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Test

von  zeebee
19.03.2004
The Westerner
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch
87%

Fenimore Fillmore ist zurück! Nachdem er bereits 1997 in „3 Skulls of the Toltecs“ sein Debüt hatte, kehrt er mit einer Grafikdimension mehr in der Satteltasche zurück. Und wie! Doch lest selbst.

Ein Fremder in Starek City

Das Spiel beginnt in einer gemütlichen Wildwest-Nacht in der unser allseits beliebter Held Fenimore die Farm von Joe Banister erreicht. Kurz nach Fenimore erscheinen aber noch weitere Besucher: drei Gangster versuchen Joe Banister zu zwingen, die Farm an Starek, dem Oberbösewicht der Stadt, zu verkaufen. Da Joe dies nicht will ist die Situation kurz vor der Eskalation – doch Fenimore springt mutig, wenn auch unfreiwillig, an Banisters Seite und kann die Schergen fürs Erste vertreiben. Am nächsten Tag beschließt Fenimore den Farmern bei ihrem Kampf gegen Starek und seine Mannen zu unterstützen, hier beginnt das eigentliche Spiel. Die Aufgabe des Spielers ist es, den Farmern zu helfen, ihr Land gegen den Großgrundbesitzer Starek zu verteidigen, doch bis man es so weit geschafft hat vergehen schnell über 20 Stunden voller Rätsel, Humor und auch Romantik im Wüstensand.

Rätselkost

Benutze Forelle mit Schwein, dieser Satz beschreibt sehr gut das Rätseldesign. Um die eigentliche Hauptaufgabe lösen zu können müssen viele Nebenaufgaben gemeistert werden. Ob Unterschriftenfälschen, Kreditkartenerschleichung oder einfach nur Wasser auf ein Feld zu schütten – die Rätselkost und Abwechslung ist durchweg gelungen und nie unfair. Richtig harte Nüsse gibt es aber auch keine, wenn man nicht irgendwo einen Gegenstand übersehen oder vergessen hat. Einige Gegenstände existieren sogar doppelt im Spiel, löblich.

Es gibt sogar die Möglichkeit, sich Lösungshinweise für Bares im Laden zu kaufen, eine interessante Idee, die aber zum Glück nicht detailliert erklärt, wie ein Rätsel gelöst wird, sondern nur in welche Richtung der Spieler denken soll. Auch eine Hommage an LucasArts’ Monkey Island findet sich im Spiel: Beleidigungsduelle. Wie einst Guybrush muss sich nun auch Fenimore gegen üble Schurken durchsetzen, indem er möglichst viele Beleidigungen lernt aber auch deren kontern nicht vernachlässigt.

Überall in Starek City sind außerdem Dollarscheine versteckt, die auf jeden Fall mitgenommen werden sollen. Denn das Leben im Wilden Westen ist teuer: Trinkduelle, Utensilien im Laden und Teilnahmen am Wettschießen kosten Geld. Jedoch kann der Spieler nie bankrott gehen, im schlimmsten Fall findet sich an alten Stellen wieder neues Geld oder Verwandte können per Telegramm um Geld gebeten werden.

Auf die Dauer nervend ist aber die Fütterung des Pferdes. Damit sich Fenimore von einem Ort zum anderen begeben kann braucht er die Hilfe seines Pferdes Ray. Doch Ray bewegt sich nur wenn er mit ausreichend Karotten gefüttert wird, pro „Station“ eine Karotte. Wenn Ihr also in der Stadt seit und einen wichtigen Gegenstand auf der Jones-Farm vergessen habt kostet es euch drei Karotten für den Hinweg und drei Karotten für den Rückweg – und diese Karotten müssen auf dem Feld angebaut oder sonst wie beschafft werden. Einmal fünf Karotten an Ray zu verfüttern hätte meiner Meinung nach gereicht.

Zieh, Fremder!

Und zwar deine Maus. Mausfetischisten aufgepasst: nach dem Spielstart werdet ihr nicht ein Mal die Tastatur benutzen müssen, für keine Aktion. Das ganze Spiel ist durchweg mit einer 2-Tastenmaus zu bewältigen. Während Revolution bei „Baphomets Fluch 3“ die Maus gänzlich aus dem Spiel verbannte, weil ihrer Meinung nach ein 3D-Adventure damit nicht zu steuern sei, hat Revistronic einfach eine Maussteuerung eingebaut und sie funktioniert besser als jede mir bekannte Tastatursteuerung.

Das Spiel geht also sehr leicht von der Hand, mit einem Klick bewegt sich Fenimore an die gewünschte Stelle. Wenn es etwas Besonderes an diesem Ort gibt, ein so genannter Hotspot, erscheint ein Lupensymbol oder eine Hand zum benutzen/aufnehmen und bei Personen eine Sprechblase zum (genau!) sprechen. Am oberen Bildschirmrand befindet sich das sehr reichhaltige Inventar, einfach einen Gegenstand anklicken und mit einem Objekt auf dem Bildschirm kombinieren und schon ist eine Aktion vollbracht. Inventargegenstände können jedoch nicht mit anderen Inventargegenständen kombiniert werden. Das mag einerseits etwas schade sein, schützt andererseits aber vor sinnlosen Kombinierungsversuchen.

Zwei Wermutstropfen gibt es aber dennoch an der sonst so gut gelungenen Steuerung. Die Hotspots wie Karotten oder Leitern müssen teilweise pixelgenau anvisiert werden um sie benutzen zu können. Und je nach Kamerawinkel muss der Spieler schon sehr genau zielen. Es passiert auch manchmal, dass unser Westernheld nicht an die gewünschte Stelle geht, sondern sogar direkt in die andere Richtung losläuft. Ein erneuter Klick beseitigt diesen Missstand allerdings schnell und effektiv.

In dem Spiel gibt es auch drei Stellen, an denen Waffengewalt von Nöten ist, besonders beim Jahrmarktschießen ist ein schnelles Reaktionsvermögen gefordert, da innerhalb einer kurzen Zeitspanne 30 Pappfiguren getroffen werden müssen.

Grafik so weit das Auge reicht

Während Fenimore im Jahre 1997 noch in 2D-Grafik sein Abenteuer bestritten hat, ist er nun zur dritten Dimension übergetreten. Dem Charme der Grafiken hat dies jedoch keineswegs geschadet, es ist sogar das zurzeit zweitschönste 3D-Adventure auf dem Markt, an „URU Ages Beyond Myst“ kommt es aber nicht vorbei. Wo man auch hinschaut entdeckt man gut aussehende Grafiken und sympathisch modellierte Charaktere. Seinen wenigen Konkurrenten in dieser Disziplin, wie „Baphomets Fluch 3“, lässt dieses Spiel alleine schon im Schatten stehen, weil „The Westerner“ viel lebendiger wirkt. Auf der Wiese fliegen Schmetterlinge, im Licht schwirren Moskitos und Fahnen wehen im Wind.

Besonders die Animationen rund um Fenimore sind sehr gelungen. Ob Fenimore eine Holzschubkarre zusammenklappt und… nun… einsteckt oder durch ein Fenster klettert, alles ist witzig in Szene gesetzt und der Spieler hat die ganze Zeit über etwas zum Lachen. Bei den Animationen hat Revistronic ganz klar eine Meßlatte gesetzt nach welcher sich zukünftige Spiele messen lassen müssen. Jeder Charakter besitzt außerdem eine Fülle von Gesichtsausdrücken und Körpergesten die passend zur jeweiligen Situation sind. Alle Animationen wirken sehr geschmeidig und tragen zu einem hohen Maß am Humor des Spieles bei.

Die Zwischensequenzen selbst sind auch in Spielgrafik gehalten, so wird die Wildwestgeschichte ohne Stilbruch weitererzählt. Wo wir gerade dabei sind: durch gute Kamerawinkel und -fahrten wirken die Zwischensequenzen sehr filmreif. Die am Boden positionierte Kamera wackelt, wenn Pferde dröhnend vorbei galoppieren und zeigt in bester Matrix-Manier die Pistolenkugel beim Verlassen der Waffe. Dies alles gemischt mit Effekten wie spiegelndem Wasser und der frei wählbaren Grafikauflösung hinterlassen einen sehr guten Eindruck.

Der Ton macht die Musik

Für die Sprachaufnahmen zeigt sich wieder Toneworx verantwortlich. Nach „Runaway“ und „Tony Tough“ sollte dieses Sprachstudio jedem Abenteurer als Synonym für professionelle Vertonungen und sehr gute Synchronsprecher bekannt sein. Der etwas ungeschickte Fenimore wirkt ebenso glaubwürdig wie der begriffsstutzige Joe Banister oder der Bösewicht Starek. Volle Punktzahl in dieser Rubrik.

Die Musik ist ebenfalls okay, sie hält sich während der normalen Rätselzeit aber dezent im Hintergrund, sodass sie fast gar nicht auffällt, mit größen wie „Grim Fandango“ oder „Monkey Island“ kann sie leider nicht mithalten. Die Zwischensequenzen bilden eine löbliche Ausnahme, hier tritt die Musik stark in den Vordergrund und zeigt dass es die Künstler aus Spanien auch besser können. Die Musik am Anfang des Spieles, wenn Fenimore gegen die drei Schurken antritt, könnte ohne weiteres aus einem Wildwestfilm stammen. Wie es sich für ein gutes Spiel gehört besitzt auch „The Westerner“ sein eigenes Thema, welches hoffentlich auch im Nachfolger (Wink mit dem Zaunpfahl an Revistronic) Verwendung finden wird.

Abgesehen davon, dass es nur einen Standardsound für das Öffnen sämtlicher Türen gibt, sind auch die Soundeffekte gelungen und passen zum jeweiligen Geschehen. Das klauen von Geld oder einstecken von Gegenständen erinnern sehr stark an Comicgeräusche und passen daher auch sehr zum Stil des Spieles.

Fazit

Ein paar Bugs hätten sicherlich vermieden werden können, so kann man sich mit Personen über Rätsel unterhalten die längst gelöst sind, manchmal funktioniert die Lupenfunktion nicht wie gewünscht und Fenimore blickt auf die Schranktür statt in dessen Inhalt. Auch das Füttern des Pferdes mag ein netter Einfall sein, aber auf die Dauer fühlen sich öfters reisende Spieler schon eher als Gemüsefarmer wie Westernhelden. Fassen wir zusammen: eine sehr schöne Grafik, kombiniert mit einer guten Steuerung und durchdachtem Rätseldesign machen „The Westerner“ zu einem würdigen Vertreter des Adventuregenres und beweisen wieder einmal, dass 3D-Adventures eine Zukunft haben. Einzig die Story ist vielleicht zu simpel gestrickt, Wendungen oder überraschende Ereignisse gibt es nicht. Stattdessen präsentiert sie sich als klassische Westerngeschichte mit Helden und Schurken und einer schönen Frau, witzig und glaubwürdig in Szene gesetzt.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

„So hätte Simon 3D aussehen sollen!“. Ein häufiger Gedanke der mir beim Spielen durch den Kopf geschossen ist, denn dann wären dem Spiel die miserablen Verkaufszahlen erspart geblieben und es hätte seinen verdienten Platz im Adventure-Olymp.
Wer schon immer mit 3D Adventures geliebäugelt hat, aber bisher durch die Tastatursteuerung abgehalten wurde kann nun unbesorgt zugreifen. 2D Fanatiker sollten aber auch einen Blick auf das Spiel werfen, es gibt 2D Adventures die nicht so klassisch sind wie „The Westerner“. Oder in einem Satz: die verrückte Wildwestgeschichte rund um Fenimore Fillmore und seinen Freunden ist einfach zu lustig und zu schön erzählt um im Regal zu verstauben.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • gute Grafik
  • tolle Animationen
  • symphatischer Hauptcharakter
  • Maussteuerung
  • ein paar Bugs
  • durchschaubare Geschichte
  • Karottenzucht