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Das Ende eines Adventures: oder warum Black Mirror misslungen ist (QuerSchläger)
Vom: 01.05.2004
(Warnung: All jene, die Black Mirror noch nicht gespielt haben und vorhaben dies zu tun, bitte NICHT weiterlesen! In diesem Artikel wird das Ende verraten........und verrissen.)



Es hätte so schön sein können. So schön, wirklich und wahrhaftig.

Aber ich muss von vorne anfangen.

Geschlagene drei Tage hatte es gedauert, bis ich mich entschließen konnte, Black Mirror für nahezu vierzig Euro käuflich zu erwerben. Meine Neugier war auch einfach zu groß geworden, alle Adventure-Welt sprach von nichts anderem mehr..... da wollte ich natürlich nicht unwissend daneben stehen.

So weit – so gut. Mit meiner Errungenschaft machte ich mich eiligst auf den Weg nach Hause, Abendessen musste ausfallen..... ich war auf dem Weg nach Black Mirror, einem Schloss irgendwo in England, gruselig schön und mit einer spannenden Geschichte behaftet.



Der Grund, warum ich (unter anderem) Adventure-Spiele liebe, ist schlicht und ergreifend der, dass ich von zu Hause aus die Welt retten kann. Ich schlüpfe dabei in die Rolle von jungen sympathischen Frauen und Männern und reise um den ganzen Globus, nicht müde werdend jedes noch so unüberwindlich scheinende Rätsel zu lösen, jedes noch so groß anmutende Problem aus der Welt zu schaffen. Ich entlarve Mörder, Betrüger und Lügner, ich finde alles raus, ich gehe jedem noch so kleinen Geheimnis auf den Grund.

Besonders an Tagen, an denen sich alles gegen mich verschworen zu haben scheint, tut es mir gut in bester Mac-Gyver-Manier, A mit B zu kombinieren, irgendwelche Dinge zu reparieren, Schlüssel für verschlossene Schlösser zu finden und längst verschollen geglaubte Schätze ans Tageslicht zu befördern.

Zugegeben, das kommt meiner weiblichen Neugier sehr entgegen, ich interessiere mich wirklich für den Inhalt fremder Schubladen und beim Anblick eines fremden Tagebuches überläuft mich ein wohliger Schauer. Auch mein Drang nach ausgedehnten Gesprächen (andere Leute würden das wohl eher unter „Gequatsche“ subsumieren) wird in Adventures aufs vollste befriedigt. Ich kann mit jedem reden, wann wie und vor allem, wie lange ich will, herrlich.

Doch das beste an einem Adventure ist das Ende, das Grande Finale, wenn ich mich zurücklehnen kann und die Gewissheit habe: „Ich habe die Welt gerettet, ich kann stolz auf mich sein.“

Ich bin süchtig nach diesem Gefühl der Held zu sein, wenn der Abspann über meinen Bildschirm läuft. Ich habe das Böse besiegt, das Gute wird leben. Mein Weltbild ist während der letzten Stunden wieder ein bisschen heiler geworden.

Danach kann ich dann ins Bett gehen, mit der Gewissheit alles richtig gemacht zu haben. Mein Schlaf danach ist sozusagen engelsgleich.





Nicht so bei Black Mirror.

Ich hatte mich also mit mehr oder weniger mogeln zum Schluss durchgekämpft....und jetzt kommts:



Ich bin der Böse! Ich! Es ist nicht zu fassen! Ich habe die letzten zwei Tage vor meinem Rechner gesessen, jeden neu auftauchenden Charakter misstrauisch beäugend – schließlich könnte er ja der Schurke sein. Und dann diese enttäuschende Erkenntnis; ich bin es selber. Und nicht nur, dass das entsetzlich desillusionierend ist, ich hätte mir diese Hetzjagd auch komplett sparen können. Da habe ich so viel Zeit an unwirtlichen und gruseligen Orten verbracht. Habe Friedhöfe umgegraben, den Anblick mehrerer Leichen ertragen müssen, ich selber stand oft am Abgrund des Todes: und dann das. Ich war es selber und als logische Konsequenz bringe ich mich selber um: Paff! Ende! Aus! Fertig! Das wars. Ich versuche meine Familie von einem Fluch zu befreien und stelle dann fest, dass gerade durch diese Bemühungen noch mehr Leute zu Tode gekommen sind und das ich (neben dem ganzen Rumrennen und Rätsel lösen) auch noch vier Leute um die Ecke gebracht habe und einen Selbstmord verursacht habe. Entschuldigung, aber das ist:



a) unrealistisch – und

b) sehr unromantisch



Gut, mag ja sein, dass unser jugendlicher Held zwischenzeitlich nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kapazitäten und verflucht und was weiß ich noch, war. Aber, wer schreibt dann bitte in das Drehbuch, das eben jener Held sich dann einfach vom Dach des Familienschlosses stürzt? Das ist in höchstem Maße einfallslos. Wenn es nun der Wille des Autors gewesen sein soll, na gut, schön, aber dann hätte ich mir zumindest eine Filmsequenz gewünscht in der die Seele des toten Sünders, in die ewigen Jagdgründe eingeht und als guter Geist fortan ihr Dasein fristet.



So, bleibt einem nur ein paralysiertes Staunen und ungläubiges Kopfschütteln. Man fühlt sich des echten Adventure-zu-Ende-gespielt-haben-Gefühls beraubt. Und das ist schade. Vergessen sind all jene Stunden, die mit wirklich schöner Grafik und kurzweiligen Rätseln gefüllt waren. Zum Schluss bleibten viele Fragen offen: Was steckte hinter dem Unglück im Bergwerk? Was haben Robert & Doc Herman alles verbrochen? Warum ist alle 200 Jahre ein Gordon wahnsinnig geworden? Warum hat Samuel Robert aber nicht James getötet? Warum musste der kleine Vic sterben?

Wie ist der Black Mirror wieder geöffnet worden nachdem Marcus Gordon ihn doch geschlossen hatte?

Viele Fragen und keine Antworten.



Bleibt zu hoffen, dass es einen zweiten Teil geben wird, der all dies beantwortet, einen wieder mit sehr guter und atmosphärischer Adventure-Unterhaltung begeistert und mich diesmal als der Held, der alle gerettet hat zurücklässt.