Shadow of Memories

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interrozitor
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Shadow of Memories

Beitrag von interrozitor »

Shadow of Memories ist eine 2004 erschienen PC Umsetzung des gleichnamigen, 2001 von der japanischen Firma Konami entwickelten, Spiels für die Playstation 2.

Man tritt dabei in die Rolle des 21jährigen Eike Kusch, der gleich zu Anfang des Spiels auf offener Straße niedergestochen wird.
Anstatt jedoch zu sterben landet er in einer Art Zwischenwelt, wo ihn ein sehr mysteriöser Character empfängt. Dieser gibt ihm eine Zeitmaschine mit deren Hilfe Eike nun in der Lage ist zum einen dem direkten Mord aus dem Weg zu gehen und zum Anderen zu versuchen herauszufinden, wer hinter diesem Mord steckt.

Die gesamte Handlung findet in einem kleinen Dorf in der deutschen Provinz statt. Im Folgenden besucht man dieses Dorf dann in insgesamt 4 Zeitebenen. Zwar verläßt man das Dorf nie, dies wird aber kaum als Einschränkung empfunden, denn das Dorfareal ist hinreichend groß mit zahlreichen zu betretenden Räumen.

Die Grafik wurde mehr oder weniger 1:1 von der Playstation 2-Version übernommen. Die verwaschenen Texturen weisen eindeutig darau hin. Auch die Beschränkung der Auflösung auf maximal 800*600 und fehlendes Antialiasing sprechen dafür.
Trotzdem gelingt es den Designern, daß Dorf stimmungsvoll umzusetzen und für ein vor drei Jahren releastes Spiel braucht sich das 3D-Adventure auch vor heutigen 3D-Titeln (im Adventurebereich) nicht zu fürchten. So würde ich die Grafik mindestens auf dem Stand von Baphomets Fluch 4 einordnen, jedoch unter Dreamfall. Um den Überblick über die verschiedenen Zeitebenen zu gewähren wird jede Ebene in einem bestimmten Farbton gehalten. So ist das Mittelalter in einem Sepia-Farbton (wie auf alten, rotbraun verfärbten Fotos) gehalten, die nähere Vergangenheit zieht sich über Schwarzweiß bis in zur farbigen Gegenwart.
Bei der Animation der Charaktere hat man sich besonders Mühe gegeben. Jeder Aktion ist animiert, in zahlreichen Zwischensequenzen wird die Handlung vorangetrieben. Wohl um technische Limits bzgl. der Polygonzahl der Gesichter zu umgehen, hat man sie leicht anime-like angehaucht - das wird aber so als Limit kaum wahrgenommen, weil es hervorragend ins Setting paßt.

Die Musik ist äußerst stimmungsvoll und verursacht in verschiedenen Momenten durchaus Spannungseffekte. Das Spiel wurde nicht auf Deutsch synchronisiert, sondern man spielt es - Konsolen Spieler werden das von dialoglastigen Titeln gewohnt sein - mit englischer Synchronisation und deutschen Untertiteln.
Wobei anzumerken ist, daß die englische Synchronisation exzellent ist. Bei den Untertiteln sind mir an ein oder zwei Stellen kleine Sonderheiten aufgefallen (so wird an einer Stelle exzessive ... oder wars extreme? mit "krass" übersetzt, was zu dem eigentlich adrett und ordentlich wirkenden Eike so gar nicht paßt, an anderer Stelle wird nicht ganz sinngetreu übersetzt), diese sind aber in die Kategorie Kleinigkeiten abzutun.

Da voll auf 3D-Grafik gesetzt wurde ist die Steuerung dementsprechend per Pfeiltasten. Mit der Maus kann man dabei die Kamera steuern, jedoch nur außerhalb der Gebäude in der Stadt.
Dadurch ist es in Gebäuden manchmal etwas hakelig wenn... ja wenn man kein Gamepad benutzt. Ich spielte das Spiel mit einem PS2-Kontrollernachbau und es kam direkt Konsolenfeeling rüber.
Mit dem Analogstick war die Steuerung intuitiv und überhaupt nicht hakelig. Ein Gamepad ist also unbedingt zu empfehlen.

Das Gameplay stellt sich als einmalig dar. So etwas habe ich bisher einfach noch nicht gestellt, und durch das Gameplay sticht das Spiel einfach aus der Masse der Adventures hervor.
Durch Steuerung, 3D Setting und eine leicht phantastisch angehauchte Spielumgebung wird man zuerst den Vergleich zu Dreamfall ziehen wollen. Das wird dem Spiel aber nicht gerecht:
Das Spiel gliedert sich in 8 Kapitel, wobei man in jedem dieser Kapitel anfänglich umgebracht wird, um dann im weiteren Verlauf des Kapitels mit Hilfe der Zeitmaschine die Ereignisse der Vergangenheit so zu beeinflußen, daß der Mord verhindert wird.
In jedem Kapitel läuft dabei eine Uhr, ein Timer der die Zeit für ein Kapitel limitiert. Schafft man nicht innerhalb dieses Limits das Kapitel zu beenden, muss man das Kapitel von neuem anfangen.
Da die Aufgaben aber recht einfach sind, ist dies allerdings kaum ein Frustmoment, höchstens im 8ten Kapitel vor dem Finale wird die Zeit einmal ein wenig knapp.
Was macht dann SoM so besonders?

Es ist das große Maß an Nichtlinearität, was ich bei einem Adventure so selten erlebt habe. Es gibt sehr viele Sidequests, Dinge die man nicht unbedingt machen *muss* um ein Kapitel zu beenden, Dinge jedoch, die möglich sind und sich später in einer Spielbewertung in Prozent niederschlägt.
Desweiteren kann man die weitere Handlung durch eigenen Aktionen beeinflußen, so daß sich verschiedene - insgesamt sechs - Enden auftun.
Jedes Ende für sich verrät dabei etwas mehr von der komplexen Geschichte, wobei sich die Enden sehr stark unterscheiden. Eine Motivation das Spiel ist allen Variationen zu beenden ist also durchaus gegeben.
Schafft man nun alle Enden durchzuspielen, so kann man eine Art Bonusspiel aktivieren. Dabei erhält man einen verlängerten Prolog, der die Geschichte wiederum aus einer anderen Perspektive, einer Art "Meta-Perspektive" darstellt. Eike ist sich dann der vorhergehenden Ereignisse bewußt. Spielt man in dieser Variante dann das Spiel nochmal durch, so erhält man wiederum zwei neue Enden.
Klingt alles sehr durcheinander? Die Geschichte ist sehr komplex und die Tatsache, daß ich nach Beenden des Spiels erstmal ca. eine Stunde in einer Internet "Plot-FAQ" gelesen habe spricht Bände.
Es ist aber nicht so, daß die Geschichte unlogisch (gut beim Thema Zeitreisen gibt es immer ein paar Logiklücken) wäre, sie ist in sich gesehen konsistent und logisch, aber eben komplex. Während z.B. bei Dreamfall einfach zahlreiche Dinge offen gelassen werden, so ist dies bei SoM nicht so.
Insgesamt hätte diese Geschichte auch durchaus einen guten Film hergegeben, bzw. durch das begrenzte Setting erinnert es auch stark an ein Bühnenstück. Mit dem Unterschied, daß man durch die Nichtlinearität und verschiedenen Enden quasi sein eigenes Bühnenstück schreibt und variiert. Wobei am Ende, nach Durchspielen des Bonusstücks auch die Ansicht erlaubt sei, alle diese Variationen (Enden) seien nur Teilaspekte einer großen Geschichte.

Etwas störend in diesem Zusammenhang ist die komische Art zu speichern, die wohl aufgrund von Limitierungen der Playstation zustande kam, auf dem PC aber absolut keinen Sinn macht:
Der Speicherbereich ist unterteilt in zwei Bereich - meine Vermutung, daß er so aufgeteilt ist, um der möglichen Größe von Playstation 2 Memorycards entgegenzukommen, so daß das Spiel dann zwei verschiedene Memorycards unterstützen würde - in jedem diese Bereiche gibt es wiedrum fünf Speicherslots.
Davon sind vier der fünf Speicherslots für Kapitelanfänge reserviert, es wird nach jedem Kapitel automatisch zum Speichern aufgefordert.
Der eine, übrige Slots dient dazu innerhalb eines Kapitels abzuspeichern.
So gibt es insgesamt also 1*2 Slots um in einem Kapitel abzuspeichern und 4*2 Slots für die 8 Kapitel.
Um in den "continous" Slots abzuspeichern, also während eines Kapitels, muss man allerdings die Zeitmaschine wählen, das Spiel darüber verlassen und kann vorher abspeichern. Man muss also jedesmal, wenn man innerhalb eines Kapitels abspeichern will zurück zum Hauptmenü. Was absolut keinen Sinn macht irgendwann beim wiederholten Spielen und Saven ziemlich auf den Nerv geht. Warum für die PC Version nicht einfach ein ganz "normales" Savesystem mit unlimitiert viele jederzeit möglichen Saves implementiert wurde, bleibt ein Geheimnis der Entwickler.

Aus genau diesem Grund ist aber auch eine Bewertung der Spielzeit so schwierig. Spielt man nur von Anfang bis zu einem möglichen Ende, macht in den Kapiteln nur das nötigste um voranzukommen so ist das Spiel durchaus in ca. 4h bis 5h durchzuspielen. Spielt man das Spiel in seiner gesamten Komplexität mit allen möglichen Enden und Variationen durch, so kommt man ca. auf eine Spielzeit von 25-30h.
Zum Vergleich: Ich habe das Spiel ohne viel Sidequests durchgespielt und drei der sechs möglichen Enden gespielt. Danach habe ich mir ein Savegame aus dem Internet besorgt, um die restlichen 3 Enden zu erleben. Die "Extended Enden" habe ich nicht gespielt, sondern in einer "Plot-FAQ" im Internet erlesen. Ich habe ca. 14h gebraucht.
Und auch wenn man zwangsläufig Teile des Spiels wiederspielt, so ist der Wiederspielwert doch hoch und eine Kritik bzgl. zu geringer Spielzeit ist doch unangebracht, wobei das Savesystem doch gelegentlich frustriert.

Insgesamt: Wenn
- man keine Angst vor 3D Adventures hat
- man durchaus auch mit einem leichten Erfolgsdruck, der auf den Spieler durch das Zeitlimit ausgeübt wird klar kommt
- man ein Gamepad besitzt
- man generell mit dem Spielgefühl, was ein solches, portiertes Konsolenspiel mit sich bringt klarkommt

dann ist dieses Spiel äußerst zu empfehlen.
Offenbar ist dieses Spiel zu unrecht in der Adventurecommunity zu wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden, was wohl an der Konsolenherkunft liegt bzw. an der späten Portierung.

Und diese späte Portierung läßt mich dann auch an der Wertung zweifeln.
Im Jahre 2001 hätte ich dem Spiel ohne mit der Wimper zu zucken 90% gegeben. Damals war auch die Grafik sicherlich Stand der Zeit und für die Playstation 2 war das Speichersystem sicherlich nicht besser zu realisieren.
Das das Spiel dann drei Jahre später wirklich 1:1 portiert wurde ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten eines PCs zu legen ist schade. Die Grafik war dadurch auch 2004 nicht mehr Stand der (PC)-Zeit.
2004 hätte ich dem Spiel vlt. 87% gegeben.
Jetzt ist allerdings 2007. Wobei sich die Grafik durchaus nicht zu verstecken braucht vor einem - zugegebenermaßen grafisch ziemlich schwachen - aktuellen Titel wie BF4, ist sie trotzdem veraltet. So würde ich heute auf 84% abwerten. Wobei das vielleicht etwas hart ist, wo doch auf - siehe Comments - auf Adventure-Treff jedes Spie, was nicht bei drei auf den Bäumen ist mehr als 80% bekommt :twisted: :twisted: :twisted:

PS: Paßt nirgendwo so recht ins Review, aber ein paar Lacher gibt es schon aufgrund der Herkunft des Spiels (Japan):
1.) Dort hat man sich offenbar eingehend mit dem Thema Deutschland im Mittelalter beschäftigt, möglicherweise sogar Goethes Faus II gelesen aber
2.) dabei das aktuelle Deutschland aber etwas vergessen haben. So rennt Eike in einer Art Trachtenjacke rum; offenbar spielt das Spiel in einem sehr konservativen Teil Bayerns;
3.) Der Mörder fährt einen blauen Mercedes Stuttgarter Kennzeichen. Großfahndung!
4.) die Straßennamen reichen von vernünftig (Hauptstraße... naja Haupt Straße. Wohl nach der Rechtschreibreform *g*) bis komisch (Rückgrat Straße ... wahllos im Wörterbuch nachgeschaut?)
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