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Test

von  Sascha "nufafitc" Pongratz
13.08.2011
Haunted
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Haunted von Deck13 hat eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich, nachdem zuerst Publisher HMH und danach JoWooD pleite gingen. Nun soll das humorvolle, sich aber auch mit ernsten Themen beschäftigende Comic-Adventure mit 3D-Optik der Ankh und Jack Keane-Macher endlich am 19. August 2011 dank dtp erscheinen. Wir begeben uns mit euch in die Geisterwelt und verraten, ob sich das Warten gelohnt hat.

Tot oder lebendig: Die Nachfrage bestimmt das Angebot

London im 18. Jahrhundert: Das kleine Straßenmädchen Mary wird eines Nachts von ihrer toten Schwester Emily gerufen. Ist sie vielleicht doch noch am Leben oder befindet sich ihre Seele in Gefahr? Mary folgt der Stimme und gerät durch einen dummen Zufall in die Fänge der bösen Professorin Ashford und ihres Lakaien Ethan, die an einem geheimen Projekt arbeiten und dafür an toten Menschen experimentieren. Mary gelingt vorerst die Flucht vor den beiden, die sie versehentlich für tot hielten und jetzt ihre Spuren verwischen wollen. Auf der Suche nach ihrer Schwester ist sie jedoch nicht allein, denn sechs Geister gesellen sich zu ihr, die ihr helfen wollen.

Frei ab 12 wird experimentiert, auch wenn <br /><br />solche Szenen eher die Ausnahmen sind

Tragische Komödie mit rastlosen Seelen

Die Geschichte konzentriert sich die meiste Zeit auf das Auffinden der Geister, beschäftigt sich aber gleichzeitig auch mit der Vergangenheit von Mary und Emily. So wechseln sich tragische als auch komische Elemente ab, was in der Theorie interessant klingt, in der Praxis allerdings nicht funktioniert. Denn Marys Erinnerungen an ihre Schwester sind so rar gesät, dass sie unter den vielen humorvollen Szenen in den Hintergrund treten. Dadurch verliert die Heldin an Glaubwürdigkeit und die Dramatik der Geschichte an Substanz. Anders als Deck13s Figuren wie Jack Keane oder Assil ist Mary nämlich keine Frohnatur und bleibt aufgrund ihres farblosen Charakters nicht nachhaltig im Gedächtnis. Die Geisterfiguren sind weitaus besser geschrieben und wachsen dem Spieler mit der Zeit auch ans Herz, da sie klare Schwächen und Stärken haben und miteinander agieren, während Mary die meiste Zeit wenig von sich preisgibt.

Ein ungleiches Team im Gespräch

Leider kommt die Geschichte auch nach nur 6 Spielstunden zu einem unbefriedigenden Ende, außer der Spieler entscheidet sich, zusätzliche Rätsel zu lösen und ein weiteres Kapitel nach dem Abspann freizuschalten.

Tödliche Sidequests wie im Rollenspiel lösen?

Optionale Rätselketten zu lösen klingt zuerst als eine willkommene Abwechslung zur bekannten Linearität von Adventures. Doch leider beschränkt sich dieses Feature nur auf das Sammeln von Hinweisen für ein bestimmtes Artefakt, das später mehr Licht auf Marys und Emilys Beziehung zu ihren Eltern wirft und zu einem zusätzlichen Ende führt. Wer anfangs noch denkt, ähnlich wie in Rollenspielen von verschiedenen Charakteren Aufgaben zu bekommen, täuscht sich. Es hätte sicher nicht geschadet, diese Idee weiterzuspinnen, um eine engere Bindung zur Spielwelt und den Nichtspielercharakteren zu erzeugen und vor allem der Linearität des Rätseldesigns entgegenzuwirken.

Neben einem zusätzlichen Ende erhält der Spieler nach und nach <br /><br />Einrichtungsgegenstände, die im temporären Heim des Geister-Teams auftauchen

Selbst Tote haben was zu lachen

Der Humor setzt sich wie in Ankh meist aus Slapstick-Einlagen und Gesprächen mit skurrilen Figuren zusammen. Für Erheiterung sorgen vor allem die Dialoge zwischen den Geistern untereinander, die oft nicht einer Meinung sind. Während Mary die Spielwelt erkundet, kann sie immer wieder deren Gesprächen lauschen oder sich auch Ratschläge zur gegenwärtigen Situation holen. Das ist meistens zwar wenig hilfreich, bietet aber den einen oder anderen Lacher, gerade wenn die Geistermannschaft komplett ist und gegensätzliche Ideologien aufeinanderprallen.

Der Wortwitz und die Situationskomik ist bei den restlichen Charakteren im Vergleich zu anderen Deck13-Spielen leider nicht auf demselben hohen Niveau. Zum einen gibt es recht wenige Figuren, mit denen gesprochen werden kann, zum anderen zeugen diese nicht unbedingt von viel Einfallsreichtum: Ein Zigeuner, der Frauenkleider trägt und sich als Mutter bemüht, ein für Versteckspiele offener Mathematiker/Knobelexperte oder ein Messdiener, der mit einer Sockenpuppe über seine Probleme redet, sind eben kein Garant für geistreiche Dialoge.

Humor ist genauso Geschmackssache wie <br /><br />die Auswahl der richtigen Kleidung

Hilfe aus dem Jenseits

Immer wieder muss Mary auf die Hilfe ihrer Geister-Freunde zurückgreifen. Ähnlich wie bei Autumn Moons Ghost Pirates of Vooju Island besitzen diese verschiedene Fähigkeiten, die zum Lösen der Rätsel notwendig sind. Aber bis auf eine Ausnahme werden sie nicht direkt gesteuert, sondern können anhand von Icons am linken unteren Bildrand mit der Umgebung und dem Inventar verwendet werden.

Die Geister werden zum Lösen der Rätsel <br /><br />nicht nur gebraucht, sondern auch missbraucht

Pirat Oskar der Schreckliche ist immun gegen Hitze und Kälte. Der schottische Freiheitskämpfer William Wallace kann durch seine starken Kräfte große Gegenstände bewegen, allerdings nur, wenn diese vorher in Kontakt mit dem Tod standen. Der Flaschengeist Konfuzius kann sich in Wasser oder Dampf verwandeln oder auch zu Eis gefrieren. Später kommen noch drei weitere Geister dazu, über die jedoch an dieser Stelle nichts verraten werden soll. Mary selbst ist für das Kombinieren von Inventargegenständen und das Führen von Gesprächen mit anderen Charakteren zuständig.

Das Leben nach dem Tod ist voller Rätsel

Komplex werden die Rätsel selbst mit den verschiedenen Fähigkeiten der Geister selten, vor allem da es nie mehr als ein oder zwei Hauptprobleme in den 6 Kapiteln gibt, die es gleichzeitig zu bewältigen gilt. Die Schwierigkeit besteht eher darin, dass das Lösen eines Rätsels erst im Nachhinein Sinn macht, weil die logischen Verbindungen oft nicht klar sind und die Hinweise leicht übersehen werden. Dies artet meistens in ein zielloses Rumprobieren aus, bei dem der Spieler willkürlich Gegenstände einsteckt, sie miteinander verwendet oder Aktionen ausführt und dann plötzlich ein Aha, schon gelöst?!-Erlebnis hat, bevor er überhaupt die Hinweise mitbekommt. Dazu kommt eine extreme Linearität, die zwar lange Laufmärsche verhindert und aufgrund weniger Objekte im Inventar die Übersicht wahrt, aber dies wirkt sich eben auch negativ auf die Spielwelt aus, in der Adventure-Fans wenig interagieren können. So ist die Handlungsfreiheit stark eingeschränkt, was Anfängern zugute kommen mag, aber einen generellen Anspruch an Denkarbeit vermissen lässt. An einer Stelle trat zudem ein Bug auf, der eine handlungsrelevante Sequenz (eine wichtige Lieferung) erst später ablaufen ließ und der Spieler dadurch ziellos umherirrte.

Eine Übersichtskarte gibt es zwar auch, aber diese ist wegen der wenigen <br /><br />Schauplätze und Interaktionsmöglichkeiten eher nutzlos

Zusätzlich wirken viele Lösungsmöglichkeiten durch die Geister arg konstruiert und auch unlogisch, so dass beispielsweise Oskar als einziger heiße oder kalte Gegenstände berühren oder beeinflussen kann, jeder andere Geist aber anscheinend davor zurückschreckt. Auch gibt es immer wieder Situationen, in denen Mary vor normalen Leuten mit den rastlosen Seelen spricht und übernatürliche Dinge mit ihnen veranstaltet, während die nähere Umgebung dies für völlig normal hält oder nicht beachtet.

Der Tod steht Dir gut und klingt auch so

Die Figuren und Hintergründe sind schön modelliert und warten mit einer farbenfrohen Gestaltung auf, sind aber auch nicht ohne Fehler. Die Charaktere verfügen über wenige, sich wiederholende Animationsphasen, was vor allem bei den Gesprächsnahaufnahmen negativ auffällt. Die Gesichtsmimik passt nicht immer zum Gesagten und die Gehbewegungen laufen etwas ruckelig ab. Unschön sind auch die regelmäßig auftretenden Clipping-Fehler, die Mary zum Beispiel ab und zu teilweise mit den Füßen in Treppen, Möbeln oder komplett bis auf den Kopf in der Straße verschwinden lassen.

Begeistern kann hingegen das Licht-und Schattenspiel, das in den meisten Szenen für eine unheimliche, schauerliche Atmosphäre sorgt, allerdings gibt es auch hier Grafikfehler, durch die Schatten in den niedrigen Auflösungen nicht korrekt dargestellt werden. Auch andere kleine Effekte, wie Wasserbewegungen der Themse oder herunterfallende Herbstblätter in einer überraschend farbenreichen Umgebung, können überzeugen.

Die Schauplätze sind stimmungsvoll in Szene gesetzt <br /><br />und die Schatteneffekte wissen zu überzeugen

Leider geht die Detailfülle zugunsten der Performance, in den mittleren Stufen müssen deutliche Abstriche bei Effekten und Texturen gemacht werden. In den Genuss der höchsten Grafikpracht kommen nur Besitzer von High-End-Grafikkarten. Und selbst da kann es vereinzelt zu Problemen kommen. Zwei unserer Testrechner mit verschiedenen ATI-Radeon-Grafikkarten zeigten in zwei Schauplätzen beispielsweise überhaupt keine Texturen an. Weiterhin bremsen mehrere Ladebildschirme den Spielfluss, die nicht nur während Schauplatzwechsel, sondern auch kurz vor Zwischensequenzen auftreten.

Auch farbenfrohe Umgebungen punkten mit <br /><br />viel Liebe zum Detail und grafischen Effekten

An der Vertonung des Spiels gibt es nichts zu bemängeln. Es gibt eine Menge abwechslungsreiche Melodien, die entweder mit Chören und Orchester eingespielt wurden und actionreiche Szenen betonen, oder leise Piano-Klänge, die etwas Grusel und Melancholie transportieren oder auch schwungvolle Sequenzen, die eine witzige Slapstick-Animation oder eine verbale Auseinandersetzung der Geister untereinander gut zur Geltung kommen lassen. Positiv sind desweiteren die Hintergrundgeräusche hervorzuheben, die auch in Szenen ohne Musik Atmosphäre schaffen, wie prasselnder Regen oder Donner. Die Sprachausgabe ist durchweg sehr gut gelungen, die Sprecher sind motiviert und passen zu den Figuren, obwohl es ab und zu vorkommt, dass sich Dialoge überlappen.

Steuerungsempfindliche Geisternaturen

Die Steuerung funktioniert komplett über die linke Maustaste, bei der sich der Cursor je nach Situation in Symbole verwandelt: eine Sprechblase für Dialoge mit Nichtspielercharakteren, ein Zahnrad für das Benutzen von Objekten in der Spielwelt oder das Kombinieren dieser im Inventar und eine Lupe zum Betrachten. Eine manuelle Auswahl der Interaktionsmöglichkeiten ist nicht gegeben, so dass es beispielsweise nicht funktioniert, Inventargegenstände oder Charaktere anzusehen, um sich nähere Informationen liefern zu lassen, was öfters zum angesprochenen Problem des willkürlichen Rumprobierens führt.

Mary wird ebenfalls nur mit einem Klick auf die linke Maustaste gesteuert, was ab und zu nicht reibungslos verläuft, denn bei einem Doppelklick, der die Figur zum Laufen auffordert, verliert der Spieler in den teils engen Schauplätzen wegen der schnell wechselnden Kameraperspektive schon mal den Überblick und das Mädchen bleibt ab und zu an Stellen wie Treppen oder anderen Hindernissen hängen.

Desweiteren stehen drei Schwierigkeitsstufen zur Auswahl, die während des Spiels aber auch wieder geändert werden können. Diese unterscheiden sich allerdings nicht durch die Anzahl oder Art der Rätsel, sondern schalten entweder die Lösungshilfe, die Hotspotanzeige oder beides ab. Ganz fehlerfrei funktioniert das aber nicht: So überlappen sich teilweise die Hotspots-Beschriftungen und der Klick mit der linken Maustaste führt öfters daneben, während Lösungshinweise das ein oder andere Mal überhaupt nicht weiterhelfen oder zu längst erfüllten Aufgaben immer noch anwählbar sind.

Wie Phönix aus der Asche?

Haunted ist (die richtige Hardware vorausgesetzt) von der Grafik bis auf einige technische Bugs schön anzusehen und auch der Soundtrack und die Sprachausgabe lassen keine Wünsche offen. Leider leistet sich das Spiel inhaltlich einige Patzer. Der Humor mag Geschmackssache sein, die dramatischen Elemente kommen aber zu kurz, so dass eine Identifizierung mit der Hauptfigur schwierig ist und die Geschichte darunter leidet. Die Rätsel sind zwar spaßig, heben sich aber trotz der verschiedenen Fähigkeiten der Geister nicht vom Standard ab. Die Idee, zusätzliche Aufgaben zu lösen, beschränkt sich leider auch nur auf das Freispielen eines weiteren Endes und dürfte deshalb gar nicht erst als neuartiges Feature gelten. So bleibt ein Spiel, dem vielleicht eine längere Entwicklungsphase oder Überarbeitung gut getan hätte.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Nach den unterhaltsamen Abenteuern mit Jack Keane und Assil, aber auch dem erzählerisch und atmosphärisch sehr hochwertigen Black Sails wirkt Haunted in der Tat wie ein Relikt aus alter Zeit, ein Experiment, das leider zum größten Teil fehlgeschlagen ist. Die Rätsel könnten eigentlich Spaß machen, wären sie logisch nachvollziehbar und nicht so schlecht in die Handlung und Spielwelt integriert. Die Geschichte ist zwar nett, leidet aber unter der farblosen Hauptfigur. Denn eine traumatische Kindheitserinnerung ist noch kein Garant für den Aufbau eines interessanten Charakters. So nervte mich Mary mit der Zeit mehr als dass ich Mitleid für sie empfinden konnte. Der Dialogregie von Deck13 hätte ich schon etwas mehr Feingespür zugetraut, was auch auf den öfters fehlenden und infantilen Wortwitz zutrifft.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schöne Grafik (bei entsprechender Rechenpower)
  • Abwechslungsreiche Schauplätze
  • Professionelle Sprachausgabe
  • Atmosphärische Musik
  • 6 Geister mit unterschiedlichen Fähigkeiten
  • Rätsel wenig einfallsreich
  • Zu lineares Gameplay
  • Kurze Spielzeit
  • Unbefriedigendes Ende
  • Flache Hauptfigur und wenig interessante Nebenfiguren
  • Technische Fehler