Tim Schafer und der Tod der Adventures
Verfasst: 29.03.2005, 17:04
Hi!
Ein Kurzinterview mit Tim Schafer
(http://www.justadventure.com/articles/S ... Mar05.shtm)
und die darauf folgende Diskussion auf mix'n'mojo
(http://www.lucasforums.com/showthread.p ... did=146801),
sowie bereits länger zurückliegende Äußerungen veranlassen mich jetzt mal was dazu zu schreiben. Da ich auch an anderen Meinungen interessiert bin, werfe ich das mal hier ins Forum.
(Ich hoffe nicht, dass diese Diskussion hier schon mal war - ansonsten mögen mich die Admins löschen/verschieben/wasauchimmer
).
Tim Schafer ist der Meinung, dass das Adventure-Genre mit der Einführung der Grafik tot war: "I would say graphics killed adventure games" - und zwar im Sinne der Handlungsfreiheit. Um es schonmal vorweg zu nehmen: Dieser Aussage stimme ich voll und ganz zu. Nirgendwo hat man solch eine (wenn auch nur als Illusion geschaffene) Handlungsfreiheit, wie in den Textadventures (alias "Interactive Fiction").
Die Meinungen im mix'n'mojo Forum gehen in der Tendenz wohl nun dahin, dass die Adventures generell tot seien. Auch auf diesen Seiten hier wurde dem Genre immer wieder vorgeworfen, es würden Innovationen und Weiterentwicklungen fehlen. Ganz anders wäre es in den übrigen Genres und salopp (und provokativ) gesagt sollte man Adventures begraben, ihre besten Eigenschaften nehmen, diese auf andere Spiele übertragen und sich so lieber auf andere (Genre-)Entwicklungen konzentrieren.
Diese Punkte kann ich nicht so ganz nachvollziehen:
Zunächst zu den Innovationen. Diese hat das Genre bereits hinter sich. Wenn man einmal an das Ende der 80er und an den Anfang der 90er Jahre denkt, so wurde extrem viel experimentiert (übrigens auch mit neuartigen Spielekonzepten, aber das ist eine andere Baustelle
). Zunächst gab es den Sprung vom Text auf die Grafik. Dann wurde die Bedienung vereinfacht und es wurde mit verschiedenen Bedienkonzepten experimentiert (Loom, Return to Zork, Larry 7). Es gab Versuche mit echten Schauspielern (irgendjemand sagte hier irgendwo was von "Schuss und Gegenschuss" - das gab es in ersten Ansätzen schon in Monkey Island I). Adventures waren mit die ersten Spiele, in denen Sprachausgabe realisiert wurde. Es gab sogar recht freie Szenarien wie in "It came from the desert" - übrigens auch ein Beispiel wie versucht wurde, verschiedene Genreelemente zu mischen. In den letzten Jahren gab es schließlich den Trend zur 3D-Grafik, wobei man da - meiner Meinung nach - wieder aus gutem Grund zurückgerudert ist: Selbst die beste 3D-Grafik wirkt immer noch eckig, klobig und ist einfach nicht detailliert genug. Die Atmosphäre - eines der wichtigsten Elemente in einem Adventure - will sich zumindest bei mir da nicht richtig einstellen.
Alle diese Versuche wurde im Laufe der Jahre etwas abgebremst. Das, was die Adventures damals durchmachten, passierte bei den Actionspielen erst in den letzten Jahren. Mittlerweile wird dort im Wesentlichen auch nur noch die Grafik besser und detaillierter - wie auch bei den Adventures. Gleiches gilt für die Rollenspiele.
Sportspiele stagnieren schon recht lange - ein Fußballspiel bleibt nunmal ein Fußballspiel und auch bei den Rennspielen wird nur noch Altes mehr oder weniger optisch ansprechend aufgewärmt.
Ganz ketzerisch gefragt: Soll man also Adventures streichen, ihren Inhalt nehmen und lieber auf andere Genres setzen?
Nein!
Ich selbst (und da bin ich bei weitem nicht alleine) will in einem Spiel nicht ballern, ich will kein Jump-and-Run-Gefrickel und ich will keine hundertundsechste Variante von Sokoban. Das kann zwar alles auch mal ganz schön sein, aber diese Actioninvasion kann ich einfach nicht mehr sehen.
Schaut man also einmal in die Regale der Spieleabteilungen, was bleibt da noch übrig? Die Sims, eine Hand voll Sportspiele (dank Flatout geht es da aber auch mittlerweile zur Sache), einige Flipperspiele und vereinzelte Tabellenschieberein.
Ich möchte von einem Spiel unterhalten und an den Monitor gefesselt werden - und das schaffen derzeit nur die Adventures (Ausnahmen bestätigen die Regel
). Ein "Rollercoaster Tycoon" fesselt mich vielleicht drei Tage. "Runaway" und "The Moment of Silence" haben mich eine Woche voll in ihren Bann gezogen (Danke Martin und Tobias
). Wenn der Abspann über den Bildschirm flimmert will ich sagen können: Wow, war das genial! Dieses Gefühl hat bei mir bis auf eine Ausnahme noch kein Actionspiel hinterlassen (diese Ausnahme war übrigens Splinter Cell
). Darüber hinaus spiele ich ein gutes Adventure nach einer Weile durchaus noch einmal, wohingegen viele Strategiespiele in meinem Schrank bislang nicht wieder das Vergnügen mit meiner Festplatte hatten. 
Es ist hier das Erlebnis eines interaktiven Films, das mich lockt. Und wenn ich ehrlich bin, möchte ich auch keine konstruierte Welt, in der ich meine Abenteuer erlebe und in der auf jedes Detail Rücksicht genommen wird. In diese Richtung gehen die Rollenspiele, in denen man sogar Brot backen kann - einfach nur, weil man Lust dazu hat und nicht, weil es mit der Geschichte etwas zu tun hätte. Offenbar gibt es Adventures, die sich daran orientieren möchten (soweit ich es verstanden habe, wendet sich wohl Dreamfall in diese Richtung). Eine abgeschlossene und perfekt inszenierte Geschichte ist mir da aber wesentlich lieber - was interessiert mich da noch das Brot? Wäre es nicht furchtbar, wenn man nur noch "Miniquests" hätte, die eigentliche Geschichte aber nie enden würde (wie in Online-Rollenspielen)?
Wenn eine Adventure-Fee käme und ich drei Wünsche frei hätte, so würde ich die folgenden drei Dinge nennen:
- Weiterhin eine behutsame Weiterentwicklung des Genres, wobei man durchaus einen Blick auf die Experimente der 80er/90er Jahre und vor allem aktuelle Filmtechniken werfen sollte.
- Es sollte wieder versucht werden, die Lösungsmöglichkeiten für den Spieler zu erhöhen und wie zu Zeiten von Infocom auch mehrere Ideen, die ein Spieler haben könnte, zu unterstützen.
- Es müssen wieder neue Geschichten erzählt werden. In der letzten Zeit wurde mir in den Geschichten etwas zu viel kopiert. So habe ich das Gefühl, dass derzeit Settings im Indiana Jones-Stil (Archeologie mit einer Prise Mystik) hoch im Kurs stehen. (Übrigens erinnert man sich deshalb so gerne an die "alten" Adventures: Die Storys damals waren noch unverbraucht - zum Beispiel gab es vor Monkey Island noch keine derart inszenierte Piratengeschichte, in der zudem noch das "Drehbuch" von vorne bis hinten stimmte.)
Und solange irgendwo noch Adventures gespielt und produziert werden, ist das Genre alles andere als tot.
Ein Kurzinterview mit Tim Schafer
(http://www.justadventure.com/articles/S ... Mar05.shtm)
und die darauf folgende Diskussion auf mix'n'mojo
(http://www.lucasforums.com/showthread.p ... did=146801),
sowie bereits länger zurückliegende Äußerungen veranlassen mich jetzt mal was dazu zu schreiben. Da ich auch an anderen Meinungen interessiert bin, werfe ich das mal hier ins Forum.

(Ich hoffe nicht, dass diese Diskussion hier schon mal war - ansonsten mögen mich die Admins löschen/verschieben/wasauchimmer

Tim Schafer ist der Meinung, dass das Adventure-Genre mit der Einführung der Grafik tot war: "I would say graphics killed adventure games" - und zwar im Sinne der Handlungsfreiheit. Um es schonmal vorweg zu nehmen: Dieser Aussage stimme ich voll und ganz zu. Nirgendwo hat man solch eine (wenn auch nur als Illusion geschaffene) Handlungsfreiheit, wie in den Textadventures (alias "Interactive Fiction").
Die Meinungen im mix'n'mojo Forum gehen in der Tendenz wohl nun dahin, dass die Adventures generell tot seien. Auch auf diesen Seiten hier wurde dem Genre immer wieder vorgeworfen, es würden Innovationen und Weiterentwicklungen fehlen. Ganz anders wäre es in den übrigen Genres und salopp (und provokativ) gesagt sollte man Adventures begraben, ihre besten Eigenschaften nehmen, diese auf andere Spiele übertragen und sich so lieber auf andere (Genre-)Entwicklungen konzentrieren.
Diese Punkte kann ich nicht so ganz nachvollziehen:
Zunächst zu den Innovationen. Diese hat das Genre bereits hinter sich. Wenn man einmal an das Ende der 80er und an den Anfang der 90er Jahre denkt, so wurde extrem viel experimentiert (übrigens auch mit neuartigen Spielekonzepten, aber das ist eine andere Baustelle

Alle diese Versuche wurde im Laufe der Jahre etwas abgebremst. Das, was die Adventures damals durchmachten, passierte bei den Actionspielen erst in den letzten Jahren. Mittlerweile wird dort im Wesentlichen auch nur noch die Grafik besser und detaillierter - wie auch bei den Adventures. Gleiches gilt für die Rollenspiele.
Sportspiele stagnieren schon recht lange - ein Fußballspiel bleibt nunmal ein Fußballspiel und auch bei den Rennspielen wird nur noch Altes mehr oder weniger optisch ansprechend aufgewärmt.
Ganz ketzerisch gefragt: Soll man also Adventures streichen, ihren Inhalt nehmen und lieber auf andere Genres setzen?
Nein!
Ich selbst (und da bin ich bei weitem nicht alleine) will in einem Spiel nicht ballern, ich will kein Jump-and-Run-Gefrickel und ich will keine hundertundsechste Variante von Sokoban. Das kann zwar alles auch mal ganz schön sein, aber diese Actioninvasion kann ich einfach nicht mehr sehen.
Schaut man also einmal in die Regale der Spieleabteilungen, was bleibt da noch übrig? Die Sims, eine Hand voll Sportspiele (dank Flatout geht es da aber auch mittlerweile zur Sache), einige Flipperspiele und vereinzelte Tabellenschieberein.
Ich möchte von einem Spiel unterhalten und an den Monitor gefesselt werden - und das schaffen derzeit nur die Adventures (Ausnahmen bestätigen die Regel




Es ist hier das Erlebnis eines interaktiven Films, das mich lockt. Und wenn ich ehrlich bin, möchte ich auch keine konstruierte Welt, in der ich meine Abenteuer erlebe und in der auf jedes Detail Rücksicht genommen wird. In diese Richtung gehen die Rollenspiele, in denen man sogar Brot backen kann - einfach nur, weil man Lust dazu hat und nicht, weil es mit der Geschichte etwas zu tun hätte. Offenbar gibt es Adventures, die sich daran orientieren möchten (soweit ich es verstanden habe, wendet sich wohl Dreamfall in diese Richtung). Eine abgeschlossene und perfekt inszenierte Geschichte ist mir da aber wesentlich lieber - was interessiert mich da noch das Brot? Wäre es nicht furchtbar, wenn man nur noch "Miniquests" hätte, die eigentliche Geschichte aber nie enden würde (wie in Online-Rollenspielen)?
Wenn eine Adventure-Fee käme und ich drei Wünsche frei hätte, so würde ich die folgenden drei Dinge nennen:
- Weiterhin eine behutsame Weiterentwicklung des Genres, wobei man durchaus einen Blick auf die Experimente der 80er/90er Jahre und vor allem aktuelle Filmtechniken werfen sollte.
- Es sollte wieder versucht werden, die Lösungsmöglichkeiten für den Spieler zu erhöhen und wie zu Zeiten von Infocom auch mehrere Ideen, die ein Spieler haben könnte, zu unterstützen.
- Es müssen wieder neue Geschichten erzählt werden. In der letzten Zeit wurde mir in den Geschichten etwas zu viel kopiert. So habe ich das Gefühl, dass derzeit Settings im Indiana Jones-Stil (Archeologie mit einer Prise Mystik) hoch im Kurs stehen. (Übrigens erinnert man sich deshalb so gerne an die "alten" Adventures: Die Storys damals waren noch unverbraucht - zum Beispiel gab es vor Monkey Island noch keine derart inszenierte Piratengeschichte, in der zudem noch das "Drehbuch" von vorne bis hinten stimmte.)
Und solange irgendwo noch Adventures gespielt und produziert werden, ist das Genre alles andere als tot.