Anzeige

Test

von  Hans Pieper
14.01.2017
Tormentum - Dark Sorrow
Getestet auf
  • Windows
  • iPad
, Sprache Englisch

Bereits mit einem Blick auf die Screenshots des Spiels ist klar: Tormentum hat nicht nur einen eigenwilligen Grafikstil - das Spiel wirkt auch ziemlich grausig.

Gefangen

Als namen- und gesichtslose Person landet der Hauptcharakter des Adventures in einer ebenso bedrückenden wie morbiden Welt. Kurz zuvor wurde er in einem Käfig gefangen per Zeppelin in ein riesiges Schloss gebracht. Zwar gelingt ihm zügig die Flucht, doch das Verlassen der Zelle ist nur ein erster Schritt auf dem Weg einer langen Reise durch eine verstörende Welt voller Brutalität, an deren Ende ein spannende Auflösung steht.
Auch wenn dies zunächst nicht so wirkt, bringt das Spiel eine gut ausgestaltete Hintergrundgeschichte mit, die nicht nur eine gut inszenierte Wendung am Ende bietet, sondern auch zahlreiche moralische Entscheidungen, die Auswirkungen auf den Schluss haben. Belesene Rätsler erkennen zudem viele Anspielungen auf Kants Philosophie, die konsequent angewendet wird. Allein diese Punkte machen den Titel schon spielenswert.


Klassische Eröffnung: Ein Gefängnis

Abstoßende Schönheit

Tormentum ist sicherlich nichts für zartbesaitete Gemüter. In nahezu jedem Schauplatz wimmelt es nur so von Folterinstrumenten, Skeletten, Leibern und organischen Resten. Dies wird durch den eher abstrakten und künstlerisch angehauchten Grafikstil nur ein wenig abgemildert. Die über 70 detailreich gestalteten und handgemalten Schauplätze sind der zweite große Pluspunkt des Adventures. Der Stil wirkt wie ein Albtraum im Fieberwahn nach dem Betrachten einer Heavy-Metal-Coversammlung und erzeugt eine gleichermaßen abstoßende wie anziehende, aber stets äußerst gelungene Atmosphäre. Vollkommen stimmig greifen hier alle Elemente ineinander und erzeugen eine lange, morbide Reise, bei der vor jeder Neuentdeckung gleichermaßen Neugierde und Zurückhaltung herrschen. Dadurch lässt sich auch die Tatsache verschmerzen, dass Animationen eher dünn gesät sind und bei größeren Ereignissen meist auf Schwarzblenden zurückgegriffen wird.


Das Spiel ist nichts für Zartbesaitete

Auf die Ohren, in den Sinn

Ebenfalls überzeugen können die musikalische Untermalung und das Sounddesign. Insgesamt verfügt der Titel über 90 Minuten Soundtrack in 39 Titeln, was für ein Spiel dieses Umfangs enorm viel ist. Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass eines der Abspannlieder (ein recht hartes Heavy-Metal-Stück) komplett aus der Reihe fällt und die Stücke teilweise nur innerhalb eines Bildschirminhaltes abgespielt werden. Das ist fast schon eine Verschwendung, denn während des Rätselns wechselt der Spieler durchaus häufiger schnell die Schauplätze und würgt so die Titel, die mit einem leichten Fade ineinander übergehen, ab.


Immer wieder spielen Entscheidungen eine Rolle

Aufsummierende Kleinigkeiten, schwaches Rätseldesign

So überzeugend Grafik, Geschichte, Atmosphäre und moralische Entscheidungen von Tormentum auch sein mögen: Es gibt einige Kritikpunkte, die das Spielerlebnis trüben. Der größte davon ist das Rätseldesign. Der sehr leichte Schwierigkeitsgrad, der auch im Verlauf des Titels kaum ansteigt, stellt für geübte Rätsler keinerlei Herausforderung dar. Auch wirken einige Aufgaben schlecht in die Geschichte integriert und aufgesetzt. Hinzu kommen nicht überspringbare Minispiele, die in dieser Form inzwischen schon unzählige Male in anderen Adventures und Casual-Titeln vorgekommen sind. Etwas mehr Mut und Kreativität hätte hier gutgetan. Letzlich basieren alle Aktionen auf Inventarkombinationsrätseln. Positiv in Sachen Rätseldesign ist jedoch zu vermerken, dass auch normalerweise abwegige oder abstruse Kombinationen so gut in die Spielwelt eingebunden sind, dass die Lösung dennoch nahe liegt. Eine automatische Hotspotanzeige, die jedoch vergleichsweise unauffällig in das Spiel integriert ist, sammelt ebenfalls Pluspunkte, denn in den teilweise sehr chaotischen Schauplätzen wird diese häufiger tatsächlich auch benötigt.
Der größte Kritikpunkt aus technischer Sicht ist das Speichermanagement. Aus unverständlichen Gründen gibt es nur einen einzigen Spielstand. Wer Entscheidungen ändern möchte, muss das gesamte Spiel noch einmal von vorne beginnen. Zwar sollte der etwa zwei bis vier Stunden lange Titel dann etwas schneller gelöst sein, viel Freude bereitet das aber nicht.
Bequem ist eine Funktion, die ausgewählte Gegenstände auch nach einer erfolglosen Kombination aktiv lässt, etwas umständlich ist hingegen der Klick in das Inventar in Form einer Tasche am rechten unteren Bildschirmrand, nach dem etwas gewartet werden muss, bevor ein Gegenstand gewählt werden kann – ansonsten geht einfach die Tasche wieder zu. Zusätzlich kann ein einmal ausgewähltes Objekt nicht mit einem Rechtsklick wieder abgewählt werden.
Desweiteren leistet sich die Übertragung ins Deutsche an mehreren Stellen einige Patzer: Texte sind häufiger unglücklich oder schlicht falsch übersetzt.


Nervig: Nichtüberspringbare
Standard-Minispiele

Fazit

Rechnet man die vielen Kleinigkeiten und das einfache Rätseldesign von der Stange gegen die starke Atmosphäre, die interessante Geschichte, den spannenden philosophischen Hintergrund und den gelungenen Grafikstil bleibt ein insgesamt gutes, von der Länge her genau richtiges Adventure für Spieler, die vor drastischen Darstellungen nicht zurückschrecken.

Galerie

Kommentare des Verfassers

Kommentare

detail

Tormentum ist interessant und verstörend zugleich. Das Spiel punktet einerseits durch seine einzigartige und schöne Grafik und sein tolles Setting, verliert aber auf der anderen Seite durch sein plattes Rätseldesign. Trotzdem, es ist ein Adventure, das seine ganz eigene Nische findet und damit sehr einzigartig daher kommt. Auch wenn die technische Umsetzung an einigen Stellen zu wünschen übrig lässt, bleibt Tormentum ein lohnenswerter Titel, der auf jeden Fall einen Blick wert ist.

detail

Es ist schon eine sehr merkwürdige Atmosphäre, die Tormentum erzeugt. Einerseits will man vorankommen, andererseits wirken die Schauplätze und die Welt auch abstoßend. Die Inhalte des Spiels haben mich auch nach dem Beenden noch weiter verfolgt.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Gute Story
  • Beeindruckende Atmosphäre
  • Mehrere Enden
  • Schwache Rätsel
  • Nichtüberspringbare Standard-Minispiele
  • Nur ein Spielstand