Seite 1 von 1

Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 08:32
von Ninas Ex
Mich würde interessieren, ob es für euch Adventures gibt, bei denen ihr richtig in die Geschichte eingetaucht seid, also die euch emotional oder sonstwie berührt und bewegt haben? Oder gibt es Adventures, bei denen ihr besondere Anteilnahme für eine der beteiligten Figuren genommen habt und/oder auch echte Sympathie für jemanden entwickelt habt, welche Adventure-Persönlichkeit hat euch imponiert? Und wie ist das mit den Welten und Orten: gab es für euch schon mal eine Adventurewelt, die ihr besonders originell gefunden habt oder die euch begeistert, erschreckt oder auf irgendeine Weise beeindruckt hat? Und schliesslich finde ich auch die Frage interessant, ob ihr schon mal Lektionen aus Adventures gelernt habt, also gab es schon mal Aha-Erlebnisse und Erkenntnisse, die eure Sichtweise verändert haben oder Fragen aufwerfen, die euch selbst davor oder danach noch öfter beschäftigt haben?

Beispiele für das, was ich in der ersten Frage angesprochen habe, sind für mich Syberia und The Longest Journey.
Mich hat die persönliche Entwicklung von Kate Walker in Syberia sehr berührt, weil mich vor allem die letzte Szene des ersten Teiles bewegt hat, in der sie sich entscheidet, ihrem alten langweiligen Leben und ihrer Karriere als Winkeladvokatin adé zu sagen und sich in ein ungewisses aber aufregendes Leben voller Abenteuer zu stürzen. Die Abschlußszene aus Syberia gehört zu den Szenen aus einem Adventure, die mir wohl immer im Gedächtnis bleiben werden.
The Longest Journey hat mich von Anfang bis Ende einfach nur gefesselt und mitfiebern lassen, wie es weitergeht. Es ist auch ein Beispiel für eine faszinierende Spielwelt oder besser gesagt: Spielwelten. Und April Ryan ist wohl so ziemlich die coolste Gestalt der Adventuregeschichte.

Ein gewisses Aha-Erlebnis hatte ich am Ende von So Blonde.
Mir hat es sehr gut gefallen, dass man vor die Wahl gestellt wird, wer über das weitere Schicksal der Insel bestimmen soll, Sunny („diktatorische“ Lösung), der Geist der Insel („religiöse“ Lösung) oder die Bewohner und Bewohnerinnen der Insel selbst („demokratische“ Lösung). Ich hab mich für letzteres entschieden und mir die anderen Enden auf Youtube angeschaut, ich finde die Idee ist recht unkonventionell und kreativ, weil es nicht dem üblichen „Held/in ist gut und macht alles richtig und rettet die Welt“-Schema entspricht, sondern angedacht wird, dass die Welt auf unterschiedlichen Wegen gerettet werden kann, ohne das unbedingt zu werten. Auch wenn letztlich alle drei Wege „gut“ ausgehen, macht es doch einen gewissen Unterschied, ob eine Entscheidung, deren Konsequenzen viele betreffen, von einer Person, von allen Betroffenen oder von einem überirdischen Wesen getroffen wird.

Ein Aha-Erlebnis der ganz anderen Art hatte ich bei Edna bricht aus.
Ich halte den Schluss für das miserabelste Ende, das ich je in einem Adventure erlebt habe. Es hat mich sehr unglücklich gemacht, weshalb ich die Spiele dieser Firma inzwischen meide. Denn es handelt sich um den reinsten Fatalismus und lässt den Spieler mit einem miesen Gefühl der Ausweglosigkeit zurück. Die Botschaft ist: Egal wie du dich entscheidest, es endet immer schlecht. Willst du unabhängig und frei sein, dann musst du etwas moralisch Verwerfliches tun und ein Verbrechen begehen. Willst du das nicht, weil du anderen Menschen keinen Schaden zufügen möchtest, musst du dich selbst aufgeben, dich unterwerfen und in Gefangenschaft begeben. Was ist das für eine "Wahl", bitte?
Zu den Persönlichkeiten, an deren Freud und Leid ich besondere Anteilnahme genommen habe und die mir in der einen oder anderen Weise als charakterlich einzigartig in Erinnerung geblieben sind, gehören April Ryan, Kate Walker, Sunny Blonde, Nina Kalenkov und Mona aus A Vampyre Story. Vom Schrägkeitsfaktor kaum zu überbieten sind wohl Sam & Max, höchstens das Trio aus Day of the Tentacle kommt da heran. Und Guybrush Threepwood ist für mich beides: Sowohl ein besonderes und interessantes Individuum als auch eine echt schrille Person. Bei George und Nico aus der Broken Sword-Reihe finde ich erstaunlicherweise gerade deren Gewöhnlichkeit recht ansprechend.

Auffällig finde ich, dass Adventurewelten mir besonders in Erinnerung bleiben, die eine Nähe zur Science Fiction haben. Und meistens haben die auch etwas Beängstigendes an sich, weil es zwar einerseits einen hohen Märchengehalt aufweist, andererseits aber auch oft in der Phantasie mit Gedanken spielt, wie die Welt irgendwann einmal ausschauen könnte. Science Fiction greift also häufig Entwicklungen in der Jetzt-Zeit auf und denkt weiter, wohin sie führen können. Dazu gehören Beneath a steel sky, Goin’ Downtown oder die Welt “Stark” in The Longest Journey. Eine Vorliebe habe ich für die meistens eher comichaften Welten, in denen viel Unvorhersehbares passiert, liebenswert durchgeknallte Leute herumlaufen, wo man bei den Rätseln kreativ um die Ecke denken muss und wo es viele humorvolle Anspielungen gibt wie in Monkey Island, Ankh und Sam & Max.

Alles in allem denke ich aber, dass die Gabriel Knight-Reihe, vor allem Teil 1 und 2, für mich wohl eine der tiefgründigsten und intensivsten Erfahrungen ist, die ich überhaupt je in einem Computerspiel haben durfte. Vom Spielerischen her extrem fesselnd, mit Geschichten, die mich auch nach Beenden des Spieles, gerade als jemand, der ein abgeschlossenes Studium in Geschichte hat, noch weiter beschäftigt haben. Zwar ist der mystische Anteil natürlich absolut nicht wissenschaftlich, aber andererseits scheint sich Jane Jensen faszinierend viel Mühe gegeben zu haben, auch einen realen Background in ihre Geschichten einfliessen zu lassen.

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 09:47
von Loma
@ Edna-Spoiler:
Fatalismus ist doch gerade der Ausweg aus der Ausweglosigkeit. Da lebt es sich gleich viel entspannter! 8)

@ Thema:
Bewegend und rührend fand ich ebenfalls Syberia 1+2, sowie The Longest Journey und Dreamfall.
Prägend waren für mich die Gabriel-Knight-Reihe und Baphomets Fluch 1.
Ziemlich aufgesogen wurde ich von Sanitarium (davon hatte ich recht merkwürdige Träume) und unfreiwillg verstörend hat The Void auf mich gewirkt (was jetzt aber nicht mehr unter Adventures fällt).

Ach ja, das erst kürzlich gespielte The Last Express fand ich auch enorm stimulierend.

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 10:55
von k0SH
enorm stimulierend
:shock: 8)

Am meisten Mitgefühl hatte ich bisher für Larry. :mrgreen:
Mal ehrlich, alles geht schief, obwohl er doch ein von Grund auf guter (in die Jahre gekommener, schlecht gekleideter, zu notgeiler) Typ ist.
Und wenn das schon nicht genug wäre pinkelt ihn auch noch der Hund an...

Generell unterhalten mich Adventure mehr, als das ich mich in der Story wirklich verliere.

Richtig erwischt hat mich die Story von Enslaved (PS3).
Monkey, muskelbepackter Einzelgänger, wird von der zierlichen Trip mittels Sklaven-Stirnband an sie gebunden.
Stirbt sie stirbt er -> ihre Reise ist von nun an auch seine Reise.
Er ist verständlicherweise "not amused" darüber.
Als nach 3/4 des Spiels Trip das Band jedoch abmachen will, lässt Monkey das nicht zu.
Bis dahin haben die beiden allerhand erlebt und besonders Trip viele Rückschläge erfahren.
Klasse finde ich die Charakterentwicklung und die zwar offensichtliche Anziehung beider, die aber selbst am Ende nicht gezeigt wird.

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 13:12
von Yano
Loma hat geschrieben:
@ Thema:
Bewegend und rührend fand ich ebenfalls Syberia 1+2, sowie The Longest Journey und Dreamfall.
Prägend waren für mich die Gabriel-Knight-Reihe und Baphomets Fluch 1.
Ziemlich aufgesogen wurde ich von Sanitarium (davon hatte ich recht merkwürdige Träume) und unfreiwillg verstörend hat The Void auf mich gewirkt (was jetzt aber nicht mehr unter Adventures fällt).

Ach ja, das erst kürzlich gespielte The Last Express fand ich auch enorm stimulierend.
Glaube ich konnte bisher noch nie einem Beitrag so sehr zustimmen wie diesem hier.
Trifft meine Meinung zu 100% wieder.

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 13:18
von Vainamoinen
Ninas Ex hat geschrieben: Ein Aha-Erlebnis der ganz anderen Art hatte ich bei Edna bricht aus.
Ich halte den Schluss für das miserabelste Ende, das ich je in einem Adventure erlebt habe. Es hat mich sehr unglücklich gemacht, weshalb ich die Spiele dieser Firma inzwischen meide. Denn es handelt sich um den reinsten Fatalismus und lässt den Spieler mit einem miesen Gefühl der Ausweglosigkeit zurück. Die Botschaft ist: Egal wie du dich entscheidest, es endet immer schlecht. Willst du unabhängig und frei sein, dann musst du etwas moralisch Verwerfliches tun und ein Verbrechen begehen. Willst du das nicht, weil du anderen Menschen keinen Schaden zufügen möchtest, musst du dich selbst aufgeben, dich unterwerfen und in Gefangenschaft begeben. Was ist das für eine "Wahl", bitte?
Debattierbar, natürlich!
Beide Enden sind für Edna ziemlich grausig. Es ist, das muss man klar sagen, eine "realistische" Wahl - und darüber hinaus eine Art der Interaktivität, die in gegenwärtigen Spielen als erstrebenswert angesehen wird. Man denke etwa an Mass Effect oder The Witcher (Rollenspiele, zugegeben), wo jede Wahl positive und unabsehbare negative Konsequenzen haben kann. Ich stehe dem Konzept auch skeptisch gegenüber, aber hier stoßen wir auf das fundamentale Dilemma des Spieledesigners: Gäbe es einen "guten" und einen "schlechten" Ausgang, wer würde den schlechten spielen wollen? Gäbe es zwei gute, worin unterscheiden sie sich und worin liegt das Risiko des Spielers? Ich bin weit davon entfernt, Ednas Enden als klasse einzuordnen, könnte die Unentrinnbarkeit aber durchaus als klassisch griechisch einordnen. Oder anders: "Das darf", und ich nehme es dem Spiel nicht übel. Mehr wäre aber drin gewesen!!

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 14:40
von Eike
Ninas Ex hat geschrieben:Ein Aha-Erlebnis der ganz anderen Art hatte ich bei Edna bricht aus.
Ich halte den Schluss für das miserabelste Ende, das ich je in einem Adventure erlebt habe. Es hat mich sehr unglücklich gemacht, weshalb ich die Spiele dieser Firma inzwischen meide. Denn es handelt sich um den reinsten Fatalismus und lässt den Spieler mit einem miesen Gefühl der Ausweglosigkeit zurück. Die Botschaft ist: Egal wie du dich entscheidest, es endet immer schlecht. Willst du unabhängig und frei sein, dann musst du etwas moralisch Verwerfliches tun und ein Verbrechen begehen. Willst du das nicht, weil du anderen Menschen keinen Schaden zufügen möchtest, musst du dich selbst aufgeben, dich unterwerfen und in Gefangenschaft begeben. Was ist das für eine "Wahl", bitte?
Was sonst hätte zu der Geschichte gepasst?
Edna ist süß, Edna ist toll, und natürlich identifiziert man sich mit Edna und will, dass es ihr gut geht. Auch mir ist bei der Wahl schlecht geworden. Aber wie soll das Ende sonst aussehen? Wir reden von einer Geisteskranken, die ernsthaft mit ihrem Stoffhasen spricht! Wäre es dir lieber gewesen, der Prinz wäre auf seinem Schimmel um die Ecke geritten, und hätte sie mitgenommen in das Land, in dem Milch und Honig fließen?

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 16:23
von Ninas Ex
Naja, Eike, psychisch krank zu sein muss doch nicht zwangsläufig bedeuten,
dass man am Leben zerbricht oder kriminell wird. Es geht doch in dem Spiel auch darum, dass Edna frei sein und ihr Leben selbst bestimmen will. Zumindest lese ich das heraus und finde, das erkennt man schon allein am Titel des Spieles. Sie wird schliesslich von ihrer Vergangenheit eingeholt und die ist ganz schön heftig, aber auch da stellt sich die Frage, ob Menschen, auch psychisch kranke Menschen, von ihren traumatischen Erlebnissen ihr ganzes Leben lang geknebelt sein müssen.
Ich bin kein Psychologe, aber ich denke, man hat in dieser Lage nicht dauernd nur die Wahl zwischen Pest und Cholera und es gibt Wege, mit psychischen Problemen klar zu kommen.
Das bedeutet: nein, der rettende Prinz auf dem Schimmel muss nicht sein, aber denkbar wären doch sanftere Optionen und Entscheidungsmöglichkeiten, wie zb Edna entkommt dem Doktor und macht schliesslich eine Therapie in der neu gewonnen Freiheit, die ihr hilft, mit ihren psychischen Problemen besser klar zu kommen uns sich langsam, Schritt für Schritt, von Harvey zu trennen.

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 18:23
von Laserschwert
Bei mir war es "The Dig", das nicht zuletzt durch sein fantastisches Artwork und Michael Lands Soundtrack eine unglaublich packende Stimmung aufgebaut hat. Das erste und einzige Adventure, das mich wirklich emotional berührt und (nach dem Durchspielen) ein paar Tage lang nicht mehr losgelassen hat.

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 19:01
von Joey
Also, bei Spielen, die mich besonders beeindruckt haben bzw. bei denen ich mich besonders gut in die Spielwelt und/oder Charaktere hineinversetzen konnte, fallen mir spontan insbesondere folgende ein:

Gabriel Knight, weil es einfach ein interessanter Charakter ist, und weil er sich dadurch, daß er drei Spiele bekommen hat, durch eben das, was er in diesen Spielen erlebt hat, richtig weiterentwickelt hat. Der Gabriel Knight vom Ende des dritten Teils ist nicht mehr derselbe, wie der vom Anfang des ersten Teils. Es ist nicht einfach ein Charakter, der durch Spiele läuft, ohne daß diese ihn verähndern würden, sondern er wird durch das, was er in seiner Welt erlebt, beeinflußt, wie dies auch bei einem realen Menschen in der realen Welt der Fall wäre.

Dann ist da natürlich noch mein Lieblingsspiel, Gray Matter. Mir würde kein anderes Spiel einfallen, in dem man so sehr in die Gefühlswelt der Charaktere hineingezogen wird und diese wirklich so sehr ihr Innerstes mit dem Spieler teilen. Herrjeh, mir würde auch IRL keine Person einfallen, die ihre Gefühle bis hin zu den niedersten Tiefen so sehr offenbaren würde. Und gerade das schafft eine sehr große emotionale Nähe, die ich derart fesselnd finde, daß mich das Spiel selbst beim fünften Durchspielen immer noch absolut gefangen genommen hat.

Ähnlich, wenn auch auf andere Art geht es mir bei Overclocked.
Dave dort ist nun wirklich nicht der klassische Held, aber es ist unglaublich ergreifend mitzuerleben, wie dieser eigentlich wohl in seiner Vergangenheit sehr nette und sympathische Charakter verzweifelt versucht, gegen das Schicksal und das, was mit ihm getan wurde, anzukämpfen und dabei immer tiefer in einen Sumpf aus Manipulation, Provokation und Gewalt hineingerät. Man weiß nie, ob man ihn nun hassen soll für das, was er tut oder getan hat oder bewundern soll dafür, wie er versucht, im Prinzip gegen sich selbst und seine "Programmierung" anzukämpfen. Und wenn man dann sieht, wie er immer wieder verzweifelt versucht, mit anderen Menschen ins Gesprach zu kommen und ihm fast schon ein Schild an die Stirn gepappt ist, auf dem steht: "Bitte, habt mich doch wieder lieb!", dann muß man einfach Mitleid mit ihm haben.
Hm. Es ist wohl offensichtlich, daß für mich interessante Charaktere das Wichtigste für ein gutes Spiel sind. Dicht danach kommt eine überzeugende und fesselnde Story, die diese drei Spiele ebenfalls haben. Technik und Ähnliches hat bei mir dagegen einen eher geringeren Stellenwert. Wenn Charaktere und Story gut sind, kann ich leicht über Grafikfehler oder sonstige technische Schwächen hinwegsehen.

Re: Adventures zum "Eintauchen" und "Versinken"

Verfasst: 05.10.2011, 21:24
von Eike
Vielleicht können wir uns darauf einigen...
...dass es im Leben durchaus Situationen gibt, wo man eben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat, aber dass es ein mulmiges Gefühl hinterlässt, das in einem Spiel so deutlich vor Augen geführt zu bekommen. Vor allem, wenn das Spiel trotz des eigentlich schwierigen Hintergrunds zu zwei Dritteln süß ist.
Ich würde auch nicht sagen, dass ich Edna wegen des Endes erstklassig fand.
Aber ich fand es trotz des Endes ganz klar erstklassig.