkeiten angeboten, aus denen die gute (Sonne) oder die böse (Mond) zu wählen ist. Diese sind nicht mit einer Sprachausgabe hinterlegt, denn unser Protagonist spricht nicht. Tatsächlich haben sämtliche Charaktere eine gute englische Sprachausgabe spendiert bekommen, nur Teddy schweigt im ganzen Spiel. Natürlich lassen sich das die anderen Charaktere nicht anmerken, denn sie verstehen die gewählten Antworten und reagieren entsprechend. Meistens befinden sich die Personen beim ersten Aufeinandertreffen in einer unglücklichen Situation, aus der sie zunächst befreit werden müssen. Die teilweise vulgäre Ausdrucksweise dürfte nicht jedem zusagen, doch sie passt zum Spiel.

Die Musik und Soundeffekte sind stimmig gewählt und werden aufgelockert, wenn zum Beispiel Töne aus Plattenspielern erschallen, die optional bedienbar sind. Allerdings ist die Musik, im Vergleich zur Sprachausgabe, etwas zu laut eingestellt und dies lässt sich in den Optionen auch nicht ändern.

Personen müssen häufig aus unglücklichen Situationen gerettet werden

Fazit

Pinstripe ist tatsächlich eher als Plattformer denn als Adventure einzuordnen. Zu viele Action- und Geschicklichkeitselemente wurden eingebaut. Der Schwierigkeitsgrad ist allerdings so niedrig gehalten, dass auch Anfänger in diesem Genre glücklich werden können. Trotzdem wird sich der geübte Spieler nicht langweilen. Im Gegenteil, dafür ist das Spiel viel zu liebevoll umgesetzt worden und es gibt zu viel zu entdecken. Die Grundidee der Story mag nicht neu sein, doch sie motiviert zum Weiterspielen. Die Nebencharaktere bekommen zwar keine Tiefe, sind aber allesamt interessant und ungewöhnlich. Zum Schluss bleibt die Erwähnung eines mittlerweile seltenen Phänomens: Auch das Ende wurde zufriedenstellend aufgelöst und dennoch bleibt ein gewisser Wiederspielwert vorhanden. Jeder, der auch etwas über den Tellerrand schaut, sollte daher einen näheren Blick auf dieses kleine 2D-Horror-Abenteuer werfen.

Kommentar

Ich bin mit den Erwartungen an das Spiel gegangen, doch zumindest ein halbwegs reines Adventure zu spielen. Diese Erwartungen wurden direkt zu Beginn verworfen. Nun stellt sich die Frage: Ist das schlimm? Ich sage nein, denn Pinstripe hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Am liebsten hätte ich das Spiel in einem Rutsch durchgespielt. Die vielen kleinen Gegenstände, die sich finden lassen, sorgen außerdem dafür, dass die Motivation des Sammelns in die Höhe getrieben wird. Gerne hätte ich 100% gefunden. Dass das gar nicht möglich ist, wurde mir erst am Ende klar. Ein zweiter Durchgang ist nötig und den werde ich auf jeden Fall spielen.

Adventure-Treff-Wertung: 85%

Janina Brünner

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