Anzeige

Test

von  feuer
22.07.2000
Beneath a Steel Sky
Getestet auf Windows, Sprache Englisch
87%

Beneath a Steel Sky, ein Adventure aus der Blütezeit dieses Genres, erschien im März des Jahres 1993. Dieses brillante Spiel von Revolution Software (Baphomets Fluch 1 und 2, In Cold Blood) konnte sich gegen die „Großen“ von LucasArts (Day of the Tentacle und Sam & Max – Hit the Road entstanden zu jener Zeit) und Sierra nicht behaupten, die in einer Blade-Runner-ähnlichen Zukunft spielende Geschichte fand bei den Adventure-Jüngern so gut wie keine Beachtung.

Auch nicht bei dem Verfasser dieses Textes. Erst Jahre später hörte dieser mehr zufällig, dass die Entwickler von Baphomets Fluch auch schon ein anderes Adventure gemacht hätten. Schnell wurde das Spiel per Ebay ersteigert und es konnte losgehen.

Gleich zu Beginn stellen sich akute Nostalgie-Gefühle ein, durch den Grafik- und Musikstil fühlt man sich unweigerlich in die Zeiten eines Indiana Jones and the Fate of Atlantis zurückversetzt. Die Story von Beneath a Steel Sky kann sogar diesem Klassiker das Wasser reichen. Das mitgelieferte Comicbuch von Zeichner Dave Gibbons, der auch für die Grafik im Spiel verantwortlich war, erzählt die Vorgeschichte des Spiels. Wir befinden uns in einer Zukunft, in der eine Stadt – Union City – von einem Computersystem (LINC) kontrolliert wird, das mithilfe des Sicherheitsdienstes und des Union-Konzerns die Menschen brutal unterdrückt und kontrolliert. Die Stadt befindet sich in einer Schutzkuppel, welche die Einwohner mit annehmbaren klimatischen Bedingungen versorgt. Außerhalb der Kuppel und der Stadt befindet sich das GAP, eine von armen Menschen besiedelte Einöde, die sich mithilfe des Hobart-Konzerns gegen die Ungerechtigkeit der Union City wehren. Am besten lässt sich das Geschehen als eine Mischung aus Ridley Scotts Blade Runner und George Orwells 1984 beschreiben. Der kleine Robert ist mit seiner Mutter in einem Helikopter bei einem Fluchtversuch im GAP abgestürzt. Die Mutter überlebte den Absturz nicht und die Eingeborenen kümmerten sich um den kleinen Jungen, der in dem Stamm groß wurde, zu leben lernte und schließlich den Namen Robert Foster erhielt. Er baute sich einen Roboter namens Joey zusammen, der eine eigene Persönlichkeit besitzt und Foster treu zur Seite steht. Eines Tages aber wird die Idylle jäh beendet, als ein gewisser Kommandeur Stephen Reich mit seinen Sicherheitsleuten aus der Stadt das Dorf überfällt, Foster nach einer DNA-Überprüfung mitnimmt und anschließend das ganze Dorf zerstört. In der Stadt versagt allerdings das Lenksystem des Helikopters und er stürzt ab, Foster überlebt ein zweites Mal einen Absturz und kann in ein Gebäude entkommen.

Jetzt übernimmt der Spieler, und die erste Aufgabe wird sein, die „Ground Levels“, den Boden, zu erreichen. Gar nicht so einfach, da das Gebäude 240 Meter hoch ist und die Lifte von den Sicherheitsleuten abgeschaltet wurden, um den Eindringling – also den Spieler – zu schnappen. Nachdem der Roboter Joey wieder aktiviert wurde, folgt er dem Spieler überall hin, erledigt einzelne Aufgaben und Rätsel mit seinen Spezialfähigkeiten und gibt hilfreiche Tipps zu High-Tech-Gegenständen. Auch für den einen oder anderen Lacher wird er sicherlich sorgen. Foster wird trotz allerlei Tricks von Reich geschnappt, der ihn als „Overmann“ bezeichnet und exekutieren will. LINC hindert ihn – alles andere als sanft – aber an diesem Vorhaben. Warum, wird erst ganz am Ende des Spiels klar.

Nun macht sich der Spieler auf die Suche nach LINC und seinen verschollenen Vater und versucht, über die ganzen Terminals in den Gebäuden mehr über diese seltsame Stadt und das Computersystem herauszufinden, was ihn schließlich in die alten verlassenen U-Bahn-Schächte unter die Stadt führt, in denen der alte Medizinmann im GAP in seinen Visionen das absolut Böse hausen sieht.

Das Spiel versteht es, Spannung zu erzeugen, denn der Spieler selber hat genauso wenig Ahnung wie Foster, warum er entführt wurde und umgebracht werden sollte, wie LINC funktioniert, wer Overmann ist, und vor allem, wie er aus der Stadt wieder herauskommt. Das Spiel wird immer wieder mal durch einen kleinen Witz aufgefrischt, sei es einer der zahllosen Kommentare von Joey oder aber Foster, wenn er bei einem „altertümlichen“ Plakat vom London der 90er Jahre, der Heimatstätte von Revolution Software, sagt, an solch einen seltsamen Ort würde er nicht gehen wollen.

Die Grafik und der Sound sind auf dem Niveau von 1993, also mit Indiana Jones 4 zu vergleichen. Midi-Musik trällert einem in die Ohren, und Pixel über Pixel wollen erkundet werden. Die Steuerung ist sehr ungewöhnlich ausgefallen. Es gibt kein SCUMM-Interface mit „Nimm“, „Gib“ und so weiter, das den unteren Bildschirmrand einnehmen würde. Das Inventar blendet sich am oberen Bildschirmrand ein, wenn der Mauscursor dort hinbewegt wird. Mit einem Linksklick auf die nicht immer einfach zu findenden Hotspots werden die Objekte beschrieben, mit einem Rechtsklick wird mit Menschen gesprochen, Objekte aufgenommen, Türen geöffnet etc. Mit einem Rechtsklick auf ein Objekt im Inventar und einem Rechtsklick auf ein Objekt oder einen Menschen im Spiel können Dinge ausgetauscht und miteinander benutzt werden. Sehr einfach, aber überraschend effektiv.

Die Rätsel sind ein Fest für wahre Adventure-Spieler. Von Menschen ablenken und Maschinen sabotieren über Schlüssel beschaffen bis hin zu Objekte kombinieren reicht die Palette. Die Dialoge laufen nach bekanntem Muster ab, man kann immer aus einer Vielzahl von Sätzen auswählen, die man sein Gegenüber fragen will, und durch keine falsche Antwort ist es möglich, das Spiel nicht mehr zu schaffen.

Wie in Baphomets Fluch ist es jedoch möglich, zu sterben. Sehr ärgerlich. Beispielsweise als Foster beim Haupteingang des Sicherheitsgebäudes gescannt wird und der Computer ein falsches Ergebnis ausspuckt. Lässt man Foster danach nochmals scannen, wird dieser geröstet und der Spieler darf beim letzten Spielstand beginnen. Ein einfaches „Ich habe ein ungutes Gefühl“ oder Ähnliches hätte den Spieler zumindest gewarnt. Oder aber als Foster etwas in die Luft sprengen will, ohne vorher den Strom abgeschaltet zu haben, wird er über das Geländer geschleudert und ist tot. Ein „Das ist zu gefährlich“ hätte gereicht.

Auch Joey kann manchmal nerven, wenn er bei der Lösung eines Rätsels helfen sollte, sich aber oft minutenlang bitten lässt, bis er endlich hinter Foster herschlurft. Schade ist auch, dass man von der futuristischen Union City eigentlich nicht sehr viel mitbekommt, da sich das ganze Spiel lediglich rund um das Hauptquartier des Sicherheitsdienstes und in den U-Bahn-Schächten darunter abspielt.

Das sind aber alles Kleinigkeiten, denn bei einem Adventure zählt letztlich einfach nur die Atmosphäre, die Story, die Charaktere und die Rätsel. Und in all diesen Bereichen ist Beneath a Steel Sky auch heute noch absolute Spitzenklasse!

Da das Spiel jetzt sogar auf Freeloader umsonst zu haben ist, sollte es sich jeder Adventure-Fan herunterladen, um für ein paar Tage in die faszinierende Welt von Beneath A Steel Sky eintauchen zu können. (Anmerkung: die Version von freeloader.com läuft bis Windows 98, ab Windows ME ist eine Startdiskette nötig, da dieses Betriebssystem keinen DOS-Modus mehr unterstützt.)

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Zugegeben, Beneath a Steel Sky hatte im Jahre 1993 hochkarätige Konkurrenten, aber dass das Spiel dermaßen unbeachtet geblieben ist, ist mir dennoch unverständlich. Das Spiel hat nämlich durchaus die Qualitäten, um mit den ganz großen wie Day of the Tentacle mitzuhalten. Fans von Blade Runner (Film oder Spiel) werden dieses Spiel sicherlich lieben, und auch die mit Humor verwöhnten LucasArts-Fans kommen hier auf ihre Rechnung. Eine Rundum-Entfehlung für alle, denen simple Musik und grauenhaft pixelige Grafik nichts ausmachen!

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • erstklassige Science-Fiction Story
  • extrem spannende Handlung
  • leichte Bedienung
  • Rätsel
  • pixelige Grafik
  • Midi-Musik
  • Hauptdarsteller kann aus Unachtsamkeit sterben