Anbei mein Reisebericht des ersten Abschnitts. Nur nicht zu ernst nehmen.
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Wie so oft „erwache“ ich von Amnesie geplagt. Wer bin ich? Nur rudimentär kann ich mich erinnern. Robert Cath, Arzt. Da ich von Grundsatz her ein vorausschauender Zeitgenosse bin, will ich mich mit meiner Vergangenheit auch nicht gross beschäftigen. Wichtig ist nur, dass ich mich mit einem Freund treffen muss. Ein kryptischer Brief gab mir darüber Aufschluss. Oder auch nicht, da ich entscheide, dass ich für das Lesen keine Zeit habe. Intuitiv gehe ich davon aus, dass ich hier schnell handeln muss.
Ich bin verwirrt, muss mich zuerst orientieren. Dennoch muss ich Gas geben, da ich das wiederkehrende, unheimliche Gefühl habe, dass jede Sekunde ein Game Over vor meinen Augen auftaucht.
Dennoch nehme ich mir kurz Zeit, den Zug zu bewundern. Wirkt alles sehr schön hier. Der Schaffner konnte mir das Abteil meines Freundes Tyler Whitney nennen. Ohne Umschweife öffne ich die Tür und erstarre.
Tyler liegt Tod am Boden des kleinen, standartgemäss eingerichteten Schlafabteils. Mehr mangels Optionen und weil ich gerade nichts anderes tun konnte ergreife ich seinen Leichnam, welche ich für gefühlte 2 Minuten in meinen Händen halte. Gerne würde ich das Fenster öffnen, aber das geht nicht. Ach ja, ich muss wohl meine Hände frei haben, damit ich das Fenster öffnen kann. Lieblos knalle ich Tyler auf den Boden zurück, wo er exakt in die gleiche Position verfällt wie ich ihn aufgefunden habe. Dennoch habe ich keine Zeit für Sarkasmus, höre ich doch den Schaffner nahen.
Geistesgegenwärtig öffne ich mit meinen nun freien Händen das Fenster. Werfe meinen Kumpel raus und versaue mich dabei mit seinem Blut. Na toll. Ich erblicke die Jacke des verstorbenen und nehme sie. Somit sind die lästigen Blutspuren verdeckt. Schnell drehe ich mich um und schliesse das Abteil ab, da ich sicher gehen will, dass ich nicht gestört werde. Das Licht lösche ich auch gleich. Wenn auch nur damit ich weiss, was der Knopf tut, wenn ich ihn drücke.
Überaus gründlich irre ich in Tylers Abteil umher. Die Orientierung fällt mir sehr schwer. Wie besoffen, drehe ich mich sinnlos in verschiedene Richtungen. Trotzdem gelingt es mir eine Kiste zu entdecken. Der Inhalt scheint gestohlen worden zu sein. Gerade will ich mich wegdrehen, sehe ich ein orange-rotes Tuch, dass ich sogleich einstecke. Eine Spur!
Ich durchsuche auch die Tasche von Tyler, welche ich nach diversen Exzessen in der dritten Dimension finde. Nur Briefe und Plunder drin. Keine Zeit sie zu lesen.
„Service…Service“ hallt es französisch durch den Zug. Ich muss mich ablenken und tue was ich nach dem schockierenden Leichenfund eines guten Freundes so oft zu machen pflege…ich gehe essen.
Auf dem Weg zum Abteil sehe ich verschiedene Personen, dennoch bin ich in Eile. Auch die Gespräche der Passagiere interessieren mich nicht sonderlich. Im Speisewagen spreche ich mit einem Deutschen. Instinktiv gebe ich mich als Tyler Whitney aus und erfahre so von einem Deal, den ich mit dem werten Herren anscheinend am Laufen habe. In München wird der Deal platzen, wenn ich nicht auftreiben kann, was Tyler dem Deutschen als Austausch für seine „Lieferung“ geboten hat. Was es ist, das weiss ich nicht. Zeit sich schlau zu machen. Eine hübsche Dame fällt mir auf, welche sich aber nicht auf meine Versuche Konversation zu betreiben einlässt. Auch den Schal scheint nicht ihrer zu sein.
Die anderen Leute beachte ich nicht, da ich in Eile bin. Scheinbar. Zurück im Abteil erfahre ich vom umtriebigen Schaffner dass eine Person aus royalem Hause mich zu sprechen wünscht. Da ich natürlich daran interessiert bin, auch den Privatwagon zu besichtigen leiste ich der Aufforderung umgehend folge. Vielleicht hat es in dem opulent ausgestatteten Zusatzwagen ja etwas Sehenswertes. Oder noch besser, etwas für mein dürftiges Inventar.
Eine wortkarge Dienerin empfängt mich. Danach warte ich. Ich habe den Eindruck, als habe ich hier eine Möglichkeit verpasst. Noch bevor ich etwas von Relevanz finde, kommt der knurrige Kronos um die Ecke.
Das Gespräch verläuft genauso unterkühlt, wie es der Empfang angedeutet hatte. Richtig viel erfahre ich nicht. Er scheint meine Identität jedenfalls besser zu kennen als ich selbst. Ich probiere meine Überraschung zu verbergen und erfahre auch in diesem Gespräch rein gar nichts. Anscheinend hat er Gold für mich, wenn ich ihm gebe was abgemacht wurde. Ich kann mir nicht helfen, fühle mich aber nach dem Gespräch richtig dämlich. Schon wieder konnte ich das Gespräch nicht an mich reissen.
Auf dem Weg zum Speisewagen kreuze ich eine Dame welche Feuer benötigt. Gerne leiste ich den geforderten Dienst. Dafür übersetzt Sie mir den kyrillischen Brief, welche ich im Abteil von Tyler gefunden habe. Den hatte ich doch glatt fast vergessen.
Ich bin müde und will mich in meinem Abteil zur Ruhe setzten, doch da ist schon jemand drin. Eine dubiose Gestalt, welche sich als Milos zu erkennen gibt. Er meint, ich habe Tyler getötet und zückt sein Messer. Der blutgetränkte Boden hat den Knaben wohl zu dieser Annahme veranlasst.
Im drauffolgenden Kampf sterbe ich vor meinem inneren Auge tausend Tode. Lange weiss ich nicht was zu tun ist. Dennoch gelingt es mir, meinen Angreifer zu überwältigen. Danach wird dieser noch folgerichtig verhört. Anscheinend hat Tyler mit ihm und seiner Partnerin zusammengearbeitet. Wiederum bleiben die Details ziemlich im Dunkeln. Dennoch scheine ich nicht der Typ zu sein, der nachhakt und bleibe wie immer ziemlich konfus zurück.
Ich bin verwirrt und versuche meine Gedanken zu ordnen. Ich entwische an der Küche vorbei in in den Gepäckwagen und erforsche diesen. Das hätte ich mir sparen können, da ich rein gar nichts finde.
Auf meinem Weg zurück höre ich die Polizei! Anscheinend wird jeder im Zug kontrolliert. Sofort erkenne ich, dass ich weder Ausweis noch Ticket besitze. Sofort hetze ich in mein Abteil und sehe im Vorbeigehen die Polizisten näher kommen. Ich schliesse die Tür und lösche das Licht.
Zur Sicherheit klettere ich noch aus dem Fenster. Einen kurzen Augenblick wünschte ich, ich wäre in meinen Konversationen genau so souverän wie auf der Flucht vor den Staatsangestellten.
Der Schaffner wirft die Polizei raus, da man einen engen Zeitplan einzuhalten habe. Wäre ja noch schöner, wenn wegen einem Mord plötzlich der gesamte Fahrplan im Eimer ist.
Ich klopfe mir geistig auf die Schultern. Die Situation habe ich wirklich erstaunlich gut gemeistert. Ich belohne mich sogleich mit einem kleinen Nickerchen. Wenn ich schon im wachen Zustand nichts in Erfahrung bringen kann, dann hilft vielleicht etwas Schlaf.
Doch was ist das, ich erwache und fühle mich seltsam. Alles ist still. Keiner da. Mehr als Zufall denn Absicht öffne ich eines der Abteile und da liegt doch mein toter Freund Tyler Whitney im Bett. Der Tote erhebt sich und nimmt ein Speiseei aus seinem Mund. „Wieso lässt du es nicht singen“ so die Frage des Zombie-Tyler.
Kurz darauf erwache ich einigermassen gefasst in meinem Bett. Hatte ich doch in durchzechten Nächten weit konfusere Träume.
Ah, wir sind in Strasbourg eingetroffen und alles was ich weiss ist, dass ich mich heute weitaus geschickter anzustellen habe, wenn ich etwas in Erfahrung bringen will.