Dem würde ich widersprechen. Wenn ich irgendwo FMV lese, dann schreckt mich das eher ab, als dass es mich anzieht oder reizt. Ich bin jetzt zwar auch nicht die Generation 40+, welche Du ins Auge fasst, dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass es vielen anderen auch so geht.
Welche Assoziation löst FMV in mir aus? In erster Linie Gabriel Knght 2, Phantasmagoria, ...
alles sicher geschichtlich spannende Spiele, die mich aber immer zurückgeschreckt haben. Zum eine empfinde ich die schauspielerische Leistung der Protagonisten als unterirdisch, die Videoqualität ist grauenhaft (technologisch bedingt) und der einhergehende Bruch zwischen "jetzt spiele ich aktiv, jetzt läuft ein Film", den man einfach sieht.
Ich bezweifle nicht, dass ein qualitativ hochwertig produziertes Spiel all diese Probleme lösen könnte, zumal wir technisch inzwischen so weit sind, dass die Filmsequenzen im Spiel am PC wirklich wie ein Film aussehen, aber das ganze wird dennoch einen enormen finanziellen Aufwand mit sich bringen. Die Produktionskosten für einen Film plus die Produktion eines Spiels. Je überzeugender die Qualität sein soll, um nicht die Probleme zu bekommen, die oben genannte Spiele in meinen Augen haben, desto mehr Geld muss einfach investiert werden, Geld, das auf dem Adventure-Markt potentiell nie wieder reingeholt werden kann. Andernfalls sieht man einfach, dass der Charakter nicht im Schauplatz steht, sondern drüber gelegt wurde, dass die Qualität der Videosequenzen aus Kosten- und Platzgründen heruntergerechnet wurde, dass ....
Ich möchte als Paradebeispiel einmal The Moment of Silence anführen. Ein Spiel, das meiner Meinung alles bietet, eine klasse Geschichte, keine Comic-Figuren sondern "reale" Eindrücke ohne vor dem Problem zu stehen, einen Bruch zwischen filmischen Charakteren und virtuellen Schauplätzen zu vermitteln. Der Protagonist wirkt vor dem Hintergrund nicht deplatziert, das ganze Spiel ist in sich eine stimmige Sache. Es ist kein Mischmasch aus unterschiedlichen Techniken und "Stilmitteln".
The Moment of Silence als FMV hätte für mich nicht funktioniert. Genauso wie Phantasmagoria leider für mich nicht funktioniert hat, ebenso wie Gabriel Knight. Diese beiden Spiele hätte ich lieber als ernste und ernstzunehmende Comic-Adventure "in sich stimmig" gespielt, als mir mit schlechten Videos, schlechten Animationen, deplatzierten Charakteren, nervigem "Herumgehampel" (was hat der Mensch eigentlich mit seinen Haaren?), und .... (aaaaaaaahhhhhh)... mir die Stimmung vermiesen zu lassen.
In Gabriel Knight 2 war es einfach so grauenhaft, dass ich mich nicht dazu motivieren konnte, es zu Ende zu spielen, obwohl mich der Fortgang der Geschichte wirklich interessiert hat. (Und ich habe mich durch so manchen Schotter gequält, z.B. Forever Worlds

)
Ich denke, eine spannende, ernstzunehmende Geschichte für Erwachsene und "Comic"-Grafik schließen sich nicht zwangsläufig aus. Da wird sich zeigen, was Pendulo Studios mit Yesterday macht.
Wobei sich die Frage stellt, was Comic-Grafik alles ist. Als was bezeichnet man den Grafikstil von BoUT? Animation? Ich denke in diesem Grafikstil würde ein düsteres Adventure für Erwachsene sehr gut funktionieren, wie zum Beispiel Still Life. Eins hat mich zwar nicht begeistert, aber der zweite Teil war unglaublich gut. Schade, dass ich das erst viel zu spät mitbekommen habe, dafür hätte ich gerne den Vollpreis gezahlt.
Ein FMV, das für mich und (dadurch auf andere schließend) für die Mehrheit der Spieler funktioniert, kann ich mir nur dann vorstellen, wenn es einfach auch optisch durchweg gut ist. Dieses Investitionsrisiko ist meiner Meinung einfach zu hoch.
Zu diesem Thema habe ich übrigens mal eine Studie gelesen (Jahre her, kann sie leider nicht mehr benennen), welche sich eben damit befasst hat, dass die Toleranz für Fehler bei der Animation durch den Zuschauer wesentlich höher ist, je weiter die Animation von etwas entfernt ist, das der Zuschauer aus der Realität kennt. Soll heißen, je realistischer ein Modell ist, desto realistischer muss dieses Modell agieren, damit es vom Spieler akzeptiert und angenommen wird. Hier sehe ich wieder ein Problem für FMV, da die "Modelle" hier alle sehr realistisch sind und der Spieler deswegen jeden kleinen "Fehler" z.B. Artefakte aufgrund von Komprimierung, unstimmige Lichtverhältnisse, Platzierung zusätzlicher Modelle im Hintergrund (Gegenstände, Charaktere, ...) gleich mehrfach als Abzug anrechnet. So wie ich es für oben genannte Spiele getan habe.
Zusätzlich bleibt auch festzustellen, dass ja bereits interaktive Filme, die ja im Prinzip so etwas wie gaaaanz kleine FMV-Adventure sind, nicht funktioniert haben.
Ich glaube also nicht, dass FMV das Dilemma löst. Lieber würde ich eine ernste, sozialkritische, düstere, politische, was auch immer Geschichte für Erwachsene in gewohntem Grafikstil sehen. Auch deswegen bin ich besonders gespannt auf "Der Fall Yesterday".
Ich lasse mich natürlich auch gerne eines besseren belehren, wenn es doch mal ein FMV-Adventure geben sollte, das vom Gesamteindruck einfach überzeugen kann.