Da ich mir bereits sehr oft Gedanken über gutes Adventure-Design gemacht habe, ist dieser Thread ein ganz guter Anlass, hier auch mal etwas zu schreiben.
Im Wesentlichen kann ich allen Beiträgen zumindest teilweise zu stimmen. Aber es gibt tatsächlich einige Punkte, die ich als Denkanstoß gerne hinzufügen möchte.
Voraussetzen von Wissen außerhalb der Spielwelt zerstört die Immersion.
Sicher, vielleicht eigentlich ein nobler Gedanke, Allgemeinwissen in Spielen zu testen aber leider meiner Meinung nach eher unangenehm. Nicht von Jedem Spieler kann uneingeschränkt und gleichermaßen erwartet werden, dass er Noten lesen kann, ein begnadeter Schachspieler ist und die Planeten unseres Sonnensystems ad hoc Ihren Umlaufbahnen zuordnen kann. Zudem zerstört es zudem die Illusion der Spielwelt, sofern die Informationen außerhalb von dieser beschafft werden müssen. Einzig für mich akzeptable Ausnahme: Das Wissen kann der Spieler auch innerhalb des Spieles erlernen.
Lieber etwas Backtracking als ständiger Schauplatzwechsel ohne Tiefe.
Es mag einerseits ja sehr abwechslungsreich scheinen, nach der Spielzeit von einer knappen halben Stunde den Protagonisten in ein anderes Land zu schicken und dabei auch gerne das Inventar zu leeren – aber zumindest ich sehe da schlechtes Design. Klar, ein Schauplatzwechsel in Maßen ist etwas, dass durchaus seinen Charme hat, aber ein wichtiges Element eines Adventures ist es für mich, die Welt, in welche ich eintauche, kennen und lieben zu lernen. Ihr kennt das ja – zunächst stürzt man sich hinein, erkundet alles und lässt sich durch ein Gefühl aus Neugier und Befriedigung der gleichen leiten. Dann ordnet man die Szenen in seinem Gedächtnis und immer mehr findet man sich zurecht. Sowas funktioniert, wenn Schauplätze umfangreich genug hierfür sind. Nicht jedoch, wenn man sich von einem abgetrennten Schauplatz aus drei Szenen zum nächsten schlängelt. Auch spielerisch verschenkt man Potenzial – eine Begrenzung der Szenen und des Inventars führt eher zu Trial & Error als zum eigentlichen Rätseln.
Selbstredend kollidiert dieser Punkt jetzt mit dem hier wenig beliebten Backtracking. Dieses ist kaum vollständig zu vermeiden, wenn das Spiel große, umfangreiche Schauplätze nutzt. Backtracking kann aber durchaus auch einen gewissen Anreiz darstellen, z. B. eine Tür, die zu Beginn bereits präsentiert wird aber es erst viel später im Spiel gelüftet wird, was sich hinter dieser befindet.
Experimente wie Deadends und Tode müssen nicht immer schlecht sein.
Grundsätzlich resultieren Deadends und Tode ja aus einer Zeit, in welcher das Adventure-Genre noch in den Kinderschuhen steckte. Natürlich wurde sich hier an anderen Genres orientiert, bei welchen gewisse Spielmechaniken, wie der Tod des Protagonisten ja keine Seltenheit waren. Auch bei Zak McKracken experimentierte LucasFilm noch stark mit neuen, Genre-unüblichen Elementen, wie einem beschränkten Budget (CashCard), das man ja beispielsweise aus Simulationen kennt. Ich will nicht sagen, dass ich diese Konzepte uneingeschränkt vermisse, aber ich denke, dass sie nicht auf der Liste der absoluten Undinge gehören. Gerade durch die Möglichkeit, sterben zu können, lässt sich natürlich eine wesentlich bedrohlichere und ernstere Atmosphäre aufbauen. Allerdings sollte das Spiel direkt von Beginn an das Setting klar kommunizieren – z. B. eine Sterbeszene bereits in den ersten Minuten, so weiß der Spieler auf was er sich einlässt und das Vorsicht geboten ist.
Linearität sollte der Spieler nicht wahrnehmen.
In Adventures steht sehr oft die Story an erster Stelle. Das ist in keinem Fall für sich genommen etwas Schlechtes, im Gegenteil – ich liebe gute Geschichten. Doch so komplexer die Story, desto linearer wird meist das Spiel. Dies muss auch nicht unweigerlich etwas Schlechtes sein. Schlecht ist es nur, wenn der Spieler es unmittelbar merkt. Und er merkt es, sobald die Linearität auch Einzug in das Rätseldesign hält. Spielt man ein gutes Adventure, so hat man immer gedanklich eine Liste mit Aufgaben. „Ich muss den rostigen Schlüssel finden, das Stromkabel reparieren, mir eine Pizza machen und den Fahrradreifen reparieren.“ Der Spieler weis an der Stelle nicht, in welcher Reihenfolge die Aufgaben zu erledigen sind, also ob er z. B. erst den Schlüssel finden muss, um das Werkzeug für das Stromkabel zu finden. Allein die Illusion davon eine Wahl zu haben, reicht also oft aus. Noch besser ist es natürlich, wenn Gelegentlich auch parallel Aufgaben erfüllt werden können. Aber in keinem Falle sollte das Spiel immer nur eine Aufgabe präsentieren – das ist sehr frustrieren, vor Allem dann, wenn man die Lösung nicht direkt findet.
„Hey, wie wollen wir die Tür zu dieser streng geheimen Forschungseinrichtung der Regierung sichern?“ – „Ich habe da dieses Schiebepuzzle…“
Minispiele können sich teilweise – selten – in die Spielewelt einfügen (z. B. das Entschlüsseln eines Dokumentes, etc.) sind aber in den meisten Fällen absurd. Ich glaube kaum, dass sich jemand beim Schreiben der Story bereits Gedanken über diese gemacht hat, so deplatziert und sinnlos sie meist wirken. Vielleicht ein Lückenfüller? Oder ein fehlgeleiteter Vorschlag der Publisher?
Richtig ist nicht immer richtig.
Bevor ich hier noch mehr Worte verliere und letztendlich dazu verfalle, bereits von euch genannte Punkte zu wiederholen, komme ich zu meinem Fazit. Vor Kurzem spielte ich Thimbleweed Park – ein sehr tolles Spiel. Die Entwickler, ehemals bekannt aus den Klassikern von LucasArts, wissen, wie sie Adventures designen müssen. Es gab sehr vieles, was ich an diesem Spiel schätzte. Doch es fehlte auch etwas – nämlich die Herausforderung. Ich freute mich sehr auf Thimbleweed Park, weil ich hoffte, wieder an kniffligen Rätseln zu hängen, durch Szenen zu irren und zu verzweifeln. Das lag keineswegs daran, dass die Rätsel nicht kreativ waren. Sie waren einfach zu gut gestaltet. Es wurden klare Ziele gesetzt, subtile Tipps gegeben und alle der hier genannten NoGo’s vermieden. Doch gerade für erfahrene Spieler wird das Spiel dadurch natürlich zu einfach. Wir wissen schließlich, auf was wir achten müssen und nehmen jeden kleinen Hinweis wahr. Daher denke ich, dass hin und wieder auch vom Lehrbuch abgewichen werden kann und auch einmal Platz zu experimentieren sein muss.