FritzM hat geschrieben:Erzähl heute mal jemanden aus der jüngeren Generation, wie geil es damals war, als man "Gehe nach Norden" eingegeben hat und plötzlich einen neuen Text auf dem Bildschirm lesen konnte, der beschrieben hat, was da so los war im Norden...
Ich würde das nicht unbedingt vom Alter abhängig machen. Bin selbst 35, hab aber das Genre erst vor 5 Jahren entdeckt und deshalb vermutlich einen ähnlichen Zugang wie jüngere Spieler - ich kenn viele der Klassiker nur vom Hörensagen, hab nie einen C64 besessen und noch immer nicht Maniac Mansion gespielt, einfach, weil das Spiel nicht mehr aufzutreiben ist oder nur zu einem Preis, den ich nicht bereit bin zu zahlen. Monkey Island hat mir netterweise mal ein Bekannter geborgt, sodass ich zumindest Teil 1 gespielt habe; Teil 3 gibt's ja dankenswerter Weise in einer XP-kompatiblen Version

Andere Klassiker sind bedeutend schwieriger aufzutreiben, deswegen befinden sich in meiner Sammlung auch hauptsächlich Spiele aus den 90er Jahren und eben aktuelle Spiele. Ich glaub, das älteste Spiel, das ich besitze, ist Legend of Kyrandia aus dem Jahr 1992, allerdings auf einer CD, die mal einem Spielemagazin beilag und die ich via Forum erworben habe. Möchte ich irgendwann auch mal ersetzen...

Dann kommen schon Gabriel Knight 1 und 7th Guest, beide 1993.
Was ich aber, wie vielleicht auch jüngere Spieler, die grade erst ins Genre eingestiegen sind, nicht nachvollziehen kann und was mich unsäglich nervt - eben weil ich das damals alles nicht selbst miterlebt habe, weil computerlos -, das sind die ständigen Vergleiche mit Monkey Island bzw. Lucas Arts. Dieses permanente "Das Spiel kommt nicht an den Humor von Monkey Island ran", "Monkey Island war viel besser", "Nur Lucas Arts-Adventures sind richtig gut" blah - vollkommen wurscht, aus welcher Ecke des Genres das derart bekrittelte Spiel stammt. Selbst wenn's ein Horrorspiel ist, gibt's noch immer Leute, die sich drüber aufregen, dass es nicht so gut ist wie Monkey Island. Bitte. Muss das echt sein? Ich kann ja verstehen, dass diejenigen, die die "gute alte Zeit" (noch so ein Ausdruck, den ich furchtbar finde) ebendieser nachtrauern - ich hätte auch gerne das alte Sierra wieder, weil die paar Adventures von Sierra, die ich in die Finger kriegen konnte, mich einfach restlos begeistert haben. Aber für mich gibt's auch nix Schlimmeres, als permanent in der Vergangenheit zu leben; dieses "früher war alles besser" halte ich für ziemlich destruktiv, weil manche Vertreter dieser Haltung sich dadurch um ein paar geniale Spielerlebnisse bringen, einfach, weil sie von vornherein davon ausgehen, dass das Spiel eh nicht an Monkey Island rankommt. Oder an Maniac Mansion. Oder was weiß ich. Ja wie denn auch, wenn eine derartige kultische Heldenverehrung betrieben wird! Moderne Spiele haben bei manchen Spielern z.T. ja gar keine Chance, weil sie von vornherein unter dem Aspekt beurteilt werden, wie gut sie im Vergleich mit den Klassikern abschneiden, grad wenn es sich um lustige Spiele wie Edna handelt.
Was mich an solchen Vergleichen immer besonders nervt: Man muss ein Spiel doch bitte auch im Kontext der Zeit sehen, in der es produziert worden ist. Was damals funktioniert hat, würde unter Umständen heute nicht mehr klappen. Kein Mensch würde heutzutage noch ein reines Textadventure kaufen und spielen, weil die Leute ja auch was sehen wollen - sonst könnten sie ja gleich ein Buch lesen. Ich selbst hab auch nur ein Textadventure gespielt, und das war Eric the Unready - das hatte zumindest schon ein paar Bilder dabei, sodass man sich eine ungefähre Vorstellung von der Umgebung machen konnte, aber eben nix Bewegtes. Die Handhabung war ungewohnt und etwas umständlich, aber trotzdem hat mir selten ein Spiel derart viel Spaß gemacht wie dieses, einfach, weil es die Phantasie enorm anregt, wenn man fast ausschließlich auf Text angewiesen ist. Nur: Die wenigsten Leute würden sich das heute noch antun, und die wenigsten, die neu ins Genre einsteigen, wollen sich mit den Klassikern auseinandersetzen, einfach, weil es in manchen Fällen sehr schwierig ist, die Spiele überhaupt zum Laufen zu kriegen - und ScummVM unterstützt ja leider auch noch nicht alles. Vielen ist es halt auch zu mühsam, mit DosBox und dergleichen zu arbeiten - wenn ein Spiel nicht auf Anhieb funktioniert, wird es halt ins Regal gestellt, außer man ist halt wirklich versessen drauf, es zu zocken.
Und es stimmt ganz einfach nicht, dass es überhaupt keine guten Adventures mehr gibt. Man muss nur aus der Flut an Spielen, die derzeit über uns hereinbricht, diejenigen rausfiltern, die auch auf Qualität und nicht bloß auf Quantität setzen. In welchem Tempo z.B. Kheops seine letzten Spiele auf den Markt geworfen hat, war gradezu beängstigend, und es hat sich letztlich auch qualitativ bemerkbar gemacht - Cleopatra ist für mich eines der schlechtesten Spiele der letzten Jahre, einfach, weil die Story komplett sinnfrei und unspannend ist. Umgekehrt sind aber z.B. die Spiele von House of Tales für mich echte Offenbarungen, weil hier wirklich spannende, gute Geschichten erzählt werden (ok, über die Steuerung in Moment of Silence kann man streiten *g*). Die konnten mich bisher noch jedes Mal überzeugen.
FritzM hat geschrieben:
Heutzutage geht doch alles nur noch hauptsächlich nach der Grafik. Besser, mehr und hochauflösender!
Da geht doch viel verloren an dem, was ein Adventure im Prinzip eigentlich ausmacht.
Ja, sehe ich auch so. Mich nerven diese Grafik-Fetischisten unsäglich, die nur am Meckern sind - wenn ich mir da einige Rezensionen zu Adventures auf Amazon so anschaue, frage ich mich schon, ob es den Leuten überhaupt noch um die Geschichten geht. Da werden Spiele komplett verrissen, weil die Grafik nicht gefällt; es fallen Aussagen wie "Habe das Spiel nach einer Stunde deinstalliert, weil es so grottig ist" - bitte, wie kann man nach einer Stunde beurteilen, ob ein Spiel - in dem Fall ging's um The Longest Journey - gut oder schlecht ist?
Grad Leute, die vorwiegend Shooter oder RPG spielen, sind hervorragende Grafik gewohnt; wenn die sich dann mal an einem Adventure versuchen, schmeißen meiner Erfahrung nach viele das Handtuch, weil ihnen die Optik nicht zusagt. Die haben aber dann nicht mal ansatzweise begriffen, worum es in dem Genre geht, nämlich ums Geschichtenerzählen. Klar ist es nett, wenn das Spiel auch optisch was hermacht, aber wenn die Story Müll ist, was hab ich dann von der schönen Grafik? Ich fand z.B. die Grafik von Runaway sehr gut, hab das Spiel aber so ca. aber der Hälfte nur noch furchtbar gefunden - nerviges Pixelhunting, Brian wurde mir aus irgendeinem Grund immer unsympathischer, und Gina konnte ich überhaupt nicht leiden. Da hat auch die tolle Optik nix genutzt. Oder NiBiRu. Sieht gut aus, ist aber storytechnisch gegen Ende dermaßen schwach, dass man sich nicht mal mehr so richtig dran erinnert, worum es eigentlich ging. Umgekehrt sieht zwar die Grafik von TLJ heutzutage hoffnungslos veraltet aus, aber das ist eines der besten Spiele, die ich kenne, und ich denke, dass TLJ auch das Zeug zum Klassiker hat. Ebenso Syberia oder Tunguska. Oder Edna. Aber das wird sich mit der Zeit eh zeigen.