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Test

von  Janina Brünner
19.08.2017
Tacoma
Getestet auf Windows, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch

Mit dem 2013 veröffentlichten Gone Home konnte der Entwickler The Fullbright Company viel positive Kritik ernten. Das Erkundungsspiel punktete dabei durch das Sammeln von Informationen, für welche ein Haus Stück für Stück durchsucht wurde. Nur wenige Rätsel mussten gelöst werden und auch die Spielzeit fiel gering aus. Mittlerweile sind zahlreiche Explorationgames erschienen und auch Tacoma ordnet sich in diese Reihe ein. Diesmal hat sich das Team aus Portland für einen Science-Fiction-Titel entschieden, welcher in einer Weltraum-Forschungsstation spielt. Wir haben uns den Titel für euch angesehen.

Unsere Spielfigur

Zukunft mit Blick in die Vergangenheit

Tacoma spielt im Jahr 2088. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Amy, die mit ihrem Raumschiff gerade an die Weltraum-Forschungsstation Tacoma andockt. Die Menscheit hat mittlerweile den Weltraum besiedelt und die Venturis Corporation hat Amy auf eine Mission geschickt. Sie soll herausfinden, was mit den sechs Besatzungsmitgliedern der Raumstation geschehen ist. Hilfe bekommt sie durch das digitale Überwachungssystem der Station, welches sämtliche Gespräche und Handlungen der Personen aufgezeichnet hat. Nun muss der Spieler nur noch zur passenden Zeit an die richtigen Orte gehen, um einen Blick auf die Schlüsselmomente zu erhaschen und so einen Eindruck der Geschehnisse an Bord zu bekommen. Aufgeteilt ist das Spiel in drei Abschnitte, welche durch einzelnene Teile der Station dargestellt sind und erst nach und nach betreten werden können.

Zum Schweigen verpflichtet

Anfassen, aufnehmen, weglegen

Tacoma wird aus der Egoperspektive gespielt und mit einer Tastatur-Maus-Kombination gesteuert. Die Steuerung funktioniert gut, allerdings könnte der Mauszeiger etwas größer ausfallen. Manchmal fällt es schwer, den richtigen Gegenstand zu erwischen, gerade wenn mehrere Objekte nebeneinander betrachtet werden können. Um sich Gegenstände näher anzusehen, nimmt Amy diese in die Hand. Danach ist die Drehung im 360-Grad-Modus möglich. Es kann immer nur ein Gegenstand gleichzeitig betrachtet und in die Hand genommen werden. Ein Inventar gibt es daher nicht. Die meisten Objekte bieten keine interessanten Informationen. Der Spieler soll lediglich das Gefühl haben, dass er alles in die Hand nehmen und anschließend an jeder beliebigen Stelle wieder ablegen kann.

Bei der Systemausstattung ist das Spiel durchaus anspruchsvoller, als andere klassische Adventures. Auf dem sieben Jahre alten Testrechner lief Tacoma nicht einwandfrei. Auch wenn Grafikoptionen zur Verfügung stehen, lies sich die Maus selbst bei niedrigen Einstellungen nicht flüssig bewegen. Einige Grafikfehler traten ebenfalls auf. Die Systemvoraussetzungen sollten daher vorher überprüft werden, um ein störungsfreies Spielen zu gewährleisten.

Der einzige Speicherstand wird beim Beenden des Spiels aktualisiert. Zuverlässig gelangt der Spieler dann beim Start an die zuletzt verlassene Stelle. Allerdings muss mit längeren Ladezeiten gerechnet werden.

Die Crew-Mitglieder werden in verschiedenen Farben dargestellt

Vor, zurück, Pause

Rätsel sollte der Spieler in Tacoma nicht erwarten. Tatsächlich bietet das Spiel keinerlei Herausforderung. Laut Entwickler kann es sogar beendet werden, ohne der eigentlichen Geschichte zu folgen. Dafür muss Amy lediglich rumstehen und darauf warten, dass drei Daten-Transfervorgänge abgeschlossen werden. Neun Stunden dauert das, wenn sich der Spieler in der Zeit nicht umsieht. Tut er dies, wird der Vorgang deutlich beschleunigt. Jenes ist die eigentliche Aufgabe und der Grund, warum Tacoma als Erkundungsspiel einzuordnen ist.

Amy kann sich in freigeschalteten Bereichen der Raumstation bewegen und umsehen. Wenn aufgenommene Sequenzen abgespielt werden können, erscheint ein entsprechender Hinweis. Bei der Betätigung der Leertaste tauchen dann die Crewmitglieder schemenhaft in verschiedenen Farben auf und der Spieler wird Zeuge einer Situation aus der Vergangenheit, die jederzeit pausiert, vor- oder zurückgespult werden kann. Hier liegt der Reiz des Spiels. So muss Amy häufig durch verschiedene Räume gesteuert werden, um die Gespräche der einzelnen Personen zu verfolgen und nach und nach die Zusammenhänge zu verstehen. Manchmal kann sie auch auf die AR-Desktops einzelner Teammitglieder zugreifen. Ein entsprechender Hinweis wird in einer Leiste eingeblendet. Dann können bruchstückenhaft Nachrichten gelesen werden, welche die Personen bekommen oder selbst versendet haben. Zusammen mit den sonstigen Dokumenten, Fotos und Gegenständen, die sich auf der Station entdecken lassen, ergibt sich mit der Zeit ein Bild der Geschehnisse auf Tacoma.

Wurden die wichtigen Sequenzen angesehen und die Nachrichten der Crew gelesen, ist der nächste Bereich betretbar. Selten sind auch Codes zu finden, mit denen Türen geöffnet werden können. Diese sind immer offensichtlich zu entdecken.

Auch das Herausfinden von Codes fällt leicht

Hübsche Raumstation

Grafisch macht das Spiel einen guten Eindruck. Zwar ist der Blick aus dem Fenster in der Regel wenig spannend - mehr kann bei der Sicht auf den Weltraum wohl auch nicht erwartet werden, doch die Station wurde hübsch und abwechslungsreich gestaltet. Kleine Details lassen sich überall entdecken. Haargummis, Shampoo, Getränkedosen können angefasst und näher betrachtet werden. Mit der Taste C kann der Spieler sogar in die Hocke gehen, um auch unter Tischen liegende Gegenstände zu entdecken. Mit der rechten Maustaste wird außerdem näher herangezoomt.

Durch die nur schemenhafte Darstellung wurde dafür bei den Personen an Animationen gespart. Außerdem gibt es keine echten Zwischensequenzen, da sich der Spieler während des Abspulens von Aufzeichnungen immer frei bewegen kann.

Die Raumstation ist hübsch anzusehen

Sprachlich solide

Das Spiel kommt mit englischer Sprachausgabe. Die Sprecher machen dabei durchweg einen guten Job und sprechen ihre Texte in verständlichem Englisch aus. Da sich Gespräche häufig überlappen, sind die Untertitel unerlässlich, um den Überblick zu behalten. Wahlweise können deutsche Untertitel hinzugeschaltet werden. Auch diese sind soweit gelungen, nur bei einigen Gegenständen, die näher betrachtet werden können, haben sich kleinere Fehler eingeschlichen. Jene fallen aber kaum ins Gewicht und stören den Spielfluss nicht. Auch Dokumente wurden übersetzt. Die deutschen Texte sind dabei über das Original geschrieben. Das sieht nicht schön aus, erfüllt aber seinen Zweck. Außerdem können die Texte nach dem Lesen weggeklickt werden, so dass sich der Spieler die Dokumente nochmal in Ruhe ansehen kann. An die Wand geschriebene Sätze und für die Geschichte unbedeutende Texte haben dagegen nur teilweise eine Übersetzung erhalten.

Die Musik plätschert zumeist unauffällig im Hintergrund. Manchmal hört ein Crew-Mitglied Musik und singt mit oder spielt etwas auf der Gitarre. Das sorgt für Abwechslung.

Der Weg zwischen den Stationen wird für Werbung genutzt

Fazit

Die Entwickler sprechen bei Tacoma von einer Spielzeit von zwei bis fünf Stunden. Je nachdem, wie viele Details der Spieler aufdecken möchte. Kämpfe oder Rätsel soll es nicht geben. Damit schätzt The Fullbright Company die Länge richtig ein und lässt den Spieler von Anfang an wissen, was ihn erwartet. Fans von Erkundungsspielen kommen auf ihre Kosten und erhalten einen spannenden Science-Fiction-Titel, welcher durch die ungewöhnliche Erzählart punktet. Selbst die nicht vorhandenen Rätsel sind so zu verschmerzen. Durch die gute Übersetzung kann der Titel auch ohne Englischkenntnisse genossen werden. Außerdem wird die Geschichte zufriedenstellend aufgelöst.

Galerie

Kommentare des Verfassers

Kommentare

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Nachdem sich Gone Home als eines der herausragenderen Erkundungsspiele in mein Gedächtnis eingebrannt hatte, erfüllte mich der futuristische Nachfolger aus dem Hause Fullbright doch mit einer gewissen Ernüchterung. Zwar ist es den Machern gelungen, die Narration weitgehend stimmig zu gestalten, bloß mangelt es ihr manchmal an einer mitreißenden Dramaturgie und dem Identifikationspotential der Charaktere. Dies kommt bei Everybody's Gone to the Rapture, das die Erinnerungen seiner Protagonisten ebenfalls szenisch aufbereitet, meines Erachtens besser zur Geltung. Auffällig ist zudem, dass der Rezeptur von Tacoma durchaus eine Brise Gone Home beigemischt wurde (womöglich ein rein subjektiver Eindruck), obgleich wir uns dort fernab der 90er Jahre heimisch fühlen sollten. Dennoch entpuppt sich Tacoma als interessanter Beitrag zum Exploration-Genre, welcher auf der Basis einer bestehenden Social Media-Ära eine glaubhafte wie intelligente Zukunftsvision skizziert.

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Fünf Stunden habe ich auf der Raumstation verbracht, um mehr über das Schicksal der Crew herauszufinden. Besonders gefallen haben mir dabei die Aufzeichnungen der Geschehnisse, die jederzeit an die gewünschte Stelle gespult werden können. Mehrmals habe ich sie mir angesehen, bin den einzelnen Teammitgliedern hinterhergelaufen, um kein Detail zu verpassen. Das Finden der wenigen Codes hätte schwerer ausfallen dürfen, doch ansonsten habe ich die Rätsel nicht vermisst. Die Geschicht ist spannend genug und die Station detailreich, so dass keine Langeweile aufkommen konnte.

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Ich für meinen Teil habe den Ausflug in das Weltall sehr genossen, tatsächlich hat er mir deutlich besser gefallen als der Trip in die 90er bei Gone Home. Während ich das Stöbern im Elternhaus nur leidlich spannend fand, hat mich die Geschichte um die Raumstation Tacoma und die faszinierende, aber auch beunruhigende Zukunftsvision von Tacoma sofort gefesselt und ich wollte unbedingt herausfinden, was dort passiert war. Dass ich dabei spielerisch kaum gefordert wurde ist ein wenig schade, denn die grafisch sehr ansehnliche Location hätte mit Sicherheit einige schöne Möglichkeiten für Rätsel geboten. Aber so konnte ich mich voll auf die Geschichte konzentrieren, welche ich in ziemlich genau drei Stunden zu ihrem Ende gebracht habe. 

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • hübsche Grafik
  • sämtliche Gegenstände können betrachtet werden
  • interessantes Erzählkonzept über Aufzeichnungen
  • keine spielerische Herausforderung
  • kurz