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Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 02.03.2014, 14:52
von elevar
Total spannend, der heute verlinkte Vortrag von Poki. Bin erst bei der Pizza, aber Poki hat bereits genau erläutert, warum er mit Recht so eine Koryphäe in der Branche ist. Sein Fokus auf die Geschichte ist glaube ich genau richtig gesetzt, und er ist einfach der richtige Mann zur Richtigen Zeit für die Aufgabe, hier etwas zu bewegen. Besonders gefällt mir die Unterscheidung zwischen "Spiel mit Handlung" und "Interaktive Geschichte", das ist ziemlich eingängig. Dass genau an dieser Stelle noch total viel Potential vergraben liegt ist im Wesentlichen die Einsicht, die mich als End-Zwanziger immernoch am Medium Spiel hängen lässt.

Interessant finde ich aber auch immer wieder, trotz Erfolg von Deponia, wie wenig das in der Spielerschaft reflektiert wird. Man kann hier im Forum Tage und Wochen über irgendwelche Distributionswege und Publisher-Politik diskutieren (interessiert mich selbst eigentlich eher am Rande), aber über Geschichten und ihre Interpretationen eigentlich nicht. Das ist irgendwie seltsam, weil es doch eigentlich darum geht, Geschichten. Gerade in unserem Genre. Warum ist das so, jemand ne Idee? Ist es überhaupt so?

Dass Spiele eben auch auf auf Konsumentenseite noch nicht als Kulturgut angenommen werden, zeigt sich auch an anderer Stelle. Reviews, hier und in der Fachpresse, sind immernoch ein "Grafik: gut, Sound: befriedigend, Steuerung: sehr gut", als wenn diese technischen Parameter mehr wären als eben das, eine Sammlung von Stellgrößen. Das eigentliche Spiel, der Inhalt, wird eben auf irgendeiner technischen Grundlage transportiert, aber es ist völlig unangemessen, beides als gleichberechtigte Kriterien nebeneinanderzustellen. Deswegen wird ein Review nicht besser, wenn man einfach noch ein "Story: sehr gut" hinten dranhängt. Die Geschichte ist eben nicht einfach ein weiteres Kriterium, sondern der wesentliche Kern. Um zu verstehen was ich meine nehme ich immer gern den Vergleich zur Filmkritik. Die Vorstellung, meinetwegen 3/4 einer Kritik auf die Qualität von Schauspielern, Kostüm, CGI und Kameraführung zu verwenden, ist doch grotesk. Weil man damit (fast) nichts über den Film sagt.

Vielleicht ist es für "Spielekritiken" in diesem Sinn noch zu früh, weil es noch sehr wenige Spiele gibt, die einem solchen Ansatz standhalten würden, wie Poki ja auch in seinem Vortrag sagt. Aber die aktuelle Rezeption eines Spiels, die sich immernoch an Kriterien orientiert die seinerzeit vielleicht für Pacman entwickelt wurden, funktioniert ja auch nicht mehr, wie sich nicht zuletzt an Titeln wie To the moon oder Edna bricht aus zeigt.

Man könnte hier in verschiedene Richtungen weiterdiskutieren. Ist überhaupt ein Interesse für Spiele nach einem Poki'schen Ansatz vorhanden, oder verkaufen sich Daedalics Titel nur weil sie ganz witzig sind? Ist die interaktive Geschichte die Zukunft des Computerspiels? Ist ein Adventure eben doch viel mehr Spiel, als ich es hier behaupte, und weniger Geschichte, so dass der Einwurf hier insgesamt Stuss ist? Eure Meinungen würden mich interessieren.

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 02.03.2014, 20:51
von Adven
elevar hat geschrieben:Interessant finde ich aber auch immer wieder, trotz Erfolg von Deponia, wie wenig das in der Spielerschaft reflektiert wird. Man kann ... diskutieren (interessiert mich selbst eigentlich eher am Rande), aber über Geschichten und ihre Interpretationen eigentlich nicht. Das ist irgendwie seltsam, weil es doch eigentlich darum geht, Geschichten. Gerade in unserem Genre. Warum ist das so, jemand ne Idee? Ist es überhaupt so?
Weiß ich nicht so recht. Für mich ist gerade bei Adventures die Geschichte schon ein wichtiger Aspekt der Entscheidung, ob mir eines nun gefällt oder nicht. Aber viel mehr gibt's dazu eben auch nur selten zu sagen, außer, man hat einige Punkte, die man besonders gut oder schlecht fand. Was soll groß interpretiert werden? Seien wir mal ehrlich, sonderlich kompliziert oder sonstwie nachträglich behandlungsbedürftig sind die meisten Storys nun mal nicht - auch nicht beim Adventure.

Der Gedanke, wie ein Adventure als Spiel um die Geschichte herum konstruiert ist oder auch umgekehrt oder 'ne Mischung von beidem, ist sicherlich interessant, aber an sich ... gibt's eigentlich auch nur selten wirklich was, was man dazu besprechen könnte.
Dass Spiele eben auch auf auf Konsumentenseite noch nicht als Kulturgut angenommen werden, zeigt sich auch an anderer Stelle. Reviews, hier und in der Fachpresse, sind immernoch ein "Grafik: gut, Sound: befriedigend, Steuerung: sehr gut", als wenn diese technischen Parameter mehr wären als eben das, eine Sammlung von Stellgrößen.
Find' ich nicht, aber kommt wohl auch darauf an, wo man Tests liest.
Um zu verstehen was ich meine nehme ich immer gern den Vergleich zur Filmkritik. Die Vorstellung, meinetwegen 3/4 einer Kritik auf die Qualität von Schauspielern, Kostüm, CGI und Kameraführung zu verwenden, ist doch grotesk. Weil man damit (fast) nichts über den Film sagt.
Der wichtige Unterschied ist, denke ich mal, dass all diese Dinge beim Film im Normalfall als gut oder gut genug vorausgesetzt werden können, da ist ein gewisser Standard drinne. Es muss nur bei wirklich groben Ausreißern nach oben oder unten überhaupt erwähnt werden, wie z.B. die Schauspieler sind. Die Grafik ist halt vorgegeben durch das, was man filmt, wenn nicht spezielle Effekte oder so beabsichtigt sind. Und natürlich, wenn es sich etwa bei der Kameraführung um etwas besonderes handelt, wird das auch erwähnt werden. Oder wenn Spezialeffekte üllig ausehen. Was soll man denn sonst schreiben? "Die Kamera zeigt immer so die Leute oder wenn in der Nähe was interessantes passiert, dann das"?

Bei Spielen ist die Kamera hingegen oft interaktiv und dass sie vernünftig funktioniert recht wichtig beim Erlebnis. Es ist auch heute noch keine Selbstverständlichkeit, dass zum Beispiel Animationen flüssig und natürlich wirken, man von den Texturen nicht erblindet oder es nicht ruckelt, sobald mehr als zwei Dinge auf einmal passieren. Ich meine gerade bei Adventures kann man ja schon froh sein, wenn man eine Tür öffnet und dann wirklich die Figur sich vorbeugt, nach der Klinke greift und die Tür aufzieht und nicht einfach das Bild kurz schwarz wird und danach die Tür offen steht. Da gibt es einfach mehr zu zu schreiben als bei anderen Medien.

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 02.03.2014, 21:47
von Vainamoinen
elevar hat geschrieben:Interessant finde ich aber auch immer wieder, trotz Erfolg von Deponia, wie wenig das in der Spielerschaft reflektiert wird. Man kann hier im Forum Tage und Wochen über irgendwelche Distributionswege und Publisher-Politik diskutieren (interessiert mich selbst eigentlich eher am Rande), aber über Geschichten und ihre Interpretationen eigentlich nicht. Das ist irgendwie seltsam, weil es doch eigentlich darum geht, Geschichten. Gerade in unserem Genre. Warum ist das so, jemand ne Idee? Ist es überhaupt so?

Ich denke absolut, dass das so ist, ja. Und habe wirklich nur eine ziemlich negative Erklärung anzubieten. Selbst wenn Spiele, und das Adventure insbesondere, von den Konsumenten als Kunstform angesehen werden, so gibt es auf viel zu breiter Front einfach keinen Enthusiasmus dafür, die Diskussion über eine Sammlung an losen Spieleindrücken hinaus auf eine fachliche Ebene zu bringen.

Sicher gibt's in Foren immer den ein oder anderen Experten für eine der vielen Kunstformen (Grafik, Musik, Animation, Storytelling etc.) - eine intelligente und gebildete Klientel weiß das Adventure auf jeden Fall um sich zu scharen. Aber spricht mal einer davon zu deutlich oder zu lang, oder wagt er/sie gar, Fachworte zu verwenden, ist das Risiko viel zu groß, für bildungselitär-prätentiös und - ein noch schlimmeres Missverständnis - für strukturell dogmatisch gehalten zu werden. Und warum sich auch die Mühe machen, wenn zu solchen Posts ja doch kaum keiner hinterfragt oder sonstwie angemessen diskutiert. Augenrollen und Anfeindung ist da das höchste der Gefühle. Um einen Blogeintrag ohne Reaktionen zu verfassen, registriert man sich ja auch nicht in einem Internetforum.

Die Folge: Die Adventure-Community behält (oft, nicht ausschließlich!!) eine definitorisch dilletantische Perspektive auf ihre geliebten Spiele. Über die Dramaturgie einer Geschichte zu diskutieren, ist ja auch kein Pappenstil. Noch nicht mal die professionellen Spielejournalisten haben das drauf, obwohl das absolut in ihren Kompetenzbereich fallen müsste. Vermutlich bekämen sie von ihrem Publikum aber auch ähnliche Reaktionen, würden sie's mal versuchen. So versteifen sie sich in ihrem ureigenen Genre oft auf einfach zu umschreibende Dinge, die das Spielerlebnis unmittelbarer beeinflussen - zuvorderst natürlich Technik, Spielmechaniken und Steuerung.

Abmildern kann ich den negativen Eindruck nur durch ein weiteres Detail, das zu dem Problem beitragen könnte: Die Angst vor Spoilern. Journalisten können die Geschichte allerhöchstens 'anreißen', wollen sie nicht zu viel verraten. Dabei umschreibt sich schlecht, was die Faszination der Geschichte ausmacht. Ähnliches findet man sicher auch in Internetforen. Die Bereitschaft, längere ausgefeilte Betrachtungen zur Geschichte in gemein versteckende Tags zu setzen, die dann doch nur wenige Leute öffnen, ist sicher nicht so furchtbar ausgeprägt...

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 03.03.2014, 00:05
von Joey
elevar hat geschrieben: Interessant finde ich aber auch immer wieder, trotz Erfolg von Deponia, wie wenig das in der Spielerschaft reflektiert wird. Man kann hier im Forum Tage und Wochen über irgendwelche Distributionswege und Publisher-Politik diskutieren (interessiert mich selbst eigentlich eher am Rande), aber über Geschichten und ihre Interpretationen eigentlich nicht. Das ist irgendwie seltsam, weil es doch eigentlich darum geht, Geschichten. Gerade in unserem Genre. Warum ist das so, jemand ne Idee? Ist es überhaupt so?
Also, ich diskutiere sehr gerne über Adventures und vor allem über die Story, so diese nicht allzu oberflächlich ist. Es gibt doch so einige Spiele, die eine tiefgründige Geschichte erzählen, bei der es mehr als eine Interpretationsmöglichkeit gibt.
Ich denke, das Problem ist eher, daß nicht jeder ein Spiel zur gleichen Zeit bzw. gleich zu Release spielt.
Spielt man es sofort, haben die meisten anderen es noch nicht gespielt und können daher nicht viel dazu sagen. Und spielt man es erst Monate oder noch länger später, haben die meisten die Details schon wieder vergessen. (Zumindest geht es mir meist so, daß ich nach einiger Zeit die Feinheiten gar nicht mehr so genau weiß.)
Das macht es schwer, wirklich mit einer größeren Anzahl von Personen (also mehr als sagen wir drei) wirklich über ein Spiel zu diskutieren.
Deshalb fand ich die gemeinsamen Playthroughs auch so schön. Jeder spielte etwa zur selben Zeit den selben Abschnitt eines Spiels, und man konnte intensiv über genau diesen diskutieren, denn für jeden war das Erlebnis noch frisch und die Details im Gedächtnis. Das hat für mich persönlich das Spielerlebnis nochmal um einiges aufgewertet. Ich fand es immer wieder erstaunlich, wie viel mir doch beim einfachen Durchspielen zuvor entgangen war. Und das selbst bei Spielen, die ich zuvor schon mindestens (bisweilen auch mehr als) einmal gespielt hatte.
Apropos... Es gab schon lange keinen gemeinsamen Playthrough mehr. *hinthint* :wink:

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 03.03.2014, 00:32
von Inventarius
Ich gehe auch gerne keiner Diskussion zum Inhalt von Adventurespielen aus dem Wege und da ich noch nicht so lange spiele, gibt es regelmäßig Klassiker, die mich da immer noch bewegen. Aber die Diskussionen sind schon etwas rar gesät und die Gruppe der Personen, die sich an diesen Diskussionen beteiligen, scheint sehr speziell (liebe Grüße an elfant, Möwe und alle anderen Lets player).
Hätte auch große Lust auf das nächste Lets play, zumal ich mich immer noch schuldig fühle, dass ich bei GK3 nicht durchgehalten habe. Für mich ist eigentlich jedes Adventure ein richtig Gutes, bei dem ich Lust verspüre, mich über dessen Inhalt auszulassen, aber das trifft dann auch wirklich nicht jedes Adventure zu.

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 03.03.2014, 01:15
von realchris
Ich fand den Vortrag ehrlich gesagt nicht gut, weil er erstens keine wirkliche Struktur hatte - Also, an der Uni kannste das so nicht abliefern - und 2. er Syd Field 1. total umständlich und 2. nicht wirklich korrekt erklärt hat. Was der Verweis auf den Der Heros in tausend Gestalten in diesem Zusammenhang zu suchen hatte, ist mir auch fraglich, da es ein rein anthropologisch Werk ist, dass nicht sonderlich viel zu Dramaturgie beiträgt. Da wäre er mit Schadewalds Vorlesungsband zur griechischen Tragödie besser gefahren. Mit Syd Field ist er natürlich auf eine gute Grundlage (die beste) eingegangen, kann es aber in dem Vortrag, der sehr unsicher war, nicht wirklich übertragen und ich bin mir nicht wirklich sicher, ob er das auch richtig verstanden hat. Syd Field basiert übrigens bzw. klaut letztlich sein System in modifizierter Form von der Poetik des Aristoteles. Auch diese wäre nützlicher für das Thema als Der Heros.

Im Mittelteil (Schrank) haspelt er etwas zusammen, wobei ich mir nicht sicher bin, was er überhaupt sagen will. Mit Ausagen wie 'Ghostbusters ist ein toller Film' ist das Schema von Syd Field noch nicht erklärt. Ein Zuhörer, der nicht im Thema ist, lässt sich berieseln, versteht aber nicht, warum.

Gerade bei einem solch simplen Buch wie Das Drehbuch erwarte ich schon einen strukturierten Vortrag. Die Exposition ist übrigens dazu da, die Ausgangslage aufzuzeigen. Darüber hinaus werden dort die wichtigen Protagonisten und zumeist auch Gegenspieler/Probleme vorgestellt. Der Konflikt entsteht aber erst mit Plotpoint 1. Die Exposition ist nicht Konflikt, sondern die Ausgangsituation. Z.B. Luke Skywalker muss noch eine Weile auf der Farm arbeiten und kann erst nächstes Jahr zur Akademie. Die beiden Droiden aus dem Prolog kommen durch Wirrungen zu seiner Farm auf seinem Heimaplaneten. Durch Zufall zeigt sich eine Nachricht. Luke soll die Droiden Obi Wan bringen (Ein kleiner Wendepunkt, aber noch nicht der wichtige Plotpoint 1).
Als Luke niedergestreckt von Ben Kenobi dem Einsiedler gefunden wird, um das abzukürzen, wird er von ihm unterrichtet, dass er Obi Wan ist (Kleiner Wendepunkt) und Luke nun Jedi werden soll (Noch ein kleiner Wendepunkt). Luke will das aber nicht, da er ja auf der Farm etc. arbeiten muss. Als sie die Sandleute finden, kommt Luke darauf, dass das Imperium so auf seine Farm kommt. (Hier könnte man schon den Beginn von Plotpoint 1 vermuten, ich sehe das noch als Wendepunkt). Als Luke an der Farm ankommt, sieht man in seinem Gesicht, dass er sich nun rächen muss, die Entscheidung ins Abenteuer zu gehen, ist getroffen (PLOTPOINT 1). Diese rein visuelle Szene ist Ploitpoint 1. Ab da beginnt der Konflikt-Teil! Der große 2. Akt eines Films, der schließlich mit Plotpoint 2 in den 3. Akt münden wird. Nur soviel zur Exposition an einem Beispiel.

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 03.03.2014, 13:29
von elevar
Adven hat geschrieben:an sich ... gibt's eigentlich auch nur selten wirklich was, was man dazu besprechen könnte.
Würde ich bestreiten, aber nehmen wir mal die Fälle, wo es eben doch was gibt.
Adven hat geschrieben:Find' ich nicht, aber kommt wohl auch darauf an, wo man Tests liest.
Wo ist es denn mal anders?
Adven hat geschrieben:Der wichtige Unterschied ist, denke ich mal, dass all diese Dinge beim Film im Normalfall als gut oder gut genug vorausgesetzt werden können, da ist ein gewisser Standard drinne.
Den Gedanken hatte ich auch dazu. Die Technik bei Spielen ist sehr uneinheitlich und trägt damit sehr zum individuellen Erleben des Spiels und der Geschichte bei. Aber nehmen wir mal Edna bricht aus. Da kann man einen Satz zu schreiben, dass Poki offenbar kein Lineal zur Hand hatte, der Stil eigenwillig ist. Wenn man sich auf die Geschichte einlässt ist es im nächsten Moment aber fast egal, wie das Spiel aussieht. Weil die Geschichte ja weitestgehend unabhängig davon funktioniert. Ich sage ja nicht, dass sind alles keine sinnvollen Merkmale. Ich meine, sie sind für Spiele, die hauptsächlich eine Geschichte erzählen wollen oftmals überbewertet. Wenn die GameStar, mal als Extrembeispiel, da aus tausend Einzelkriterien eine Endnote ausrechnet, dann wird das einem solchen Spiel wie Edna nicht im Ansatz gerecht. Im Gegenteil, es zeigt eine naive Herangehensweise an das Medium, die sowas wie Kunst schon strukturell ausschließt.
Vainamoinen hat geschrieben:Über die Dramaturgie einer Geschichte zu diskutieren, ist ja auch kein Pappenstil.
Ich verstehe Deinen Beitrag insgesamt so, dass Du meinst dass die meisten nicht in der Lage oder Willens sind, sich mit einer Geschichte etwas eingehender zu beschäftigen. Dazu kann ich sagen, dass ich selbst Syd Field nicht gelesen und eigentlich auch keine tiefergehende Ahnung von Dramaturgie habe, aber trotzdem in der Lage bin eine Metapher zu erkennen wenn ich eine sehe. Ich unterstelle auch anderen diese Fähigkeit. Vielleicht finden das andere einfach weniger spannend als ich. Aber dann würde ich wieder die Frage von oben stellen: Ist Poki mit seinen Spielen wegen seinem Anspruch an eine Geschichte erfolgreich, oder doch einfach wegen seines durchgeknallten Humors?
Joey hat geschrieben:Ich denke, das Problem ist eher, daß nicht jeder ein Spiel zur gleichen Zeit bzw. gleich zu Release spielt.
Das ist ein guter Punkt, reicht als Erklärung aber sicher nicht allein. Vielleicht sollte ich aber mal bei so einem gemeinsamen Playthrough mitmachen, ich wurde bei The Last Express seinerzeit leider abgehängt.
realchris hat geschrieben:Ich fand den Vortrag ehrlich gesagt nicht gut, weil er erstens keine wirkliche Struktur hatte
Gebe Dir absolut recht, das war ziemlich konfus. Man muss dazu sagen, dass sein Thema ja nicht eine vollständige Abhandlung von Syd Field mitsamt der historischen Dimension war. Er hat halt beschrieben, wie er Spiele macht, und jetzt wissen wirs: Total konfus.

Interessant finde ich Pokis Herumgeexperimentiere mit Interaktivität. Er spricht von einem Mehrwert des Mediums, den es braucht um das Erzählen von Geschichten auf diese Weise zu rechtfertigen. Sonst könnte man ja auch ein Buch lesen. Dieser Mehrwert besteht für ihn in der Kongurenz zwischen der Erlebniswelt von Protagonist und Spieler. Bei Edna bricht aus wurde der Spieler am Ende in eine Lage gebracht, in der er keine echte Wahl mehr hat. Darin spiegelt sich die Ausweglosigkeit von Edna. Man ist emotional damit recht nah an der Geschichte.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das so funktioniert. Das Ende von Edna fanden hier ja einige irgendwie doof. Weil Ausweglosigkeit halt zuerst mal doof ist. Das zeigt, dass das Konzept zumindest nicht nur auf Gegenliebe stößt. Deponia hat dahingehend auch einiges gewagt, und ich bezweifele, dass die Spielerschaft das überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Bei mir hat Deponia deswegen nicht funktioniert, weil die Kongurenz relativ schnell abhandengekommen ist. Weil der Plot etwas mehr Syd Field in Reinform vertragen hätte und einfach ziemlich überladen ist. Aber die Richtung, die hier eingeschlagen wurde, finde ich ziemlich interessant.

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 03.03.2014, 18:13
von Vainamoinen
elevar hat geschrieben:
Vainamoinen hat geschrieben:Über die Dramaturgie einer Geschichte zu diskutieren, ist ja auch kein Pappenstil.
Ich verstehe Deinen Beitrag insgesamt so, dass Du meinst dass die meisten nicht in der Lage oder Willens sind, sich mit einer Geschichte etwas eingehender zu beschäftigen.


Ja, fast. Wenn es diese Willigkeit und Fähigkeit gibt - was ich nicht ausschließe - dann finde ich sie in den gängigen Gamer-Foren jedenfalls selten wieder.

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 14.03.2014, 02:21
von Svega
Das liegt meinem Empfinden nach am sehr jungen Alter der breiten Masse an Spielern die den Markt ausmachen und den nur sehr wenigen dazu befähigten Redakteuren der Spielepresse. Die Kids wollen es krachen sehen und bevorzugen ähnlich wie bei der Literatur einen simplen Plot der meist durch Gewalt gelöst wird. - Tiefgang wird meist nicht erkannt und auf Seite der Pressemedien wegen des Fokus auf Anzeigenschaltung etc. und der Einfachheit halber auch nicht ausführlich besprochen.
Man erzieht sich seine Klientel.

Bildung und eine hochgestochene, mit unnötigen Fremdwörtern garnierte Aussprache sind jedenfalls nicht der Knackpunkt, da sie keinesfalls in irgendeiner Form nötig sind um über Tiefgang und Story zu berichten, bzw, zu sprechen. - Eine gute Redakteur verzichtet eigentlich darauf.
Wenn es um Filme geht fuktioniert es ja auch.

Es gibt einige Spiele die den Begriff Kunstform verdienen. Aber seien wir doch mal ehrlich; das gro der Titel ist simples Kosumgut und hat nur wenig mit Kunst zutun. Ich habe mehr den Eindruck, das der Begriff Kunstform meistens dann argumentativ herangezogen wird, wenn es um irgendein Recht auf Gewaltdarstellungen in Computerspielen geht, oder wenn eine versteckt geglaubte Minderwertigkeit im Thema Computerspiele empfunden wird.

Ich fand den Beitrag auch konfus. Gute Adventures stehen und fallen schon seit jeher mit der erzählten Geschichte und der Umsetzung. Eigentlich nichts neues. - Und es gibt zu wenige. :wink:

Re: Adventures als interaktive Geschichte

Verfasst: 14.03.2014, 11:06
von z10
Ist überhaupt ein Interesse für Spiele nach einem Poki'schen Ansatz vorhanden, oder verkaufen sich Daedalics Titel nur weil sie ganz witzig sind?
Da ich den Vortrag nicht gesehen habe, nehme ich mal an es geht um die von dir angesprochenen interaktiven Geschichten. Ich denke das Interesse ist da, siehe TWD, man muss aber vielleicht überlegen, wann ein (Animations/Zeichentrick/normaler )Film, Buch besser für die Story geeignet sind oder nicht. Videospiel ist mMn die veraltete Bezeichnung des Mediums, viele Leute bevorzugen zurecht die Bezeichnung "interaktive Erlebnisse". Denn das ist der Kernpunkt des Mediums: Interaktivität. Und wenn man die sehr gut mit einer Botschaft oder Story verknüpfen kann, dann hurra.
Jemand hat mal gesagt, dass das Interessanteste für ihn an Spielen ist, dass er durch seine eigenen getroffenen Entscheidungen und Gefühle beim Spielen mehr über sich selbst erfährt. Und ich denke dementsprechend haben interaktive Geschichten auf jeden Fall eine große Zielgruppe, da sie Leute in ungewohnte Situationen versetzen können.
Das Medium ist nur vergleichsweise jung und die Gameplaywurzeln haben dazu geführt, dass in vielen Studios erst das Gameplay erdacht wird und dann eine Story drumherum gebaut wird und das geht dann ganz gerne schief. In Japan gibt es ja recht viele Visual Novels und damit ja eigentlich auch interaktive Geschichren, nur sind diese auch noch auf einem Level, wo ich lieber ein Buch, Comic oder Film zur Hand nehmen würde, weil die Interaktivität dort eben doch oft recht trivial ist. Es bedarf auf jeden Fall noch Erforschung auf dem Gebiet, wie man die Interaktion am besten mit der Story verwebt.


Ist die interaktive Geschichte die Zukunft des Computerspiels?
Viel zu eindimensionale Betrachtungsweise, es ist Platz für verschiedenste Auslegungsformen des Mediums, eben genau wie viele verschiedene Musikgenres ihre Daseinsberechtigung und Zielgruppe haben.
Ob es das populärste Genre werden wird? Ich weiß es nicht, da ich nicht in die Zukunft sehen kann.
Ich glaube es könnte sich etwa so aufteilen:
- eine oder wenige große virtuelle Realitäten, die man mit VR-Equipment besucht und die fast jeder nutzt, wo man mit anderen interagieren kann und wo dann auch verschiedenste Erlebnisse eingebaut werden könnten, also quasi eine Mischung aus sozialem Netzwerk und Bibliothek interaktiver Erlebnisse. Wie in diversen Medien erdacht, ist das Ganze sicher nicht ganz unkritisch zu betrachten, aber ein Traum, der irgendwann realisiert werden und auch populär werden wird.
- ob darin eingebettet oder eben separat eine Mischung aus wenigen sehr großen (globale Spielstunden), wettbewerbssorientierten Multiplayertiteln (das Pendant zu Fußball und anderen Sportarten), kleine (globale Spielstunden) aber dafür viele Storyspiele, viele Singleplayer/Coop-Spiele (also ähnlich wie es jetzt ist)
- außerdem erwarte ich mehr Edutainment und dass die Anreize, die man aus Spielen kennt, wohl auch irgendwann in die Arbeit rüberschwappen, dort wo es sinnvoll ist und jemand eine gute Lösung dafür findet


Ist ein Adventure eben doch viel mehr Spiel, als ich es hier behaupte, und weniger Geschichte, so dass der Einwurf hier insgesamt Stuss ist?
Ich rätsel ganz gern (deswegen habe ich nichts gegen die Rätselelemente in Adventures), aber die meisten Adventures spiele ich schon hauptsächlich wegen der Geschichte und hin und wieder nervt mich das Gameplay dann doch. Wenn ich Gameplay will, greife ich zu Dota 2, ist einfach so.interaktive Erlebnisse.