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Test

von  Hans Pieper
24.06.2015
Homesick
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Eigentlich lässt es sich in diesem fast komplett verfallenen Gebäude kaum aushalten, geschweige denn schlafen. Dennoch verbringt der Hauptcharakter in Homesick seine Zeit in dem großen, alten Gemäuer. Etwas treibt ihn an, er sucht nach etwas. Und so wandert er von Raum zu Raum, durchsucht beispielsweise verfallene Küchenschränke, vermoderte Bäder und eine Sporthalle. Einschlafen kann er nur, wenn er blühende Blumen und die Zeichnung eines Kindes direkt vor sich hat. Doch dann beginnen die Albträume…

Der Schauplatz: Verlassen, und doch <br /><br />noch eine Spur lebendig

Tag-Nacht-Zyklus

Homesick ist in zwei Phasen unterteilt: Tagsüber wird das Gebäude erkundet und es gilt, Rätsel in der Umgebung zu lösen. Das geschieht zum einen über das Einsammeln und Benutzen von Gegenständen und zum anderen über das genaue Betrachten der Umgebung und Lesen von Texten. Einige Aufgaben sind dabei optional und geben dem Spieler lediglich mehr Informationen zur Hintergrundgeschichte. Jeder Tag muss damit abgeschlossen werden, dass ein Blumenfeld mit Wasser versorgt wird. Nur so kann der Protagonist einschlafen. Kurz darauf erwacht er in einer schwarz-weißen Version des Gebäudes und wird von einer dunklen Masse verfolgt. Bleibt der Spieler zu lange stehen, wird der Hauptcharakter aufgeweckt und muss erneut einschlafen. Neben wichtigen Informationen, die nur nachts sichtbar sind, ist es zu dieser Zeit auch möglich, Türen zu öffnen, bei denen zuvor kein Durchkommen war. Erreicht der Spieler einen Ort mit hellem Licht, ist die Nacht abgeschlossen und das Gebäude kann tagsüber weiter erkundet werden.

Durch die Nacht wird<br /><br />alles noch dunkler

Laufen, gucken, schlafen

Gesteuert wird Homesick über die WASD-Tastenkombination. Auch knien ist möglich. Kann etwas angeklickt werden, wird ein weißer Kreis auf dem Bildschirm gezeigt. Eine Hotspot-Anzeige gibt es nicht, diese ist aber auch nicht nötig. Mit dem Mausrad können schnell und angenehm die wenigen gesammelten Gegenstände ausgewählt werden.

Ohne Blumen geht es nicht ins Bett

Rätselhaft

Achtung! Dieser Abschnitt enthält drei leichte Spoiler, um die Kritik am Rätseldesign zu erklären!

An sich sind die Aufgaben in Homesick nicht besonders schwer – aber leider zum Teil wirklich schlecht erklärt. Während einige Kombinationen von Gegenständen sofort einleuchten, gibt es eine Stelle, an der die Tastatur zum Einsatz kommt – ohne dass es einen Hinweis darauf gibt. Das ist ziemlich ärgerlich, weil es zu einem unnötigen Hänger führen kann. An einer anderen Stelle scheint wildes Ausprobieren die Lösung eines Rohr-Rätsels – ebenfalls eine unbefriedigende Aufgabe. Und dann nimmt es das Spiel mit seinen eigenen Regeln nicht besonders genau: Während am Anfang klar gesagt wird, dass der Protagonist zu schwach ist, um eine Axt zu tragen, hebt er gegen Ende locker-flockig mehrere Büsten auf. Gerade an diesen Stellen wird klar, dass der Fokus des Spiels eigentlich in der Erkundung und dem Nachvollziehen der Geschichte liegt.

Erzähl mir die Geschichte

Ähnlich wie Dear Esther ist Homesick im Kern eine explorative Erzählung. Dabei bestimmt der Spieler selbst, wie tief er in die Welt eintauchen möchte. Um die ganze Geschichte zu erfahren, müssen zahlreiche Briefe und Bücher gelesen, die Umgebung zum Teil genau betrachtet und optionale Rätsel gelöst werden. Dabei ist mindestens Schulenglisch gefordert, eine deutsche Übersetzung gibt es nicht. Insgesamt werden drei große Stränge erzählt, jedoch ist keiner davon besonders komplex. Die Geschichte ist liebevoll aufbereitet und erzählt. Doch nur wer sich ausreichend Zeit nimmt, wird sie auch tatsächlich vollständig genießen können. Das Ende ist schließlich sehr offen und lässt Raum für Interpretationen – wenn auch längst nicht so stark wie bei Dear Esther, um bei dem Vergleich zu bleiben.

Schön anzusehen und anzuhören

Grafisch ist Homesick gelungen. Das große, verfallene Gebäude ist sehr realistisch umgesetzt, viele Details sorgen dafür, dass der Spieler tief in die Welt eintauchen kann. Lediglich beim Wechseln der Gegenstände im Inventar tauchte häufiger ein unschöner Unschärfe-Effekt auf. Die Albtraumsequenzen sind gut inszeniert und erzeugen tatsächlich etwas Unruhe. Ebenfalls sehr gut gelungen ist der minimalistische Soundtrack, der mit ruhigen, gleichmäßigen Klavier- und Celloklängen die Stimmung perfekt unterstreicht. Auch die Geräusche sind insgesamt passend gesetzt.

Bei den Rätseln geht es hauptsächlich<br /><br />um Gegenstand-Kombinationen

Immer schön langsam

Homesick zwingt dem Spieler sein eigenes Tempo auf. Das liegt auch daran, dass der Protagonist tagsüber nur sehr langsam durch das Gebäude schlurfen kann. Das ist zwar durch die Hintergrundgeschichte begründet und auf der einen Seite verständlich, weil der Platz im Gebäude ohnehin recht begrenzt ist und ein schnellerer Schritt die Atmosphäre in Mitleidenschaft ziehen könnte. Auf der anderen Seite kostet diese Entscheidung etwas Geduld, wenn der Spieler für ein Rätsel noch einmal zu einem Raum am anderen Ende des Gebäudes wechseln will. Desweiteren kann nur gespeichert werden, wenn man sich Schlafen legt. Um den Fortschritt zu sichern, muss also der gesamte Abschnitt gespielt werden, sonst geht es beim nächsten Start wieder von vorne los. Wer sich also nicht ausreichend Zeit für das Spiel nimmt, kann in der Mitte hängen bleiben. Insgesamt kommt der Titel dennoch auf eine vergleichsweise kurze Spielzeit von etwa 2-4 Stunden.

Buh!

Homesick als Horrorspiel zu bezeichnen, ist etwas übertrieben. Es transportiert eine sehr triste Atmosphäre und macht in den Nacht-Sequenzen vielleicht ein wenig unruhig. Lediglich kurz vor Ende gibt es einen Scare-Jump, der allerdings auch mehr oder weniger angekündigt wird.

Beunruhigend? Ja. Gruselig? Nein.

Fazit

Homesick sieht sehr gut aus und erzeugt eine tolle Atmosphäre. Wer sich auf den Titel einlässt und tief in die Welt eintaucht, bekommt eine schöne Erzählung einer eher einfachen, aber wirkungsvollen Geschichte und einem tollen Soundtrack. Weniger gelungen sind leider die Rätsel. Aber die waren wahrscheinlich auch eher als Beiwerk gedacht. Die Kurzfassung: Für Fans der interaktiven Erzählung sicherlich eine schöne Erfahrung. Wer allerdings ein klassisches Adventure erwartet, wird weniger Freude an Homesick haben.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ich habe ein Horrorspiel erwartet und ein schönes, exploratives Erlebnis bekommen. Die Atmosphäre, die Homesick transportiert, ist beeindruckend - wenn man sich denn darauf einlässt. Ruhig und unaufgeregt wird eine Lebensgeschichte erzählt. An einem Ort, der eigentlich nicht trostloser sein könnte und doch immer wieder Hoffnung aufleuchten lässt. Wie Dear Esther steht das Erlebnis im Vordergrund. Für mich persönlich fallen da die Rätsel als Schwachpunkt nicht so sehr ins Gewicht.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schöne Grafik
  • Tolle Atmosphäre
  • Stimmungsvoller Soundtrack
  • Interessante Geschichte
  • Rätsel zum Teil nicht ganz ausgereift
  • Bei langen Wegen nervt die Langsamkeit