Welches Buch lest ihr ?

[Uncoolman]

Es muss nicht immer gleich „politische Korrektheit“ sein. Es reichen ganz simple Wortinterpretationen.

Nun, da Hexenjohanna „Jane Eyre“ hört: gleich im ersten Kapitel wird Jane, hinterm Vorhang versteckt, ein Buch lesend, vom widerlichen Sohn des Hauses gesucht. Im Podcast ruft er: „Bah, Frau Träumerin!“, in meiner Ausgabe steht „Buh! Madame Griesgram!“. Das ist nur ein winzig, winzig kleiner Unterschied, aber er weckt doch unterschiedliche Assoziationen. Ich weiß nicht, was im Original steht, aber augenscheinlich lässt sich manches Wort so oder so übersetzen...

[Fliegenpilz]

Retrospektiv gesehen: Benutzt nicht der aufgeklärte Autor jeweils immer, das zu seiner Zeit, politisch korrekte Wort für etwas?

Allerdings mag ich es auch gar nicht, wenn sich angemaßt wird, seinen Originaltext zu verändern. Da sollte man sich als Leser "klassischer Werke" doch besser in dessen Zeit einfühlen (müssen) oder sich was anderes, genehmes, zeitgerechtes aussuchen, wenn man sich an seinen Worten stört.

Dickens stand nach der Veröffentlichung von "Oliver Twist" unter Antisemitismusverdacht, da er für den Obergauner über 50mal "der Jude" schrieb. Das ist mir auch unangenehm aufgefallen, zumal die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielt.

[Fliegenpilz]

Ich habe heute mit Shaun Hamill - Das Haus der finsteren Träume angefangen. Langweiliger geht es kaum noch, wenn ich nicht wissen wollte, was es mit dem freundlichen Monster auf sich hat, würde ich abbrechen.

[Hexenjohanna]

Retrospektiv gesehen: Benutzt nicht der aufgeklärte Autor jeweils immer, das zu seiner Zeit, politisch korrekte Wort für etwas?

Allerdings mag ich es auch gar nicht, wenn sich angemaßt wird, seinen Originaltext zu verändern. Da sollte man sich als Leser "klassischer Werke" doch besser in dessen Zeit einfühlen (müssen) oder sich was anderes, genehmes, zeitgerechtes aussuchen, wenn man sich an seinen Worten stört.

Dickens stand nach der Veröffentlichung von "Oliver Twist" unter Antisemitismusverdacht, da er für den Obergauner über 50mal "der Jude" schrieb. Das ist mir auch unangenehm aufgefallen, zumal die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielt.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich hatte schon als Kind ein bewußtes Gefühl dafür, dass sich die jeweiligen, komischen Reizwörter aus dem zeitlichen Kontext ergaben und das einzuschätzen gewußt. Allerdings bin ich als kindliche Lesesüchtige auch notgedrungen mit viel Material konfrontiert worden, das ich andernfalls bestimmt nicht gelesen hätte.

[Fliegenpilz]

Dickens wurde schon damals von seinen Zeitgenossen heftig kritisiert. Da war kein zeitlicher oder inhaltlicher Kontext zu erkennen. Gerade deswegen, weil es keine Rolle spielt und aus der damaligen Weltsicht fällt, ist der Text so unangenehm zu lesen.

Wenn ich dagegen an Pipi Langstrumpfs Negerkönig denke, dann ist mir das nie negativ aufgestoßen, weil das Wort damals noch lange verwendet wurde. In irgendeinem Otto-Walkes-Film in den 80ern auch noch, wie ich kürzlich las. Es war auch normal "Negerkuss" zu sagen. Sicherlich ist das heute ungewohnt, aber wirklich fremd ist es mir nicht.

Letztendlich sind diese Wörter ja auch eine Chance, die Kinder zu sensibilisieren, warum man das heute nicht mehr sagt. Genau wie die Entfernung von Denkmälern und Umbenennung von Straßennamen eher dazu dienen, Geschichte unsichtbar zu machen und damit zu verharmlosen. Wenn ich z.B. in einer von-Trotta-Straße wohne, dann werde ich den Mann irgendwann googlen und über die Verbrechen an den Herero erfahren. Wenn ich in einer Hauptstr. wohne, wird dies eher nicht geschehen.

[LittleRose]

Es muss nicht immer gleich „politische Korrektheit“ sein. Es reichen ganz simple Wortinterpretationen.

Nun, da Hexenjohanna „Jane Eyre“ hört: gleich im ersten Kapitel wird Jane, hinterm Vorhang versteckt, ein Buch lesend, vom widerlichen Sohn des Hauses gesucht. Im Podcast ruft er: „Bah, Frau Träumerin!“, in meiner Ausgabe steht „Buh! Madame Griesgram!“. Das ist nur ein winzig, winzig kleiner Unterschied, aber er weckt doch unterschiedliche Assoziationen. Ich weiß nicht, was im Original steht, aber augenscheinlich lässt sich manches Wort so oder so übersetzen...

Ich habe mir die Freiheit genommen, mal nachzusehen. Immerhin habe ich die englische Ausgabe gleich hier stehen, auch wenn ich sie noch nicht gelesen habe. Er sagt: "Boh! Madam Mope!" Madame Griesgram ist also deutlich näher am Original. Von Träumerin sagt er nichts.

[Hexenjohanna]

Sei's drum. Ich gebe zu, ich habe kein feinsinniges Interesse an solchen Nuancen. Vielleicht weil ich aus Erfahrung weiß, das Leben ist kurz und beinhaltet Milliarden+ Optionen, sich mit Medien oder auch anderen Interessensgebieten allzu detailliert auseinanderzusetzen. Allerdings wächst dieser Geschichte für mich immer mehr Bedeutung zu, da dieses Buch für mich wirklich besonders ist. Also danke!
Ich bin bei dem, oben verlinkten Hörbuch jetzt beim 24. Kapitel angekommen und einigermaßen verblüfft, dass sich die Geschichte scheinbar noch ganz anders entspinnen wird, als von mir angenommen. So etwas liebe ich ja.

[Fliegenpilz]

Ich habe mir die WDR-Hörbücher zwar alle runtergeladen, würde sie im Zweifelsfalls eher kaufen. Ich stelle es mir nicht gerade prickelnd vor, wenn mir beim Aquajogging xmal "Das ist eine Produktion des WDR" uns Ohr gequäckt wird. Hörgenuss ist etwas anderes.

[Uncoolman]

„Jim Knopf“ habe ich noch im Original gelesen (die Version, in der sie nach China reisen) und auf Seite 17, als Jim Knopf ankommt, steht: „Das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein“, bemerkte Herr Ärmel und machte ein sehr gescheites Gesicht.“ Interessant ist, dass 1983 zwar das Land China in Mandala geändert wurde - der Neger-Satz aber blieb. Nun habe ich keine neuere Version (leider ist mir die Original Wilde-13 abhanden gekommen und daran kommt man quasi überhaupt nicht mehr dran, außer, jemand mistet seine Kinderbücher aus...), so dass ich nicht weiß, was HEUTE drinsteht... Ich vermute, wieder etwas Bereinigtes. Nur ist mir das als Kind nie aufgefallen - komischerweise war mir absolut klar, dass China nicht China war, und Neger war kein Schimpfwort. Ich glaube, dass Kinder ohnehin viel besser durchblicken als man ihnen zutraut...

[Uncoolman]

Ich habe mir die WDR-Hörbücher zwar alle runtergeladen, würde sie im Zweifelsfalls eher kaufen. Ich stelle es mir nicht gerade prickelnd vor, wenn mir beim Aquajogging xmal "Das ist eine Produktion des WDR" uns Ohr gequäckt wird. Hörgenuss ist etwas anderes.

Dann öffnest du die mp3 in einem Musikbearbeitungsprogramm deiner Wahl, schneidest den Vorspann ab und gut ist. Klar ist das nervig - aber auch jedes Buch hat Schmutztitel, Copyright-Angaben und Erscheinungsdaten- die liest du ja nicht auch jedesmal mit, oder?

Da die Folgen alle um die 30 Minuten lang sind, müsstest du schon eine Stunde Aquajogging machen, um den Vorspann zweimal zu hören...

[Hexenjohanna]

Ich habe mir die WDR-Hörbücher zwar alle runtergeladen, würde sie im Zweifelsfalls eher kaufen. Ich stelle es mir nicht gerade prickelnd vor, wenn mir beim Aquajogging xmal "Das ist eine Produktion des WDR" uns Ohr gequäckt wird. Hörgenuss ist etwas anderes.

Dann öffnest du die mp3 in einem Musikbearbeitungsprogramm deiner Wahl, schneidest den Vorspann ab und gut ist. Klar ist das nervig - aber auch jedes Buch hat Schmutztitel, Copyright-Angaben und Erscheinungsdaten- die liest du ja nicht auch jedesmal mit, oder?

Da die Folgen alle um die 30 Minuten lang sind, müsstest du schon eine Stunde Aquajogging machen, um den Vorspann zweimal zu hören...

Ich mache ja immer gerne (vielleicht aus Unkenntnis, Bequemlichkeit und dem Bewußtsein, einzelnen Medien im Rausch der Zeit nicht mehr treu sein zu können) aus so etwas eine Tugend: Ich freue mich sogar, zu stupide zu sein, mir diesen Hörgenuß vorzubereiten. Ich wähle jede einzelne akkustische Kostbarkeit in Form einer Folge stets neu an. Das macht es mir sogar besonders.

Ps: Hat vielleicht jemand dasselbe Gefühl der Überraschung nach Folge 24 (Hörbuch)/der Geschichte von Jane Eyre gehabt?

Es geht um den Heiratsantrag und was Jane danach empfindet

Wirklich, für mich ein sehr cooles antikes Buch. Die sanfte Entspinnung der Geschichte in dieser schönen, ultrapräzisen Beschreibung der Gefühle plus der ganzen Bilder und Szenerien, echt ein sinnliches Fest.

[Uncoolman]

Ich habe das Buch schon vor Ewigkeiten gelesen, deshalb wäre diese Szene im Hörbuch jetzt keine Überraschung. Ich müsste überlegen, ob ich damals Überraschung empfunden habe - sicherlich sogar, aber ich kann mich nicht erinnern.

Dass es auf eine Beziehung (im weitesten Sinne; sie könnte auch platonisch sein, da die Story nicht unbedingt ein Happy-Ending verspricht...) zwischen Jane und Mr. Rochester hinausläuft, kann man ahnen. Viele kleinere Details (man denke an die Wahrsagerin-Szene, die du hoffentlich bereits kennst) oder seine zur Schau getragene Ablehnung Fräulein Ingrams gegenüber und die häufigen Versuche, die zurückhaltende Jane an all seinen Unternehmungen oder Spielen teilhaben zu lassen, steuern darauf hin, dass er etwas für Jane empfindet. Dass Jane ebenso verknallt ist, erzählt sie seitenlang.. Von ihrer Seite also klar.

Inwieweit eine Heirat zwischen Hausherr und Gouvernante schicklich oder unangemessen zu dieser Zeit sein mag, kann man nur abschätzen. Da Mr. Rochester zwar etwas auf Sitte und gesellschaftliche Normen hält, andererseits aber ein ziemlicher Dickkopf ist, dem die Meinungen anderer egal sind, könnte ich mir gut vorstellen, dass er auf die Gesellschaft pfeift. Das tut er in gewissem Sinne die ganze Zeit. Er war schon vorher ein Außenseiter.

Habe gerade in der Mediathek „Geiiebter Johann, geliebte Anna“ auf 3sat gesehen, nach einer wahren Geschichte, wo sich der Erzherzog, spätere Kaiser, in ein einfaches Mädchen vom Land verliebt und sie entgegen der Wünsche seines Vaters Franz am Ende tatsächlich heiratet, wenn er auch strikte Auflagen vom Hof bekommt.

Es war üblich, dass die Männer Geliebte fürs Vergnügen hatten, aber irgendeine Prinzessin aus angesehenem Hause heiraten mussten, die ihm ausgesucht wurden. Die Zahl solcher unglücklichen Verbindungen ist Legion. In „Jane Eyre“ ist es ähnlich, mit dem Unterschied, dass Mr. Rochester keine dominante Familie zu besitzen scheint, die ihm in den Rücken fällt und Vorgaben macht, sondern dass er eher frei entscheiden kann, was seine Lebensweise und seine liebsten Angetrauten angeht (mehr sag ich jetzt nicht...).

Jemand, der seine Geliebte also wirklich heiraten will, zeigt Charakterstärke, die aber exakt Mr. Rochesters beste Eigenschaft ist (jedenfalls zu Jane Eyres Zeit, nicht vorher... ). Deswegen passt es. In Jane Austens Romanen war diese verzwickte Situation auch öfters Thema, in der Liebende enterbt oder verstoßen wurden (z.B. in „Northanger Abbey“ gleich mehrmals).

[Hexenjohanna]

Also Jane Eyre ist wohl wirklich bis zur letzten Minute/Seite spannend (hab sie noch nicht erreicht). Man könnte einen extra Thread dazu aufmachen. Auch wenn ich heute dachte: "Daran haben sich wohl noch ein Jahrhundert lang die Liebesroman-Schreiber delektiert wie die Vampire".

Mir fielen nämlich dazu heute beim Hören die Bilder von diesen Heftroman-Titeln mit diesen, über die dralle Maid im viktorianischen, aber tief ausgeschnittenem Kleid gebeugten, muskelbepackten Helden ein.

Jane Eyre war wohl u.a. deren geschmackvollere, züchtigere und literarisch tiefgründigere Vorlage?

Durch Zufall entdeckte ich heute etwas Interessantes aus unserem Land, das ich schon angelesen, aber erst noch mal zurückstellte, bis ich das obige Werk beendet habe:

https://www.projekt-gutenberg.org/olfer ... ap001.html

[Uncoolman]

Au weia... Ich glaube, "Jane Eyre" enthält doch deutlich mehr Substanz. Obwohl Stifter oder Ganghofer ja zum Lesen zwischendurch auch nicht schlecht sind...

[Werner1612]

"Die Helden der Nation", im Original "The Right Stuff", von Tom Wolfe. Ich habe vor etwa 20 Jahren den Film "The right Stuff - der Stoff, aus dem die Helden sind" gesehen, und war von diesem Film über die Anfänge der Raumfahrt der USA fasziniert, da er die Geschehnisse von Jaeger, Glenn, Gus Grissom und vielen anderen fast dokumentarisch nacherzählte. Es war die Verfilmung von "The Right Stuff", dem Buch von Wolfe. Den Film habe ich seit ein paar Jahren als DVD. Nun habe ich hier ein gebrauchtes Paperback auf deutsch schon länger rumliegen, und bin erst am Anfang. Nicht wegen dem Stoff, denn den kenne ich verkürzt aus dem Film; sondern eher wegen dem ungewönlichem Druck des Buches. So eng wie möglich beschrieben, sehr kleine Schrifttype, wenig Absätze. Man wollte hier sicher eine gebundene Ausgabe auf Taschenbuch pressen. Die Taschenbuchgröße entspricht, obwohl von Knaur, eher einem Format eines US Taschenbuchs, obwohl 463 Seiten und 3 cm dick. Der Film ist klasse, der Stoff generell ist klasse, also lasse ich mich einfach mal auf dieses TB ein, wenn es auch mit dem Lesen nicht ganz so leicht sein wird, zumal Wolfe auch etwas stark schwadroniert. Aber das mache ich ja hier ab und an auch.
LG, Werner