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Test

von  Hans Pieper
21.05.2015
Technobabylon
Getestet auf Windows, Sprache Englisch
85%

Weitreichende genetische Manipulationen, eine süchtig machende virtuelle Realität und eine nahezu allwissende künstliche Intelligenz - so sieht der Alltag in der Welt von Technobabylon aus. Entwickler Technocrat entführt darin den Spieler mithilfe von Publisher Wadjet Eye Games in eine ebenso düstere wie spannende Geschichte, die jedoch nur auf Englisch erzählt wird.

Central sieht (fast) alles

In einer nicht allzu fernen Zukunft haben Technik und virtuelle Welten den Alltag der Menschen komplett übernommen. Fast jeder ist verkabelt und somit zu zahlreichen Systemen und Maschinen kompatibel. In einer der größten Städte, Newton, regelt die künstliche Intelligenz Central alle wichtigen Funktionen – inklusive der Verwaltung der Polizeiarbeit. Dennoch gibt es weiterhin auch menschliche Ermittler. Zwei davon sind die Hauptcharaktere Charlie Regis und Max Lao. Und die werden auch dringend benötigt, denn ein sogenannter „Mindjacker“ überfällt Menschen und liest deren gesamtes Gehirn inklusive Bewusstsein aus, was zum Tod der Opfer führt. Regis und Lao nehmen die Ermittlungen auf und stoßen dabei auf mächtige Gegner und schließlich auf eine groß angelegte Verschwörung. Zu allem Überfluss wird Charlie Regis auch noch von einer unbekannten Person erpresst und muss deren zweifelhafte Aufträge ausführen. Gleichzeitig bemerkt eine Einwohnerin der Stadt Newton, Latha Sesame, dass sie in ihrem Apartment eingeschlossen wurde. Das wäre ihr fast nicht aufgefallen, denn die junge Frau verbringt ihre Zeit fast ausschließlich in einer virtuellen Realität namens Trance. Dieses Netzwerk macht schnell süchtig, ermöglicht aber auch eine weitreichende Kontrolle der Bürger. Durch ein wenig Geschick gelingt es Latha, aus ihrem Apartment auszubrechen, und das keine Sekunde zu spät. Auch für sie beginnt damit eine längere Reise durch die echte Welt, an deren Ende sie natürlich auf die anderen beiden Protagonisten trifft.

Ermittlungen in einer düsteren Zukunft

Herrliche SciFi-Kost mit kleineren Logiklücken

Die Geschichte hinter Technobabylon ist gut ausgedacht, stimmig umgesetzt und sehr spannend. Haupt- und Nebencharaktere erhalten durch das Spiel einiges an Tiefe und sind glaubwürdig ausgearbeitet. Dass die Geschichte nicht chronologisch erzählt wird und zwischen den Charakteren springt, ist ein schönes Element, das den Spieler dennoch nicht überfordert. Zahlreiche Wendungen und ein großes Finale, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, runden den sehr guten Eindruck ab. Da ist es auch zu verschmerzen, dass es besonders im letzten Drittel des Spiels bei kleineren Abschnitten kurz an der Logik hapert. So zeigen sich beispielsweise Soldaten einer Eliteeinheit erstaunlich blind und taub gegenüber Regis und Max, obwohl diese direkt vor ihrer Nase herumspazieren oder mit Türen knallen. Auch Todessequenzen sind nicht ganz ausgearbeitet: Der Spieler sieht, wie sein Charakter stirbt – und kurz darauf wieder an der Stelle steht, wo er vor der tödlichen Entscheidung war. Hier wäre ein kurzer Hinweis optischer oder akustischer Art wünschenswert gewesen, dass sich die Spielfigur alles nur vorgestellt hat. Doch das sind Kleinigkeiten, die nicht allzu sehr ins Gewicht fallen.

Entscheide dich!

Technobabylon wird auch durch Entscheidungen geprägt, die der Spieler auf seinem Weg trifft. Zwar ist nur eine ganz am Schluss wirklich relevant für den Ausgang der Geschichte (es gibt zwei alternative Enden), allerdings prägen andere Entscheidungen das Verhältnis zwischen den Charakteren und wie diese von außen gesehen werden. Das ist ein schönes Element, das den Spieler noch tiefer in die Welt eintauchen lässt und die Bindung zu den Charakteren stärkt. Auch wird so häufiger mit dem eigenen Gewissen gespielt, denn die meisten Entscheidungen sind alles andere als moralisch simpel.

Das Spiel verlangt häufiger<br /><br />moralische Entscheidungen

Rätsel gut, alles gut?

Die Rätsel in Technobabylon orientieren sich am Genre-Standard und haben einen angenehm ansteigenden Schwierigkeitsgrad. Gerade geübteren Knoblern wird der Titel viel Freude bereiten. Es gilt, Gegenstände zu finden, zu kombinieren, bei Dialogen genau aufzupassen und Dokumente gründlich zu lesen. Leider gibt es einige wenige Stellen, an denen sehr genau nach kleinen Gegenständen gesucht werden muss, denn eine Hotspot-Anzeige gibt es nicht. Das führte in unserem Test mehrmals zu unnötigen Hängern und trübt das sonst sehr gute Rätseldesign ein klein wenig. Besonders lobenswert zu erwähnen ist hingegen, dass einige Aufgaben auch auf unterschiedliche Weise gelöst werden können. Auch gibt es mehrmals denn Fall, dass mehrere Aufgaben gleichzeitig und unabhängig voneinander gelöst werden können. Insgesamt hinterlässt Technobabylon rätseltechnisch einen sehr guten und zumeist motivierenden Eindruck. Die Aufgaben sind sehr gut in die Geschichte integriert und fair gestellt. Für Abwechslung sorgt die Nutzung der virtuellen Welt Trance, in der eigene Regeln gelten. Auch die Tatsache, dass sich einige der Charaktere durch ein blaues Gel namens „Wetware“ mit elektronischen Geräten und anderen verkabelten Menschen verbinden und so Informationen auslesen können, ist ein schönes Rätselelement. Weitere kleine Ideen, wie etwa der grafische Aufbau einer Ermittlungsakte nach einem Terroranschlag, halten die Aufgaben anspruchsvoll und ansprechend zugleich. Mit seinen Rätseln und der Geschichte bringt es Technobabylon bei geübten Rätslern auf eine Spielzeit von etwa 10 bis 12 Stunden.

Die abwechslungsreichen Orte <br /><br />und Rätsel können überzeugen

So sieht’s aus

Wie bei von Wadjet Eye veröffentlichten Spielen üblich, kommt Technobabylon in einer Pixel-Optik daher. Das ist freilich Geschmackssache, gerade auf modernen Rechnern mit hoher Bildschirmauflösung sieht das natürlich nicht wie ein High-End-Produkt aus. Im Rahmen der durch den Grafikstil gebotenen Möglichkeiten schöpft das Spiel jedoch viel aus: Die Schauplätze wirken durch zahlreiche Animationen und hindurchlaufende Passanten durchaus lebendig und bei der Gestaltung wurde viel Aufmerksamkeit auf Details gelegt.

Trotz Pixelgrafik gibt es viele Details

So hört es sich an

Die Musik zu Technobabylon ist passend gesetzt und bleibt unaufdringlich im Hintergrund. Verschiedene Grundthemen verstärken die Stimmung.

Bei der ausschließlich auf Englisch verfügbaren Sprachausgabe liefern alle Sprecher eine sehr gute bis gute Perfomance ab. Während die Stimmen sehr gut ausgewählt sind, wäre eine etwas genauere Synchronregie an der ein oder anderen Stelle mit dem Sprecher von Charlie Regis wünschenswert gewesen, um starke Emotionen noch deutlicher zu transportieren. Die Atmosphäre beeinträchtigt das jedoch kaum. Faszinierend ist, wie viele verschiedene Stimmen für das Spiel zum Einsatz kommen – zum Beispiel für gefühlt endlos viele Anrufbeantworter-Ansagen und Telefongespräche, die der Spieler durch wildes Herumprobieren von Telefonnummern entdecken kann. Einige Erzählelemente und Beschreibungen von Gegenständen sind übrigens nicht vertont und werden in Textboxen angezeigt.

Das Sprachniveau liegt im gesamten Spiel gerade durch den vielen futuristischen Technikkram eher hoch. Mit reinem Schulenglisch wird man trotz der eingeblendeten Texte Mühe haben, der Geschichte im Ganzen zu folgen. Auch wenn sie finanziell sicherlich schwierig zu realisieren gewesen wäre: Eine deutsche Übersetzung hätte dem Spiel gut getan.

Bei den Geräuschen wurde ebenfalls gute Arbeit geleistet. Diese sind fast alle passend gesetzt und unterstreichen das futuristische Szenario. Einzig bei großen Ereignissen wie Explosionen kommt das Sounddesign an seine Grenzen.

So wird’s gespielt

Die Steuerung ist klassisch per Point&Click. Die rechte Maustaste ist zum Betrachten, die linke zum Agieren. Das Inventar wird eingeblendet, indem mit dem Mauszeiger über den rechten unteren Rand des Bildschirms gefahren wird. Eine nette Komfortfunktion ist, dass Gegenstände nach einer erfolglosen Kombination ausgewählt bleiben.

Das virtuelle Netzwerk
folgt seinen eigenen Regeln" />

Wenig Auto beim Autospeichern

Technisch läuft der Titel stabil, trotz recht komplexer Erzählpfade und Umgebungen. Leider hat auch die Autosave-Funktion Schwächen und speichert längst nicht oft genug, um Fehler zügig ausbügeln zu können. Wer nicht regelmäßig selbst speichert, steht eventuell vor der Wiederholung längerer Abschnitte. Das gilt auch, wenn der Spieler das alternative Ende erreichen will.

Nichts für Zartbesaitete

Auch wenn das Spiel nur mit Pixelgrafik arbeitet, so sind doch einige Szenen sehr drastisch geraten. Mordopfer liegen in Einzelteilen herum, Menschen werden von Kugeln durchlöchert: Stark empfindliche Spieler sollten einen Bogen um das Spiel machen.

Zum Teil wird das Spiel recht blutig

Mit Liebe gemacht

Beeindruckend ist die Detailverliebtheit, mit der das Spiel gemacht wurde. Neben den bereits erwähnten, zahllosen Telefongesprächen wartet Technobabylon auch mit einer ausgefeilten Hintergrundgeschichte auf, die besonders dem aufmerksamen Spieler viel über die düstere Zukunftsvision verraten. Auch drängt das Spiel keine Moral auf. Wie sich der Spieler in bestimmten Situationen entscheidet, ist seine Sache. Und auch darüber, welches Ende denn nun das bessere oder gar richtige ist, lässt sich vortrefflich streiten. Auch ein feiner Humor, der hin und wieder in Dialogen aufblitzt, hat es trotz der insgesamt eher dunklen Atmosphäre in das Spiel geschafft.

Who you gonna call?<br /><br />Egal, es meldet sich fast immer jemand!

Fazit

Wer die Pixelgrafik in Kauf nimmt und gut Englisch kann, bekommt bei Technobabylon eine spannende und wunderbar inszenierte Science-Fiction-Geschichte aus einer recht düsteren Zukunft. Die Rätsel sind fordernd, aber fair und von Kleinigkeiten abgesehen macht das Spiel einen sehr guten Eindruck. Kurzum: Wir können es empfehlen!

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Die ersten Minuten sind für mich oft entscheidend, wenn ich mich an ein neues Adventure setze. Hat es mich nach einer halben Stunde nicht überzeugt, lasse ich es oft lange Zeit links liegen. Technobabylon hat mich mit seiner spannenden Erzähltechnik und den interessanten Charakteren direkt in seinen Bann gezogen. Es macht genau das aus, was im Genre wichtig ist: Eine gut angelegte und spannende Story verknüpft mit abwechslungsreichen und durchdachten Rätseln, die zusammen eine richtig gute Gesamtheit ergeben. Gäbe es nicht ein paar wenige Szenen, die dieses Niveau nicht halten können, wäre Technobabylon in meinen Augen das perfekte Adventure. Wen die (wunderschöne!) Pixelgrafik und die englische Sprache nicht abschrecken, sollte unbedingt zugreifen.Simon Tschirner

Bei Technobabylon war für mich eines besonders schwer: Das Aufhören. Die spannende Geschichte hat mich voll in ihren Bann gezogen, obwohl ich Pixelgrafik sehr kritisch gegenüber stehe. Doch wie so oft hat sich gezeigt, dass das Entscheidende an einem Adventure eben doch die Geschichte und die Rätsel sind. Das Spiel hat mich häufiger an den Sega-Megadrive-Titel Snatcher erinnert. Auch der war pixelig, auch der hatte kleinere technische Probleme, aber auch er hatte eine spannende Geschichte in einer düsteren Zukunft, der man unbedingt weiter folgen wollte. Für mich ist klar: Wadjet Eye hat wieder ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Spiele bewiesen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Ausgefeilte, spannende Geschichte
  • Charaktere mit viel Tiefe
  • Motivierende, abwechslungsreiche Rätsel
  • Schön gestaltete Pixelgrafik
  • An wenigen Stellen Suche nach kleinen Hotspots
  • Leichte Logiklücken
  • Gute Englischkenntnisse notwendig