Touché - Die Abenteuer des fünften Musketiers

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stans_gebrauchtwaren
Süßwasserpirat
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Touché - Die Abenteuer des fünften Musketiers

Beitrag von stans_gebrauchtwaren »

Frankreich 1562. Die Religionskriege stehen kurz vor dem Ausbruch, und irgendwo in all den politischen Wirren der Zeit finden wir unseren leicht überheblichen, dennoch sympathischen Helden Geoffroi in Rouen wieder, wo er als Fähnrich zu den Musketieren stoßen soll, um Frankreich gegen die Engländer zu verteidigen. Doch wird er gleich bei seiner Ankunft Zeuge eines Mordes an einem Adligen, dem Comte de Peuple, so dass die ursprünglichen Pläne erst einmal ad acta gelegt werden. Vielmehr sucht Geoffroi nach einem Testament, von dessen Diebstahl der Erstochene mit seinen letzten Atemzügen berichtet, und versucht nebenbei auch noch, das Herz der wunderschönen Juliette für sich zu gewinnen. So entwickelt sich eine interessante Abenteuergeschichte, die bis zum (für mich unbefriedigenden, für andere aber bestimmt genau richtigen) Ende spannend bleibt. Geoffroi und sein Diener Henri ziehen dabei durch Rouen, St. Quentin, Amiens, Paris, Le Mans, Le Havre und sogar Räuberlager und Schlösser.

Die Grafik des Spiels genügt den Standards der Erscheinungszeit (1995) und ist schön farbenfroh, in prächtigem SVGA. Die Zeichnungen sind liebevoll und in ganz eigenem, für mich sehr angenehmen Stil. Im Laufe des Spiels werden verschiedene Städte besucht, schnell stellt man aber fest, dass Stallungen, Wirtshäuser und selbst Kathedralen überall doch sehr ähnlich ausgesehen haben müssen - Fertigbauweise im 16. Jahrhundert? Immerhin machen selbst die Protagonisten des Spiels immer wieder Ihre Witzchen über die gleich aussehenden Schmiede oder Geistlichen.

Sowieso sind Sprachausgabe (englisch) und Musik die wohl stärkste Seite des Spiels. Die Witze sind treffsicher (auch wenn in der deutschen Übersetzung, die in den Untertiteln optional mitläuft, teilweise arg geschludert wurde), die Unterhaltungen glaubhaft, die musikalische Atmosphäre nie störend, sondern die Situation unterstützend.

Die Steuerung funktioniert ähnlich den Lost Files of Sherlock Holmes - durch Rechtsklick auf einen Hotspot werden die möglichen Interaktionsmöglichkeiten angezeigt, dabei sind auch so kreative Möglichkeiten wie "springe", "klettere" oder "tritt" gegeben, wenn sie Sinn machen könnten. Durch Linksklick bewegt man Geoffroi durch die Landschaft. Das Inventar ist im unteren Bereich des Bildschirms angesiedelt. Insbesondere hat man auch einen Geldbeutel, der aber nur für wenige Minuten im Spiel gefüllt ist (bei zwei Gelegenheiten) - für mich ein verschenktes Feature.
Verschiedene Orte werden über eine Karte erreicht - dabei muss aber immer gewartet werden, bis die Protagonisten über die Karte gelaufen sind, ein schneller Doppelklick ist nicht möglich. Das gilt auch für Laufwege innerhalb von Städten, diese sind aber nicht sonderlich groß. Gespräche werden ganz wie bei den meisten LucasArts-Spielen durch Auswahl der gewünschten Antwort/Frage geführt.

Die Rätseldichte des Spiels ist vergleichsweise hoch, es sind eigentlich alle typischen Adventurerätsel enthalten: Such den Gegenstand, Botengänge, Instandsetzung einer Maschine, Wahl der richtigen Antwort im Gespräch, Tauschgeschäfte, etc. Die Rätsel sind dabei immer logisch nachvollziehbar und größtenteils kreativ und unverbraucht. Eine Besonderheit des Spiels ist, dass der Diener Henri sein eigenes Inventar hat - Gegenstände können beliebig zwischen den beiden Charakteren hin und her transferiert werden, dies ist aber im Spiel nur sehr selten von Belang. Wird Geoffroi von Henri getrennt, so muss man aufpassen, dass Geoffroi alle benötigten Gegenstände im Inventar hat.

Problematisch kann werden, dass manchmal nicht ganz klar ist, was als nächstes zu tun ist. So stehen einem schnell viele Orte offen, und einige Rätsel können unabhängig voneinander in beliebiger Reihenfolge angegangen werden - das Spiel wirkt dadurch schön nichtlinear, man stellt aber irgendwann fest, dass man eine völlig andere Aufgabe erledigen muss, um dann an der ursprünglichen Baustelle weiterkommen zu können. Manche Gegenstände sind schwer zu entdecken (insbesondere der allerletzte, der im Spiel gebraucht wird), durch das schon angesprochene Recyceln mancher Orte ist man auch manchmal nicht ganz sicher, wo man schon alles durchsucht hat. Sehr unangenehm ist mir aufgefallen (ich habe das Spiel über ScummVM gespielt, vielleicht ist es dieser Tatsache geschuldet), dass Hotspots erst nach kurzer Verweildauer über dem Gegenstand eine Anzeige beim Cursor generierten - wird der Bildschirm also zu schnell mit der Maus abgesucht, findet man nichts, obwohl so vieles auf einen warten würde...

Immer wieder aufpassen muss man auch, dass sich manche Orte verändern, wenn man andere Aufgaben erledigt hat. Man sollte also Locations immer mal wieder abklappern, um sicher zu sein, dass man nichts verpasst hat.

Beherzigt man diese Ratschläge und verzeiht ein etwas langsames Interface (Reisen und Hotspotsuche), so erhält man mit diesem Spiel, für das Adventureprofis wohl knapp unter zehn Stunden benötigen dürften, eine äußerst humorvolle Packung Spätrenaissance mit angenehm kreativen, immer logischen Rätseln und zwei sympathischen Helden. Touché.

Fazit:

Story: 18/20
Grafik: 16/20
Sound/Musik: 19/20
Steuerung: 12/20
Rätsel: 17/20

GESAMT: 82/100

PS: Kleiner Bugreport: Versucht bloß nicht, unter ScummVM (zumindest mit dem daily build 0.12.0) bei einem Savegame einen Umlaut einzugeben. Dann beenden sich nämlich ScummVM und Spiel auf einen Schlag. #-o
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