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Test

von  Jan "DasJan" Schneider
27.04.2003
Amenophis
Getestet auf Windows, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch

Als vor 9 Jahren der Klassiker Myst das Licht der Welt erblickte, sollte er ein völlig neues Subgenre etablieren, das 1st-Person-Adventure. Man betrachtete das Geschehen nicht von außen als Beobachter, sondern sah die phantastische Welt direkt aus den Augen des Helden. Myst zog nicht nur zwei Nachfolger und diverse andere Produkte hinter sich her, sondern bewegte auch viele Mitbewerber im Adventure-Markt dazu, sich in dem Genre zu engagieren. Leider litt dessen Ansehen mit der Zeit durch zu viele zu schlechte Spiele und gute Vertreter haben es schwer, sich dazwischen bemerkbar zu machen.

Jetzt hat Dreamcatcher Europe für ihre Marke „The Adventure Company“ einige solcher Titel für den deutschen Markt angekündigt, eines davon Amenophis – Die Auferstehung. Wir haben uns das Spiel genauer angesehen um herauszufinden, ob und wie es sich von seinen Genre-Vertretern abheben kann.

Die Story

Als amerikanischer Privatdetektiv Alan Parker Cameron wird man in Amenophis in ein gleichsam mythisches wie mystisches Abenteuer rund um das geheimnisvolle Flair ägyptischer Ausgrabungen hereingezogen. Zu Beginn wird man von seiner Bekannten Moira McFarley, die an solchen Ausgrabungsstätten arbeitet, um Hilfe gebeten, als für sie unerklärliche Dinge passieren. In Ägypten angekommen – an dieser Stelle beginnt das Spiel – ist Moira jedoch nirgendwo aufzufinden.

Camerons Suche führt ihn in das Kunstmuseum von Kairo, auf ein Schiff auf dem Nil und an eine verlassene Ausgrabungsstätte. Schnell merkt er, dass nicht jeder ihm wohlgesonnen ist und seine Widersacher sind nicht ausschließlich menschlicher Natur...

Die Handlung von Amenophis ist nicht sehr komplex und dürfte bis zum Abspann kaum jemanden länger als 10 Stunden beschäftigen – Profis werden schon nach 6-7 Stunden fertig sein. Da bleibt natürlich auch keine Zeit, die wenigen Charaktere tiefer zu entwickeln und so bleiben diese im Wesentlichen nur einfache Stereotypen, die sich jeweils in einem Satz beschreiben lassen. Lediglich der Hauptakteur kann sich in den Zwischensequenzen etwas profilieren – auch wenn er nicht die Ausstrahlung eines Indiana Jones besitzt.

Atmosphäre

Braune Lederjacke, farblich passende Fedora und ein mystischer Fluch – es ist nicht schwer zu erraten, dass hier jede Menge Anleihen bei Leinwand- und Adventure-Held Indiana Jones gemacht wurden. Doch kann Cameron dem charismatischen Archäologen längst nicht das Wasser reichen - Das Spiel ist einfach zu kurz und nicht komplex genug, um diese atmosphärische Größe zu entfalten.

Bis auf den Hauptakteur, der durch seine gelegentlichen Kommentare und Präsenz in den Zwischensequenzen wenigstens ein Bisschen Charakter aufbauen kann und durchaus nicht unsympathisch wirkt, bleiben alle anderen Personen im Spiel sehr blass und undefiniert. Auch die starren Grafiken hauchen dem unbewegten Umfeld kaum Leben ein, selbst wenn sie ein gutes Bild der Umgebung zeichnen. Wenigstens Musik und Soundeffekte sorgen für etwas Spannung und lassen den Spieler nicht völlig unbeteiligt. Besonders in den Szenen, in denen schnelles Handeln gefragt ist, wird man nicht enttäuscht.

Rätsel

Wer bei all den Hieroglyphen auf der Packung und dem geheimnisvollen Namen ausgeklügelte Logikrätsel und raffiniert zu entschlüsselnde Geheimbotschaften erwartet, wird in den ersten 90 Prozent des Spiels bitter enttäuscht werden – die Rätsel bis kurz vor Schluss sind allenfalls als klassisch zu bezeichnen. Erst im großen Finale reiht sich dann ein Logik-Rätsel ans andere – teilweise zu schwer, teilweise zu leicht und in einem Fall geht es sogar deutlich schneller, einfach alle möglichen Handlungen auszuprobieren, als das eigentlich vorgesehene Rätsel zu lösen. Kein sehr ausgeglichener Mix.

Leider sieht es im restlichen Teil des Spiels nicht viel ausgeglichener aus. Myst-artige abstrakte Rätsel gibt es praktisch keine, dafür kommt es sehr oft darauf an, einen Schlüssel zu finden und diesen auf das richtige Schloss anzuwenden. Auch behindern manchmal unnötig schwer versteckte Gegenstände den Spielfluss. Zudem ist Amenophis sehr linear aufgebaut: Erst wenn man eine bestimmte Aktion ausgeführt hat, finden sich an einer anderen Stelle neue Charaktere, die eine Zwischensequenz auslösen und damit das neue Rätsel freischalten.

Regelmäßiges Speichern sollte man sich auch angewöhnen. Es ist nämlich durchaus möglich, auf der Suche nach Moira sein Leben zu lassen, und dann bleibt nur der Griff zum letzten Savegame. In einigen Fällen hat man auch nur wenige Sekunden, um das Richtige zu tun, bevor man sein Leben lassen muss. Diese Situationen kündigen sich jedoch meistens an, sodass frühzeitiges Speichern möglich ist. Auch wenn man solche Stellen oft mehrmals spielen muss, bevor man die richtige Lösung findet, gehören sie doch zu den spannendsten des Spiels.

Steuerung

Amenophis steuert sich in der bekannten Ich-Perspektive mit freiem 360°-Rundumblick. Der Mauszeiger ist dabei in der Mitte des Bildschirms fixiert und ändert sich, wenn man in die entsprechende Richtung gehen, dort etwas benutzen oder mit jemandem reden kann. Die Navigation in der Spielwelt fällt einfach, da hinreichend viele Punkte begangen werden können.

Die rechte Maustaste öffnet das Vollbild-Inventar, das nicht ganz optimal umgesetzt wurde: Klickt man auf einen Gegenstand, den man im Spiel benutzen muss, so wird direkt auf die Spielansicht umgeschaltet. Klickt man dagegen auf etwas, was mit einem anderen Gegenstand benutzt werden muss, bleibt das Inventar zu sehen. So ist immer direkt klar, ob etwas im Spiel oder im Inventar benutzt werden kann. Auch ändert sich im Spiel der Mauszeiger nicht in das ausgewählte Objekt, sodass man schnell vergisst, was gerade ausgewählt ist. Vom Inventar aus lässt sich noch eine Mappe mit allen aufgesammelten Schriftstücken, Büchern und Zetteln abrufen und ein Tagebuch, in dem Videosequenzen erneut angesehen werden können.

Insgesamt ist die Steuerung nicht optimal gelungen, man gewöhnt sich aber schnell daran und sollte sich verhältnismäßig gut in der Welt von Amenophis bewegen können.

Grafik

Die Spielgrafik kann den modernen Adventure-Spieler leider nicht mehr wirklich überzeugen. Zwar ist es möglich, sich an jedem Punkt um 360° zu drehen, aber die Hintergründe sind leicht verwaschen und an vielen Stellen wenig detailreich modelliert. Wenigstens ist es den Designern gelungen, die 30er Jahre einigermaßen überzeugend darzustellen.

Besonders schade dagegen ist, dass Amenophis extrem starr ist. Außerhalb der Zwischensequenzen bewegt sich so gut wie nichts. Die Bewegungen von einem Punkt zum Nächsten sind nicht animiert und auch Menschen und Tiere bewegen sich kaum und auch nur, wenn man unmittelbar vor ihnen steht. Sich bewegende Wellen auf dem Nil oder in der Luft fliegende Vögel sucht man vergeblich.

Relativ oft bekommt man Zwischensequenzen zu sehen, die teilweise sogar weniger verwaschen zu sein scheinen, als die eigentliche Spielgrafik. Menschen hat man zwar schon mal besser gerendert gesehen, man kann aber gut damit leben – besonders weil sie sehr lebensecht animiert und in Szene gesetzt wurden. So hat man den Eindruck, dass keine Spieldesigner, sondern Regisseure für das Arrangement in den Rendersequenzen engagiert wurden. Kameraeinstellungen, Schnitt und Dramaturgie spielen auf erstaunlich hohem Niveau.

Musik & Sound

Der beste Teil zum Schluss: Die akustische Präsenz des Spiels. Musik an sich wird leider relativ selten eingesetzt, außerhalb von Menü und Zwischensequenzen hört man sie nur an wichtigen Stellen. Dafür gehört sie mit zum Besten, was Amenophis zu bieten haben. Orchestrale Klänge, ägyptische Choräle und mehr von erstaunlich hoher Qualität, durch die Musik baut das Spiel seine Spannung auf.

Und ebenso gut sieht es mit den Soundeffekten es: Praktisch ständig wird durch ambiente Klänge, Vogelgezwitscher und Raumhall die mystische Stimmung hergestellt, die der Rest des Spiels nicht zu erzeugen vermag. An einigen Stellen gibt es zusätzliche Effekte wie hallende Schritte oder undefinierbares Gerumpel. Hier kann Amenophis klar seine Pluspunkte verbuchen.

Lokalisation

Aus Kostengründen hat Dreamcatcher auf die Synchronisation der Charaktere verzichtet, diese sprechen mit ihren englischen Originalstimmen, die sehr gut zu den Figuren passen. Die nicht erfolgte deutsche Vertonung ist schade – zudem der zu sprechende Text verhältnismäßig gering ausgefallen wäre – doch dank der gut übersetzten Untertitel auch zu verschmerzen, wenn man des Englischen nicht mächtig ist. Manchmal hätte nur Text und Sprache etwas synchroner sein können.

Die Texte im Spiel, Notizen, Buchseiten, Broschüren und ähnliches wurden alle überzeugend ins Deutsche übersetzt und zeigen keine Schwachstellen. Und da das Spiel relativ intuitiv zu steuern ist, fällt auch nicht mehr schwer ins Gewicht, dass Dreamcatcher beim 12-seitigen Handbuch offenbar gespart hat: „Während des Spiels verändert sich der Kursor, um eine Hand mit zu fassen.“

Fazit

Amenophis ist kein gutes Adventure. Es ist aber auch nicht wirklich schlecht und zeigt einige stärken: Insbesondere die sehr gute akustische Untermalung rettet einiges an Atmosphäre. Und wer gerne Adventures aus der Ich-Perspektive spielt, kein zu komplexes Spiel erwartet und am besten auch etwas Interesse an ägyptischer Mythologie hat (mit der man reichlich konfrontiert wird), für den kann Amenophis durchaus ein lohnender Kauf sein.

Schade, dass Dreamcatchers europäischer Auftakt nicht mit einem besseren Spiel beginnen konnte, aber mit seiner Marke „The Adventure Company“ wird man noch einige Genrevertreter des Publishers in Deutschland erwarten können – und wir hoffen weiter, dass auch bessere Spiele darunter sind.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ein mäßiges Adventure, das nicht wirklich viel Atmosphäre aufbauen kann. Für Fans von Ego-Adventures in Ägypten aber durchaus einen Blick wert.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Gute Akustik
  • Schöne Zwischensequenzen
  • Fairer Preis
  • Verwaschene Grafik
  • Kaum Animationen
  • Dünne Charaktere
  • Kurz