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Test

von  Antonio Moss
16.11.2015
Jerry McPartlin
Getestet auf Windows, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch

Das deutsche Entwicklerteam bluebox interactive ist noch sehr jung und versucht nun, sich mit seinem neuesten Titel Jerry McPartlin - Rebel with a Cause einen Namen in der Branche zu machen. Sieht man sich die vorherigen Projekte des Entwicklers an, findet man neben einem Werft-Simulator unter Anderem eine Smartphone-App mit Jürgen von der Lippe und ein kleines Surfspiel, das von einer deutschen Versicherung in Auftrag gegeben wurde. Werden sie also mit diesem Adventure-Titel den großen Wurf schaffen? In diesem Test erfahrt ihr es.

Let’s Rock and Roll

Der titelgebende Held Jerry McPartlin verfolgt den Traum, ein großer Rockstar zu werden. Er verlässt deshalb seinen Heimatort Barnett Springs und reist quer durch die Vereinigten Staaten der fünfziger Jahre. Aufgrund ausbleibenden Erfolgs und einer Nachricht aus seiner Heimat kehrt er zurück und erlebt eine ziemlich verrückte Geschichte. Denn statt auf Bühnen zu rocken, muss er einen Mörder finden, der sogar ein Dämon zu sein scheint. Und dank seines Indianerfreundes Wikvaya weiß er natürlich genau, wie man einen solchen Bösewicht bekämpft. Der Spieler ist für die folgenden circa vier bis sechs Stunden also damit beschäftigt, ein Mittel gegen das Böse herzustellen. Damit das nicht allzu einfach ist, wird einem in klassischer Adventure-Manier natürlich ein Rätsel nach dem anderen zum Lösen vorgesetzt, um an all die nötigen Zutaten zu kommen.

Ein erfolgreiche Rocker ist Jerry nicht -<br /><br />aber er kann gut am Tresen hängen

Des Rätsels Lösung …

… ist oft nicht ganz so einfach. Fans klassischer Adventures werden sich wohl fühlen, denn die Aufgabenstellungen sind so, wie man sie von eben jenen kennt. Keine simplen Schalter- und Hebelrätsel. Nein. Hier muss man noch kombinieren und manchmal auch um mehr als eine Ecke denken können. Letzteres stellt sich allerdings auch oft mal als nervig heraus, da gewisse Lösungen sehr weit hergeholt erscheinen. Genauso verhält es sich mit Gegenständen, die man aufsammeln kann. Das ist jedoch ein “Problem”, welches viele klassische Adventures haben. Obwohl die Hauptfigur mit manchen Dingen absolut nichts anzufangen weiß, steckt sie diese einfach schon mal ein. Man könnte sie ja “irgendwann mal gebrauchen”. Natürlich ist es auch gleichzeitig eine Entlastung, denn so muss man nicht (viel) später, wenn man sie dann wirklich braucht, noch mal an den Ort zurück, um sie zu holen. Dass sich das Spiel oft selbst nicht ganz so ernst nimmt, merkt man an Gesprächen, die extreme und teilweise absurde Rätselketten aufs Korn nehmen und den Spieler dann direkt selbst eine solche lösen lassen.

I believe I can fly...

Eine Prise Humor

Apropos Humor - viele Adventures haben eine ordentliche Portion davon dabei. So ist es auch bei Jerry McPartlin. In den meisten Dialogen und Monologen findet man eine witzige Aussage oder eine Anspielung auf andere Titel und die Popkultur. Trotz der Tatsache, dass die Originalsprache deutsch ist, funktionieren manche Sprüche auf englisch besser. So zum Beispiel der berühmte Satz von Gandalf aus Herr der Ringe “You shall not pass!”. Nicht nur die oben erwähnten Rätselketten sind ein Ziel der Seitenhiebe, die das Spiel verteilt. Auch Mikrotransaktionen* werden an einem Getränkeautomaten durch den Kakao gezogen. Man erkennt, dass sich die Schreiber viele Gedanken gemacht haben, als sie die Dialoge erfasst haben. Dass diese allerdings nicht immer gelungen sind, muss auch erwähnt werden.

*Erklärung zu Mikrotransaktionen im Infokasten

Eine Runde Billard geht immer!

Reden ist Silber …

Wenn man zu der Sorte Spieler gehört, die trotz deutscher Sprachausgabe den Text mitlesen, könnte man des Öfteren etwas verwirrt sein. Denn das Gesprochene weicht manchmal vom Geschriebenen ab. Hin und wieder sogar extrem. Hier hätte man sich die Zeit nehmen sollen, die Texte im Spiel noch anzupassen. Generell sind aber auch die deutschen Sprecher leider nicht das Gelbe vom Ei, was doch etwas überrascht, wenn man andere Genrevertreter aus Deutschland und Europa und deren Sprecher denkt. Man hat bei fast allen das Gefühl, als seien das lediglich Freunde der Entwickler, die zwar Spaß am Einsprechen, aber kaum bis gar keine Erfahrung damit haben. So klingen viele immerhin sympathisch und haben teilweise sogar an sich eine sehr angenehme Stimme, sind aber so als Sprecher noch ungeeignet. Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen, die ihre Arbeit den Umständen entsprechend wirklich gut gemacht haben. Stellt man die Sprachausgabe auf Englisch, sieht es ganz anders aus. “Leider” sind die englischen Sprecher - wie so oft - viel besser und passender ausgewählt, was vor allem bei einem an einen echten Rockstar angelehnten Charakter sehr positiv ausfällt.

Hier treten die großen und kleinen Stars auf

Fünfziger Jahre Feeling

Damit man sich in diese Zeit versetzt fühlt, gibt es einen passenden rockigen Soundtrack und unzählige Anspielungen auf die Musik und Stars dieser Zeit. Selbst der Cursor und das Inventar sind an das Rock and Roll-Setting angepasst. Auch die Kulisse ist entsprechend gestaltet und kann überzeugen. Allerdings hat man sich für eine 3D-Grafik entschieden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Grafik schon jetzt stark veraltet aussieht. Was aber wiederum zum Setting passt - denn vom Jahr 2015 ist dieser Anblick sehr weit entfernt. Leider kann man, von den Musikstücken mal abgesehen, zum Sounddesign auch nicht viel Gutes sagen. Zum Beispiel die Töne, die von Schritten erzeugt werden; sie klingen immer gleich, egal auf welchen Flächen man läuft. Die Qualität der Aufnahmedateien der Sprecher lassen auch zu wünschen übrig. Hier hätte man mehr Zeit ins Mischen und Mastern investieren müssen.

Barnett Springs bei Nacht

Der Ladezeiten-Blues

Wie auch bei waschechten Rockstars kommt es auch bei Spielen auf eine gute Performance an. Mittlerweile wurde hier zwar schon mit Patches nachgeholfen, davor kam es aber mehrere Male zum Einfrieren des Bildschirms und kompletten Abstürzen. Danach war scheinbar immerhin das erste Problem gelöst. Aus dem Spiel konnte man trotzdem noch ungewollt fliegen. Die teilweise sehr langen Ladezeiten machen es nicht besser. Zu allem Überfluss bekommt man die Ladebildschirme sehr oft zu sehen, da man für manche Rätsel häufig und schnell die Orte wechseln muss, um etwa ein neues Gespräch zu triggern oder wegen einer einzigen Information, die man sich auch so schon hätte denken können.

Freundet euch besser mit diesem Bild an...

Fazit:

An sich ist Jerry McPartlin ein recht solides Adventure. Es hat eine simple Story mit mal mehr mal weniger sympathischen Charakteren. Das Setting ist relativ unverbraucht. Man merkt, dass man sich damit wirklich Mühe gegeben hat. Gleichzeitig sieht man allerdings auch, wie knapp wohl die Mittel und Zeit zur Umsetzung gewesen sein müssen. Denn abseits der größtenteils passablen bis guten Rätsel, die den Kern eines jeden Adventures darstellen, leidet so gut wie jeder Aspekt des Spiels unter diesem Mangel. Was schade ist. Denn man hätte ihnen mehr gegönnt. Wenn bluebox interactive bzw die Ed Venture Studios mit diesem Titel einen Erfolg feiern können, vielleicht bekommen sie dann beim nächsten Mal mehr finanzielle Unterstützung des Publishers oder über Crowdfunding. Abschließend bleibt zu sagen: Wer die fünfziger Jahre und Rock and Roll mag und außerdem einem kleinen Adventure klassischer Art eine Chance geben will, sollte sich das definitiv anschauen. Denn dann kann man über so manchen Fehler hinwegschauen. Alle anderen sollten sich das noch einmal gut überlegen.

thumb
Mikrotransaktionen Mikrotransaktionen sind ein bei einigen Entwicklern/Publishern häufig benutztes Mittel, um die Spieler mehrmals zur Kasse zu bitten. So werden zB virtuelle Gelder und andere Spielgegenstände verkauft, durch die sich der Spieler einen Vorteil verschaffen kann. Manche gehen sogar so weit, für einen reibungslosen Spielverlauf fast unverzichtbare Dinge gegen echtes Geld anzubieten. Das kommt vor allem bei an sich kostenlosen Smartphone-Spielen zum Einsatz.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Eigentlich hatte ich mich sehr gefreut, als wir auf der Gamescom erfahren hatten, dass Jerry McPartlin endlich fertiggestellt sei. Leider konnte das Spiel meine Erwartungen nicht erfüllen. Angefangen von der erschreckend schwachen Sprachausgabe, über die veraltete, teils richtig hässliche 3D-Grafik (einzig das Diner sieht ganz ok aus) und die unspektakuläre Geschichte bis hin zu den Rätseln, so richtig überzeugen konnte mich davon nichts. Dazu gab es dann auch noch lange Ladezeiten und andere technische Probleme, was bei mir die Lust zum Weiterspielen ziemlich abgetötet hat. Schade, ich hätte es den Jungs von Bluebox Interactive doch sehr gegönnt, nachdem sie so lange um den Titel gekämpft haben - und dabei wohl so einige Kompromisse beim Budget eingehen mussten, die sich nun in der Qualtität des Endprodukts niederschlagen...Axel Kothe
Ganz ehrlich; ich habe mich schwer getan, Jerry McPartlin durchzuspielen. Ich fand die Musik ganz gut und habe noch immer einen Ohrwurm von diesem Barber-Song im Diner (dieses “Snip, Snap, Snippety-Snap!”). Aber darüber hinaus haben mir die vielen kleinen und paar großen Fehler zu sehr die Atmosphäre gekillt. Bei einem Adventure müssen für mich neben den Rätseln auch die Sprachausgabe und das Grafikdesign stimmen. Die Rätsel waren okay, aber der Rest leider nicht so sehr.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Guter Soundtrack
  • Teils witzige Dialoge
  • Frisches Setting
  • Deutsche Vertonung größtenteils misslungen
  • Teilweise lange Ladezeiten
  • Vergleichsweise kurze Spieldauer