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Re: The Walking Dead

Verfasst: 11.05.2012, 00:20
von elfant
Adven hat geschrieben:Ich verstehe nicht, warum es kein Adventure sein soll. Es hat für mich so ziemlich alles, was das klassische Adventure ausmacht und es kommt darin nichts aus anderen Genres vor..... aber zumindest gegen die Bezeichnung "interaktiver Film" würde ich mich sperren, da es dazu nicht automatisch genug abläuft.
Die Frage ist ja dann, welche Genredefinition ausgeweitet werden soll. Streiche ich die Rätsel aus den Adventuren, den "vollautomatischen" Ablauf bei dem Interaktiven Film oder bilden man ein neues (Sub)Genre.
Simon hat geschrieben:Vielleicht ist es eine Weiterentwicklung bestehender Genres, die irgendwann ein neues Genre begründen könnte.
Die Probleme gab es ja schon länger: Spiele wie "Sherlock Holmes: consulting detective"(welches ja noch recht reinrassig war), "Blade runner", "Fahrenheit" oder um ein andere Zwittergenre zu bemühen Metal Gear.
Simon hat geschrieben:n dem Zusammenhang, dass das Jump'n'run ein noch mehr totes Genre als das Adventure ist.
Ich dachte mit dem iPod / iPhone / iTouch gäbe es dort eine große Wiederauferstehung neben ein paar Kinderspielen und Spielen wie "Mirror egde". Abgesehen davon heißt es doch sicher: nochknapper am Leben. ;)

Re: The Walking Dead

Verfasst: 11.05.2012, 12:27
von Vainamoinen
elfant hat geschrieben:Die Frage ist ja dann, welche Genredefinition ausgeweitet werden soll. Streiche ich die Rätsel aus den Adventuren, den "vollautomatischen" Ablauf bei dem Interaktiven Film oder bilden man ein neues (Sub)Genre.
Computerspiele haben extrem willkürlich gewählte Bezeichnungen, eine feste "Genredefinition" gibt es da nicht. Und im Adventuregenre hatte ich immer das Gefühl, narrative Spiele landen nach dem Ausschlussprinzip automatisch in dieser Definition, wenn sie keine unmittelbar labelinduzierenden Elemente anderer Genres haben (z.B. Attributswerte = automatisch Rollenspiel). Sozusagen die Notfalls-Abfalleimer-Genreklassifikation hilfloser Publisher, Einzelhändler und Spielemagazine. Insofern hätte sich ein Adventure - aber das ist natürlich eine gewagte These!! - immer vorrangig dadurch definiert, welche Elemente es gerade NICHT hat. Einem Spiel wie Walking Dead die Adventureartigkeit abzusprechen heißt, den armen verzweifelten Genreklassifizierern ihr letztes Sicherheitsnetz zu nehmen. Und das ist echt keine gute Sache, denn dann schreiben diese Leute gequirlten Schwachsinn wie: "Das Spiel entzieht sich den klassischen Genreeinteilungen" (wie es die GameStar z.B. beim Test zu Mass Effect 3 verbrochen hat, weil ihnen die TPS-Sequenzen nicht in ihre offenbar wackligen Schubladen gepasst haben ;) ).

Ich hätte nichts dagegen, wenn das Adventure als Klassifikation das "Auffangbecken" für erzählende Spiele wird, die etwas Neues versuchen. Ob das jetzt eigentlich ein neues Genre ist, ein Sub-Genre oder eben doch nur der langerhoffte Jungbrunnen für ein geliebtes steinaltes Genre, das möge in 25 Jahren im Rückblick durch ein paar anmaßende Wikipediachronisten entschieden werden.

Der "interaktive Spielfilm" ist dagegen seit Jurassic Park das Label des Todes. Ich glaube, das weiß jetzt sogar Telltale. :D

Re: The Walking Dead

Verfasst: 11.05.2012, 18:44
von elfant
Pardon aber sind Genreeinteiliungen andere künstlerischen Medien etwa besser? Literatur oder Musik habe durchaus ähnliche Probleme. Feste Definition gibt es auch dort nicht und dennoch haben sich gewisse grundzüge einer Definition durchgesetzt.
Für mich gehört das Erzählen einer Geschichte nicht primär zu einem Adventure, sonder zum gesamten Medium Computerspiele. Darüber kannman sich natürlich streiten, weil es gerade in den Anfängengab man sich damit kaum eine Mühe und andere Genres hatten eine geschicht alá: "Die Welt wird von Aliens angegriffen. Töte sie" als Dialog im Startbildschirm. Adventures haben sich da eben schon immer hervorgetan.

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 11:03
von Vainamoinen
Du hast natürlich vollkommen recht: feste Genreeinteilungen anhand von Merkmalen sind so eine Sache. Selbst in Film und Buch, wo nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten jemand rückblickend Einteilungsmaßstäbe festlegen kann, geht das unter Umständen schief (und das weiß ich sehr gut - ich bin weiterhin der Ansicht, in der Literatur eine Magisterarbeit über einen Autor geschrieben zu haben, der von der Forschung gewaltsam in die vorherrschende Strömung seiner Zeit hineininterpretiert wurde, dort aber zum Geier einfach nicht hineingehörte).

Das Medium Computerspiel neigt zum Geschichtenerzählen, ja - aber doch weniger als Buch und Film. Urgesteine wie Tetris und Pong kamen ganz ohne aus, was in Belletristik und Kinematographie dagegen kaum eine Option sein dürfte. Und auch heute, und in allen Spiele-Genres, ist eine wirklich kunstvoll erzählte Geschichte eine unübersehbare Seltenheit. Das Adventure brauchte hier vermutlich aus Ausfüllgründen mehr Raum für Handlung und Charaktere und zog die wenigen ernstlichen Geschichtenerzähler unter den Designern geradezu an. Ich gehe also auch mit deiner Ansicht konform, dass sich Adventures durch die Geschichte immer hervorgetan haben.

Aber je stärker die Geschichte, desto weniger Interaktivität für den Spieler. Das ist eine Regel, an deren Überwindung sich Entwickler jahrzehntelang die Zähne ausgebissen haben. Die (gefährliche ;) ) Nähe des Adventures zum "interaktiven Spielfilm" wird in Spielen wie "Dreamfall" sehr deutlich, wo selbst kreative Großhirne wie Tørnquist es einfach nicht geschafft haben, in ihre heilige Geschichte auch Herausforderungen ("Rätsel") für den Spieler einzubauen. Dieses Element scheint einfach nicht mehr hineingepasst zu haben.

Während der Entwicklung von "Jurassic Park" haben die Telltale-Entwickler von ähnlichen Erfahrungen berichtet. Es sollten erst mehr Rätsel werden, aber sie fühlten sich innerhalb des ernsten Settings stets extrem künstlich und unangebracht an, also wurden sie wieder herausgeschnitten. Es schmerzt ein bisschen, das zuzugeben, aber ich bringe Verständnis dafür auf. Soll jede Adventure-Geschichte die eines stereotyp mcgyverigen Helden sein, der durch findige Gegenstandskombinationen und das Verständnis für uralte Schaltapparaturen seine Herausforderungen meistert? Soll das am Ende das erzählerische Maximum des gesamten Genres sein?

Ich plädiere jetzt einfach mal dafür - und das ist sicher einen Hauch übertrieben ;) - "The Walking Dead" als lupenreines Adventure zu behandeln. Seine Rätsel liegen in den Persönlichkeiten des Hauptcharakters und der Nebencharaktere begründet. Der Spieler unternimmt z.B. den Versuch, sie zu verstehen, trösten, aufzumischen oder sonstwie zu manipulieren, während er zunächst die zugrundeliegenden "Mechaniken" nur zu erraten versucht. Das ist durchaus herausfordernd und erzählerisch reicher als ein Schiebe- oder Kombinationsrätsel, bietet aber natürlich nicht das von Computerspielern generell erwartete "instant gratification"-Schema; und es ist für den Designer extrem schwierig, dem Spieler so viele mögliche Ausgänge der Entscheidungen zu bieten, dass dieser sich wirklich eingebunden fühlt.

Das Design mag an seinem Anfang stehen, viele Dinge wirken für mich etwas ungelenk und zu schnell durchschaubar. Auch ich wünsche mir eine "Kombination" dieser Mechaniken mit dem klassischen Adventure, aber wer weiß, vielleicht kann diese Idee allein in Ausbaustufe 5 das ultimativ befriedigende ADVENTURE- und SPIELerlebnis sein?

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 11:12
von mono
Tja, wenn die Charaktere zur Abwechslung ausnahmsweise auch mal rätselhaft wären.

Weckt mich, wenn TTG sein ewiges Versprechen mal in die Tat umgesetzt hat. So ist's mehr ein leicht überdurchschnittliches Erlebnis mit der üblichen "Aber wenn das so wäre, dann könnte das so sein."-Hoffnung. Das geht jetzt bereits über wieviele Jahre so?!

Was ich bemerkenswert fand: Als Tim im neuen Video darüber sprach wie er sich über den Titel von Grim Fandango den Kopf zerbrochen hat, mußte ich irgendwie an TTG denken, und sah bildlich eine Liste mit nur 5 anstatt 50 Versuchen der Namensgebung vor mir; das beschreibt das Prinzip TTG recht deutlich.

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 16:32
von Ulrich
Vainamoinen hat geschrieben:Du hast natürlich vollkommen recht: feste Genreeinteilungen anhand von Merkmalen sind so eine Sache. Selbst in Film und Buch, wo nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten jemand rückblickend Einteilungsmaßstäbe festlegen kann, geht das unter Umständen schief.
Um deine Argumentation weiter zu stützen: Eigentlich geht das immer schief. Genreeinteilungen erscheinen meiner Ansicht nach immer nebulöser oder willkürlicher, je näher man sie sich anschaut. Gleichzeitig braucht man sie, sonst könnte man gar keine Unterschiede machen und folglich auch nicht mehr vergleichen. Deswegen hat es auch gar keinen Sinn, wenn man Genredefinitionen hunderprozentig trennscharf entwerfen will. Stattdessen halte es besser, sie bewußt offen zu halten. Übertragen auf die Genrediskussion hier hieße das zum Beispiel, das Adventure als etwas zu verstehen, das irgendwie am stärksten am narrativsten Pol und am wenigsten am interaktivsten Pol ist - also im Prinzip als "narrative Resterampe" (um deinen Vorschlag von oben etwas salopper zu formulieren).
Vainamoinen hat geschrieben:Aber je stärker die Geschichte, desto weniger Interaktivität für den Spieler.
Hochspannendes Thema, das auch in der theoretischen Literatur sehr umstritten ist. Die Frage ist, ob man die gerade so populären "moralischen Entscheidungen" in Rollenspielen wie "Mass Effect" bzw. die Konsequenzen in "Heavy Rain", die den Verlauf der Geschichte verändern nicht als Erweiterung sowohl der erzählerischen als auch der interaktiven Komponente verstehen kann. Ein früheres Beispiel sind die Textadventures, die innerhalb ihrer Möglichkeiten ja sowohl spielerisch als auch erzählerisch bedeutend komplexer waren als Adventures heute. (Natürlich auf Kosten der Zugänglichkeit. Aber das ist ein anderes Thema. :D )
Ich bin da aber auch mißtrauisch und der Meinung, daß es erstmal sinnvoll ist, Erzählung und Spiel als getrennte Elemente zu betrachten, die man in Balance bringen muß. Daher halte es auch für nicht allzu sinnig, die Dramaturgie von Computerspielen mit den Maßstäben von Filmen zu messen und dann zum Ergebnis zu kommen: Das Spiel ist dem Film dramaturgisch hinterher. (Schließlich wirft niemand dem Film vor, dem Computerspiel spielerisch hinterher zu sein...)
Vainamoinen hat geschrieben:(und das weiß ich sehr gut - ich bin weiterhin der Ansicht, in der Literatur eine Magisterarbeit über einen Autor geschrieben zu haben, der von der Forschung gewaltsam in die vorherrschende Strömung seiner Zeit hineininterpretiert wurde, dort aber zum Geier einfach nicht hineingehörte).
Das klingt spannend. Nähere Infos würden mich freuen. (Gerne auch PN)

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 17:36
von realchris
definitionen sind immer geschlossen. es kommt immer nur darauf an, wo man die grenze zieht. allerdings ist das auch nicht völlig beliebig.

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 17:45
von Möwe
Ich finde eine exakte Definition für Adventures eher kontraproduktiv.
Einerseits gibt es schon eine zu brete Palette an Varietäteten, andererseits beraubt man dem Genre der Möglichkeit, sich zu entwickeln.
Man sehe sich nur an, was verschiedene Kulture unter einer Theateraufführung verstehen und wie verklausuliert manche Definitionen davon sind. Wäre doch schade, wenn das Adventure sich nur in eine Richtung entwickeln könnte, statt in viele.
Letztlich ist es mir egal, wie das Dings heisst, dass ich spiele, solange es mich überraschen und fesseln kann- auch über die Grenzen hinaus, innerhalb derer ich es definiert haben möchte.

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 18:29
von Matt80
@Möwe: Letztlich muss es aber eine halbwegs klare Genre Definition geben, damit das Genre seine Funktion erfüllen kann. Und ist aus meiner Sicht eben einerseits eine Kauforientierung und andererseits u.a. auch ein Hinweis für die Entwickler um zu sehen, um welche Erwartungshaltungen es geht und inwieweit sie gebrochen werden. Kann natürlich auch für die Vermarktung wichtig sein. Oder wo auch immer. Die Bezeichnung verhindert aus meiner Sicht nicht die Weiterentwicklung, kann sie sogar fördern. Wenn ich weiß, wo die Grenzen liegen, kann ich mich leichter daran machen, sie zu brechen. In Literatur und Co. wurden die klassischen Genre's früher sehr klar definiert. Definitionen zu Tragödie und Co. findet man schon bei Aristoteles. Hat nicht geschadet.

Wenn ich hingegen nach einem Apfel frage, und eine Birne bekomme, weil jemand die Definition nicht zu eng fassen wollte, dann verfehlt die Bezeichnung ihren Zweck und für den Obstverkauf wird das dann womöglich ein bisschen schwierig werden. Ist also rein von der Perspektiv des Verkaufs her ziemlich schwierig. Anhand einer klaren Abgrenzung kann man dann auch viel besser festmachen: Okay, es hat die und die Adventure Elemente, aber das und das ist anders. Lässt sich dann auch ganz gut der Zielgruppe verklickern, damit es auf möglichst zutreffende Erwartungshaltungen trifft. Aber eins ist für mich persönlich auch klar: Ein Genre ist sowieso immer nur ein Idealzustand. Der wird mehr oder weniger erreicht. Du mußt aus meiner Sicht den Idealzustand aber trotzdem mal so gut wie möglich festlegen (wobei ich Idealzustand in diesem Fall nicht wertend meine - eine Abweichung ist hier nicht zwangsläufig schlecht)

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 21:45
von Ulrich
Matt80 hat geschrieben:@Möwe: Letztlich muss es aber eine halbwegs klare Genre Definition geben, damit das Genre seine Funktion erfüllen kann. (...) In Literatur und Co. wurden die klassischen Genre's früher sehr klar definiert. Definitionen zu Tragödie und Co. findet man schon bei Aristoteles. Hat nicht geschadet.
"Halbwegs klar" halte ich für eine gute Formulierung. Das gibt die Möglichkeit, Unterschiede zu machen und Grenzen zu definieren. Ich bin nur der Meinung, daß das es immer schwieriger wird, deutliche Grenzen aufrechtzuerhalten, je näher und detaillierter sich die ganze Sache ansieht.
Matt80 hat geschrieben:Wenn ich hingegen nach einem Apfel frage, und eine Birne bekomme, weil jemand die Definition nicht zu eng fassen wollte, dann verfehlt die Bezeichnung ihren Zweck
Manchmal ist es schon bedauerlich, daß es im Computerspielbereich nicht ganz so leicht ist wie mit Obst... :D
Matt80 hat geschrieben:Du mußt aus meiner Sicht den Idealzustand aber trotzdem mal so gut wie möglich festlegen (wobei ich Idealzustand in diesem Fall nicht wertend meine - eine Abweichung ist hier nicht zwangsläufig schlecht)
Ich bin eher der Meinung, man muß immer wieder an der Realität überprüfen, inwiefern eine Genredefinition noch tauglich ist.

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 22:06
von Matt80
Ich bin eher der Meinung, man muß immer wieder an der Realität überprüfen, inwiefern eine Genredefinition noch tauglich ist.
Wie du den "Idealzustand" (oder sagen wir den zentralen Genre-kern oder wie auch immer du's nennen willst, ist eigentlich egal) festnagelst, ist eine andere Frage. Für mich ist es letztlich quasi eine Schnittmenge der Erwartungen der Zielgruppe im Hinblick auf ein Genre.

Eine Herangehensweise wäre zweifellos eine konkrete Analyse an existierenden Spielen anhand einer konkreten Genredefinition... kommt aber immer mit dem Nachteil, dass ein vorgefertigter Rahmen vielleicht nur einen Teil erfasst und zu kurz greift. Und letztlich... was ist schon Realität... da sind wir dann beim Konstruktivismus angelangt. Aber es gäb bestimmt viele Varianten und alles ist mit Vor- und Nachteilen verbunden.

Und ja, der Obst vergleich mag ohne viel nachdenken seltsam scheinen, aber letztlich wars nur als anschauliches Beispiel gedacht. Die Botschaft ist: In dem Moment wo das Genre dem Kunden zu Orientierung nichts bringt, muß man das Genre als solches in Frage stellen. Und letztlich erleichtert das dann nicht die Situation des Adventure Genres am freien Markt. Und dann ist aus meiner Sicht die einzige Chance, starke Marken zu etablieren, die ihrerseits quasi unabhängig vom Genre funktionieren können und mit halbwegs klaren Erwartungen verknüpft sind. Mag national hinhauen, wird aber international gesehen schwierig (Kostenfrage...). Aber gut, ist nur meine Sicht der Dinge.

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 22:49
von Ulrich
Matt80 hat geschrieben: Und letztlich... was ist schon Realität... da sind wir dann beim Konstruktivismus angelangt.
Als jemand, der auf Konstruktivismus viel gibt, würde ich da natürlich liebend gerne ausführlich drauf einsteigen, aber da die Diskussion ohnehin sehr weit von TWD abgekommen ist, verzichte ich drauf, auch den anderen zu liebe. :) Ist aber ein ganz gutes Stichwort, weil Genredefinitionen Konstrukte sind, um die Wahrnehmung zu rastern und daher finde ichs zwischendurch eine gute Überlegung, ob sie das denn angemessen tun und wieviel in die Raster reinpaßt.

Aber wahrscheinlich ist die Diskussion, so interessant sie auch ist, ohnehin müßig. Wahrscheinlich müssen wir in zehn Jahren nochmal diskutieren, wenn sich rausgestellt hat, ob wegen Spielen wieTWD und Heavy Rain von Spielemagazinen eine neue Bezeichnung eingeführt und neue Fan-Portale gegründet worden sind. Bis auf weiteres gibt es wohl keine bessere Bezeichnung als "Adventure".

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 22:49
von elfant
Möwe hat geschrieben:Man sehe sich nur an, was verschiedene Kulture unter einer Theateraufführung verstehen und wie verklausuliert manche Definitionen davon sind.
Aber die allgemeine Definition dafür war meines Wissens immer die Gleiche. Was Du meinst, waren eher die Vorgaben "um die Qualität zu wahren": Keine Frauen, Konzessionen, Darbietungsge - und verbote, Publikumsbeschränkung und so weiter.
Eine gute Definition bestimmt war etwas, beschränkt aber nicht und wie Ulrich schon schrieb überprüft werden muß.
Ulrich hat geschrieben:Manchmal ist es schon bedauerlich, daß es im Computerspielbereich nicht ganz so leicht ist wie mit Obst...
Als meine Lieblingshüsenfrüchte muß ich immer bei den Nüssen suchen und meine Lieblingsnüsse bei den Gemüse.

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 23:01
von Matt80
@Ulrich: Jup, ich nehme auch an, Telltale oder wer auch immer (vielleicht auch die Zielgruppe selbst), wird versuchen einen Begriff zu etablieren. Bis jetzt hat Telltale Jurassic Park und The Walking Dead als "Cinematic Adventure" bezeichnet. Weiß nicht ob sie dabei bleiben. So wirklich stark pushen sie den Begriff noch nicht - wirkt alles noch sehr vorsichtig. Mal sehen :).

Re: The Walking Dead

Verfasst: 12.05.2012, 23:50
von Adven
Ich glaub', wir brauch bald den "The Walking Dead Offtopic 2" Thread ... :mrgreen:

Man muss halt einfach damit klar kommen, dass nicht jedes Spiel einer konkreten Definition 100%ig entsprechen wird und es auch Mischungen usw. gibt. The Walking Dead erfüllt meiner Meinung nach alles, was ich von einem Adventure eben so erwarte und hat eigentlich nichts, das sonst eher anderen Genres zugeschrieben werden könnte. Reicht für mich aus, es als Adventure zu betrachten, auch wenn es sich deutlich anders spielt als ein Myst oder Monkey Island.
Vainamoinen hat geschrieben:Und auch heute, und in allen Spiele-Genres, ist eine wirklich kunstvoll erzählte Geschichte eine unübersehbare Seltenheit. Das Adventure brauchte hier vermutlich aus Ausfüllgründen mehr Raum für Handlung und Charaktere und zog die wenigen ernstlichen Geschichtenerzähler unter den Designern geradezu an. Ich gehe also auch mit deiner Ansicht konform, dass sich Adventures durch die Geschichte immer hervorgetan haben.
Interessanter Gedanke, dass Adventures mehr oder weniger aus der Not heraus so stark narrativ geprägt sind. Was wäre mit einem Spiel, dass hauptsächlich eine Aneinanderreihung von Escape The Room Bildschirmen wäre und ansonsten kaum Story böte? Immer noch ein Adventure?
Aber je stärker die Geschichte, desto weniger Interaktivität für den Spieler. Das ist eine Regel ...
Da kommt es sicherlich auch darauf an, was man unter "stark" versteht und was unter "Interaktivität". Das eine schließt das andere nicht unbedingt aus, man muss halt nur bereit sein, entsprechenden Aufwand hinein zu stecken. Letztlich ist da aber auch die Frage, wo was nötig ist - muss ein Spiel z.B. starke Interaktivität bieten, um gut zu sein? Ich erinnere an Spiele wie Hotel Dusk, wo man ja nun wirklich nicht viel zu tun hat außer von einem Storybatzen zum nächsten zu laufen. trotzdem würde ich es nur so und nicht anders haben wollen.
Während der Entwicklung von "Jurassic Park" haben die Telltale-Entwickler von ähnlichen Erfahrungen berichtet. Es sollten erst mehr Rätsel werden, aber sie fühlten sich innerhalb des ernsten Settings stets extrem künstlich und unangebracht an, also wurden sie wieder herausgeschnitten. Es schmerzt ein bisschen, das zuzugeben, aber ich bringe Verständnis dafür auf.
Ich nicht. Erstens, wenn ihnen das Spiel so nicht gefällt, wie sie es gemacht haben, hätten sie's halt bleiben lassen sollen. Zweitens, nur weil ihnen keine passenden Rätsel eingefallen sind, heißt das nicht, dass klassische Rätselkost nicht zu JP passt. Sie mag zu dem Spiel, dass sie letztlich gemacht haben, nicht passen, das kann ich nicht beurteilen, aber "es ging nicht anders" ist 'ne billige Ausrede, weiter nichts. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass das Spiel nicht auch gut so sein kann, wie es ist, denn als Cutscene zum selber steuern (jedenfalls lesen sich die Berichte so) hat es auch seine Daseinsberechtigung. Soweit ich das mit verfolgt habe, wurde die magere Rätselkost auch eher selten kritisiert, das Spiel soll als das, was es tatsächlich ist, nicht allzu berauschend geworden sein.
Soll jede Adventure-Geschichte die eines stereotyp mcgyverigen Helden sein, der durch findige Gegenstandskombinationen und das Verständnis für uralte Schaltapparaturen seine Herausforderungen meistert? Soll das am Ende das erzählerische Maximum des gesamten Genres sein?
Nun, unpassend und künstlich sind die meisten Rätsel in Adventures eigentlich ohnehin, selbst in den "ernsteren", auf "Realismus" setzenden. Ich denke, man muss soweit unterscheiden können, was ist nun wirklich Erzählung, was ist Gameplay. Ist in anderen Genres ja auch nicht anders. Was natürlich auch die Frage aufwirft, inwieweit man es schaffen kann, dass die beiden eine gute Einheit bilden.

Ich finde, das ist bei TWD in Bezug auf die Art der Rätsel gut gelungen, auch wenn es letztlich ruhig etwas schwieriger hätte sein dürfen.

Vor allem finde ich die Dialoge insofern gut, als das man selten Genretypisch alles durchklickt, bis man alles gehört hat, sondern man eine "echte" Unterhaltung führt und sich überlegen muss, was man sagt. Da könnten sich andere Adventures 'ne Scheibe von abschneiden.