Im Thimbleweed-Park-Forum wurde vor einer Weile
diskutiert, ob es in Zukunft ein neues Adventure von Terrible Toybox geben könnte. Ich hab mal einen Teil der Diskussion mit Ron Gilbert, die ein paar interessante Einblicke zum Thema Finanzierung und Kickstarter enthält, übersetzt für diejenigen, die lieber auf Deutsch lesen:
TaarakVakil hat geschrieben:Wird es in näherer Zukunft ein neues Spiel von Ron Gilbert und Team geben?
Ich würde sehr gerne mehr Point&Click-Adventures von euch in der Zukunft sehen!
Ron Gilbert hat geschrieben:Ich schätze, das hängt von deiner Definition von "näher" ab. Wir arbeiten noch immer an Thimbleweed Park, das wird noch bis Ende Oktober gehen. TWP hat die Gewinnschwelle erreicht, und wird sich wahrscheinlich über die Zeit gut machen (es hat einen sehr starken Nachlauf), aber es ist nicht genug, um ein neues Spiel zu finanzieren.
Kickstarter könnte voraussichtlich (höchstens) die Hälfte eines neuen Spiels finanzieren, und ich kann es mir nicht leisten, für weitere zwei Jahre für umsonst zu arbeiten, um auf den Gewinn zu warten, der mir weit weniger einbringt, als ich bekommen würde, wenn ich mir einfach einen Job suchen würde. Das ist die unschöne Realität der Indie-Spieleentwicklung.
Das heißt jetzt nicht, dass ein neues Adventure (oder adventure-ähnliches) Spiel nicht möglich ist, aber ich muss viele verschiedene Möglichkeiten anschauen, bevor ich entscheide was ich als nächstes tue.
LowLevel hat geschrieben:Könnten die Verkäufe für Mobilgeräte und Switch dieses Szenario ändern, oder nimmst du die davon aus?
Ron Gilbert hat geschrieben:Es ist unwahrscheinlich, dass es genug sein wird, um das Bild zu ändern. Selbst zusätzliche 100.000$ machen das nicht möglich. Ich weiß, 100.000$ scheinen viel Geld zu sein, aber man darf sich das nicht als 100.000$ denken, die auf dem persönlichen Bankkonto sind. Ein Drittel davon geht als Steuern ab. Man muss zusätzlich bedenken, dass das Machen von TWP 1 Mio Dollar gekostet hat. Ein neues Spiel zu machen wird voraussichtlich nicht billiger sein. Wir würden etwas Geld dadurch sparen, keine Engine bauen zu müssen, aber das war kein großer Teil des Budgets. Ich könnte mir ebenso einen Job suchen und das Doppelte von dem verdienen, was ich je mit TWP verdient habe. Geld mit einem neuen Spiel zu machen ist risikobehaftet, das ist bei weitem nicht garantiert. Ich bin in meiner Karriere viele Risiken eingegangen, und wenn sie auch aus kreativer Sicht Spaß gemacht haben, haben die meisten nur gerade so Gewinn gebracht oder sich nicht ausgezahlt.
Ja, ich könnte Dinge auslassen und das Budget zurechtstutzen, Abstriche an der Qualität machen und sogar noch mehr Risiken eingehen, aber ich weiß nicht, ob ich das weiter tun möchte. Mir macht es nichts aus, Risiken einzugehen, aber sie müssen richtig kalkuliert werden. Ich denke nicht, dass ein weiteres Point&Click-Adventure das richtige Risiko zum Eingehen ist. Vielleicht werde ich auf eine Idee stoßen, die diese Gleichung ändert, aber vielleicht auch nicht, und sicherlich nicht in der "näheren Zukunft".
Um sich enthusiastisch auf ein weiteres Point&Click-Adventure zu stürzen hätte TWP 750.000$ Gewinn einbringen müssen, also nach Abzug von Steuern und dem Auszahlen von Investoren. Wir sind bei weitem davon entfernt, und PS4, Switch und iOS werden das nicht ändern.
Someone hat geschrieben:Ich würde Kickstarter nicht unterschätzen: viele Leute haben die erste Kickstarter-Kampagne verpasst.
Ron Gilbert hat geschrieben:Ich wünschte, ich könnte dem zustimmen. Zugegebenermaßen ist das alles Kristallkugelschauen, aber für all die neuen Backer, die wir dazugewinnen würden, würden wir ebenso viele verlieren (wenn nicht gar mehr). Viele Leute haben TWP wegen des Neuheitsfaktors unterstützt, diese Neuheit gibt es nun nicht mehr.
Selbst wenn wir eine maßgebliche Anzahl der derzeitigen Käufer dazu brächten, Backer zu werden, bedeutet das weniger Verkäufe und Gewinn bei Veröffentlichung, was bedeutet, dass die Personen mit Gewinnbeteiligung mehr im Voraus bezahlt werden möchten. Das ändert die Gleichung. Zudem sind wir mit einer Kickstarter-Kampagne durchgekommen, bei der wir sehr wenig (tatsächlich gar nichts) des eigentlichen Spiels gezeigt haben. Wir hatten keine Demo oder gar Gameplay-Aufnahmen. Das war ein sehr großes Risiko. Ich bin nicht sicher, ob wir damit ein zweites Mal durchkommen würden. Zu dem Punkt zu gelangen, an dem wir eine neue Kampagne starten könnten ist eine Riesenmenge an Vorproduktions-Arbeit erforderlich ... wo wir dann wieder unbezahlt arbeiten.
Ich würde nicht "nie" sagen wollen, aber es ist nicht so einfach wie eben mal eine Kickstarter-Kampagne aufzusetzen.
Someone hat geschrieben:Fragt auf Kickstarter (oder einer anderen Plattform) nach dem Geld, das ihr benötigt, um dieses Spiel zu produzieren - das ganze Spiel, inklusive aller Kosten. Wählt einen Geldbetrag, von dem ihr und alle anderen Teammitglieder leben könnt.
Ron Gilbert hat geschrieben:Ich glaube nicht einen Augenblick, dass ich eine Kickstarter-Kampagne für ein Point&Click-Adventure finanziert bekäme, bei dem ich nach 1,5 Mio Dollar frage, was ehrlich gesagt das ist, was benötigt würde, um jedem ein normales Industriegehalt (noch nicht mal hochbezahlt) zu zahlen und ein Spiel zu machen, das eine Qualitätsstufe erreicht, auf die ich solz wäre. Es gibt zu viele Leute, die keine Vorstellung davon haben, was erforderlich ist, um ein Spiel zu machen, die über das Projekt scheißen würden, und es durch schlechte PR zum Fehlschlag bringen würden. Ich hab sowas in der Vergangenheit schon passieren gesehen.
Das andere Problem mit der Annahme, dass man keinen Gewinn macht und nur die Entwicklungskosten deckt, ist dass es einen nie befreit. Dies ist das selbe Problem, in das viele Entwickler mit Publishern geraten. Sie entwickeln Spiele, für die der Publisher vollständig zahlt, aber es gibt keine realistische Gewinnbeteiligung, und somit sind sie weiter im Zyklus gefangen.
Kickstarter-Projekte zu machen, die deine Kosten decken, wo es aber geringe Aussichten auf Überschuss gibt, ist nicht besser als mit einem Publisher zu arbeiten. Es mag ein paar mal gut gehen, aber das eine mal, wenn dein Kickstarter nicht erfolgreich ist, fällt das Ganze zusammen.
Firmen wollen profitable Spiele nicht (nur) weil sie gierig sind, sie brauchen sie, um die Fehlschläge auszugleichen.
Nor_Treblig hat geschrieben:Wenn es die Möglichkeit gibt, genug Geld zu bekommen, um die ersten ~2/3 des Spieles zu bezahlen, dann könnte es ein Kickstarter später im Entwicklungsprozess geben, um den Rest zu finanzieren.
Ron Gilbert hat geschrieben:Das ist es, was Kickstarter mittlerweile geworden ist. Es ist tatsächlich Kickfinisher. Zwei Drittel von 1,5 Mio Dollar aufzubringen ist der knifflige Teil. Man gibt eine Menge für dieses Geld auf. Man ist nun unter der Kontrolle eines sehr anderen Biests. Sobald man noch eine Kickstarter-Kampagne macht, ist man nun unter der Kontrolle von zwei Biestern.
Ich würde lieber meine Zeit verbringen, nach Spielen zu schauen, die billiger zu entwickeln und aus kreativer Sicht anders und daher interessanter für mich sind.